Gelsenkirchen. Kunden von Banken und Sparkassen in Gelsenkirchen könnten Tausende Euro an Zinsen entgangen sein. Was hinter dem Urteil des BGH steckt.

Wie errechnen sich Zinsanpassungen bei Prämiensparverträgen? Dazu hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt, das zugunsten von Kunden ausfällt. Ihnen könnten Tausende Euro an Zinsen entgangen sein. Den Geldinstituten drohen nach dem Ärger um zurückzuzahlende Kontoführungsgebühren erneut Nachzahlungen in Millionenhöhe – auch der Sparkasse Gelsenkirchen. Ebenso betroffen ist die Volksbank.

Sparkasse Gelsenkirchen: Knapp 100 Nachforderungen von Kunden eingegangen

Udo Kramer, Sprecher der Sparkasse Gelsenkirchen. Das Bild ist bei einem Bericht über die Arbeit im Homeoffice aus Arbeitgebersicht entstanden. 
Udo Kramer, Sprecher der Sparkasse Gelsenkirchen. Das Bild ist bei einem Bericht über die Arbeit im Homeoffice aus Arbeitgebersicht entstanden.  © Unbekannt | Foto: Sparkasse/FFS

Bei der Sparkasse Gelsenkirchen bestehen nach Auskunft von Sprecher Udo Kramer „noch 8500 Prämiensparverträge, die auf der Grundlage der vor April 2005 üblichen einseitigen Zinsfestsetzungsklausel“ vereinbart wurden. Bei 97 Verträgen sei von Kundenseite bislang eine Neuberechnung der Verzinsung eingefordert worden, 33 Nachforderungen seien als unbegründet abgewiesen worden. Angaben zur Höhe der möglichen Gesamtsumme an Nachzahlungen machte die Sparkasse nicht. Lesen Sie dazu auch: Kontoführungsgebühren in Gelsenkirchen: So teuer wird es für die Kundschaft

Das liegt an dem Umstand, dass der BGH nach seinem Grundsatzurteil es dem Oberlandesgericht Dresden zur Auflage gemacht hat, einen Referenzzins zu bestimmen, anhand dessen die verlorenen Summen der Sparer nachberechnet werden. Das Urteil wird im Laufe dieses Jahres erwartet.

Ob dieser Referenzzinssatz allerdings auch auf die Prämiensparverträge der Sparkassen Gelsenkirchen übertragbar sein wird, ist noch offen“, betont Udo Kramer. Die Prämiensparverträge sind vertraglich nicht alle gleich ausgestaltet, manche habe eine feste Laufzeit, andere sind unbefristet. Am Ende könnte auch hier noch mal das Gericht entscheiden.

Wilhelm Uhlenbruch, Sprecher der Volksbank Ruhr-Mitte.
Wilhelm Uhlenbruch, Sprecher der Volksbank Ruhr-Mitte. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Weniger detailreich fiel die Auskunft von Volksbank-Sprecher Wilhelm Uhlenbruch aus. „Bei uns waren die Vertragsbedingungen anders als bei der beklagten Sparkasse“, sagte der Sprecher. „Die Verzinsung unserer Prämiensparkonten wurde auf Basis eines konkret definierten Referenzzinssatzes, der auf der Homepage unserer Bank transparent einsehbar war, jeweils termingerecht angepasst.“ Mit einer finalen juristischen Bewertung, ob das BGH-Urteil auch für andere Vertragsgestaltungen anzuwenden sei, sei kurzfristig nicht zu rechnen, so der Sprecher weiter. Aufgrund der noch unklaren finalen Rechtslage ist es Uhlenbruch zufolge „daher verständlich „dass uns bislang nur fünf Einzelanfragen vorliegen“.

Bei einigen Altverträgen in Gelsenkirchen geht es um einige Tausend Euro Zinsgutschrift

Stein des Anstoßes sind Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen. Diese Klauseln ermöglichen es Banken, den Zins nach eigenem Ermessen anzupassen, was in der Regel zu Lasten der Kunden geht: Sie bekommen zu wenig Zinsen gutgeschrieben. Der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Oktober solche Vertragsklauseln für rechtswidrig erklärt, nachdem die Verbraucherzentrale Sachsen für 1300 Prämiensparende eine Musterfeststellungsklage eingereicht hatte (Aktenzeichen XI ZR 234/20).

Überwiegend betroffen sind Kunden, die in den 1990er- und 2000er-Jahren solche Sparverträge abgeschlossen haben. In den 90er-Jahren waren Zinssätze in Höhe von drei bis vier Prozent üblich, zu Beginn der 2000er noch zwei bis 2,5 Prozent, beides heute undenkbar. 2010 begann die Niedrigzinsphase. Infolgedessen haben die Kreditinstitute die Sparzinsen der Verträge regelmäßig nach unten angepasst, in manchen Fällen sogar auf bis zu 0,01 bzw. 0,001 Prozent.

Neuigkeiten aus Gelsenkirchen:

Verbraucherzentrale: Kunden haben durchschnittlich 4000 Euro zu wenig Zinsen erhalten

Klar aber ist: Es geht um beträchtliche Summen. Die Verbraucherzentralen haben nach Angaben ihres Bundesverbandes bereits über 5000 langfristige Sparverträge von verschiedenen Banken und Sparkassen überprüft und nachgerechnet. Demnach haben Kunden in den nachgerechneten Fällen „durchschnittlich rund 4000 Euro zu wenig Zinsen erhalten“.

Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt die Dimensionen: Wer monatlich 100 Euro gespart hat seit 2000, kommt mit Prämien nach20 Jahren auf eine Summe von gut 25.000 Euro. Legt man nun zugrunde, dass der Zinssatz von zwei Prozent einseitig von der Bank auf die Hälfte reduziert worden ist über den gesamten Zeitraum, so sind nur einem Sparer rund 2800 Euro entgangen.

Welche Banken und Sparverträge in NRW betroffen sind

In Nordrhein-Westfalen sind eine ganze Reihe von Geldhäusern von dem BGH-Urteil betroffen. Bei den (Kreis-)Sparkassen heißen diese Sparverträge Vorsorge Plus, Prämiensparen oder Prämiensparen flexibel. Bei den Volksbanken heißt das betroffene Produkt Rente Plus, Bonusplan oder VR Bonusplan. Bei der PSD Bank Rhein-Ruhr lautet der Name des Vertrages Bonus Sparplan.Die Verbraucherzentrale rät Betroffenen, die den den Verdacht haben, einen Vertrag mit fehlerhafter Zinsanpassung zu besitzen, ihre Bank auffordern, die Zinsberechnung darzulegen und gegebenenfalls eine Neuabrechnung durchzuführen. Dabei hilft ein Musterbrief. Die Verbraucherzentrale Gelsenkirchen sitzt an der Robert-Kochstraße 4, 0209 15760301.

Die Sparkasse Gelsenkirchen bietet nachforderungsberechtigten Kunden „eine individuell errechnete Vergleichszahlung an“, erklärt Sprecher Udo Kramer. Wenn Betroffene dieses nicht annähmen, so beantworte das Bankhaus solche Anfragen gern nach „dem endgültigen und auch für uns anwendbarem Urteil über die Referenzzinsermittlung des OLG Dresden“.