Gelsenkirchen. Wie tickt die Gelsenkirchener FDP-Politikerin, was macht Susanne Cichos aus? Ein WAZ-GEspräch über Frauen in der Politik und „besondere Ideen“.
Die Wände sind immer noch sehr kahl, und überhaupt ist das Büro eigentlich ziemlich klein. Ein Streuselkuchen, eine Kanne Kaffee, ein paar Tassen und Servietten und ein Schreibblock - viel mehr passt nicht auf das Konferenztischchen in diesem Raum. Und dennoch ist Susanne Cichos unheimlich stolz auf dieses Büro.
Denn die wenigen Quadratmeter befinden sich auf der zweiten Etage im Hans-Sachs-Haus. Ein eigenes Fraktionsbüro im Gelsenkirchener Rathaus zu haben, bedeutet der FDP und ihrer Frontfrau viel. „Wir sind endlich nicht nur außerparlamentarische Opposition, sondern mischen im Stadtrat mit“, freut sich Fraktionschefin Susanne Cichos auch nach mehr als einem Jahr im Amt. Dass die Liberalen dieser Tage sogar zufällig erfahren haben, eine eigene kleine Küche im Rathaus zu haben, setzt dem ganzen noch die Kirsche auf.
„Uns hat man beim Einzug nur gesagt, dass wir im Büro keine Kaffeemaschine aufstellen dürfen, nicht aber, dass uns eine eigene Küche zur Verfügung steht“, berichtet Cichos und ist schon mitten im WAZ-GEspräch, bei dem wir wissen wollen, was Frauen in Gelsenkirchen bewegt, Kommunalpolitik zu betreiben, welche Hürden sie überwinden müssen und warum sie sich ausgerechnet in der Partei engagieren, in der sie sind? [Lesen Sie auch:Warum machen Sie Lokalpolitik, Frau Totzeck?]
„Sehen Sie“, sagt Cichos, „das mit der Küche ist natürlich nicht von Belang, aber leider auch beispielhaft“. Schon lange kritisierten die Oppositionsparteien, dass die SPD-geführte Stadtverwaltung zu wenig unternommen habe, um Interessierten durch den Behördendschungel zu helfen, wenn sie in Gelsenkirchen investieren wollen. „Dass es bei der Stadt einen Verwaltungslotsen gibt, das weiß doch kaum ein Mensch. Mag ja sein, dass die städtische Wirtschaftsförderung es zu ihren Dienstleistungen zählt, im Rahmen von Genehmigungsfragen und auch sonst ein Ansprechpartner zu sein, das nützt aber herzlich wenig, wenn man das nicht ganz offensiv bewirbt“, ärgert sich die Gelsenkirchenerin zwar, bleibt im Ton aber auffällig versöhnlich.
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Eine wirtschaftsfreundliche Stadt ist ihr nicht allein aus parteipolitischem Mantra heraus eine Herzensangelegenheit. Susanne Cichos ist gebürtig eine Brune. Ihrer Familie gehört das Gelsenkirchener Busunternehmen, und auch ihr Gatte ist Unternehmer und betreibt den Fleischwarengroßhandel Cichos.
Dennoch: Überspitzte Rhetorik, aggressive Parolen - das ist nicht die Art der zweifachen Mutter. Möglichst unaufgeregt über Probleme zu sprechen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, so wie die 53-Jährige es in ihrer Familie am liebsten handhabt, so macht sie es auch in der Politik.
„Frauen sind einfühlsamer und nehmen die Stadt anders wahr“
„Frauen sind einfühlsamer, sie hören eher zu, sind harmoniebestrebter als Männer, und sie nehmen die Stadt, also Angsträume etwa, anders wahr“, skizziert Cichos die Unterschiede, die sie im Leben und der Politik zwischen den Geschlechtern sieht. Ihre Erfahrungen als Mutter seien prägend für ihren Politikerinnen-Stil, „und damit fahre ich gut, so bin ich“, sagt Cichos.
Auch wenn diese Emotionalität schon mal dazu führen kann, dass man intensiver an Rückschlägen zu knacken hätte. Sie selbst sei eine Zeit lang in den sozialen Medien „übelst sexistisch beleidigt worden, was mich total fertig gemacht hat“, räumt Cichos ein. Trotzdem und gerade deshalb sei es wichtig, dass sich mehr Frauen in der Politik engagieren, sagt die Bueranerin.
Dabei brauchte sie selbst vor Jahren erst von ihrer eigenen Mutter einen Stupser, um auch in der Partei die „Kümmerin und Mutmacherin“ zu sein, als die sie sich heute sieht. Die Wirtschaftswissenschaftlerin hatte sich nach der Geburt ihrer heute 24 und 22 Jahre alten Kinder zunächst auf die Erziehung des Nachwuchses konzentriert, heute sitzt sie als Vorsitzende im kleinen Fraktionsbüro im Rathaus. [Lesen Sie auch:FDP Gelsenkirchen schlägt vor: Pferde, die den Müll abholen]
Ausschlaggebend sei der Tag der Einschulung ihrer Tochter gewesen. „Als ich sah, in welchem Zustand die Toiletten in der Schule waren, wollte ich etwas dagegen unternehmen“, erinnert sich Cichos, deren Vater immer die CDU und deren Mutter immer die SPD gewählt hatten. Eigenverantwortung zu übernehmen, gehörte für die Unternehmertochter und -Frau zeitlebens zu den wichtigsten Tugenden. Doch mit der SPD-Verwaltung war die junge Mutter eben nicht zufrieden, und die Union kam für sie auch nicht in Frage, weshalb sie sich als 33-Jährige entschied der FDP beizutreten. „Meine Mutter unterstütze mich dabei. Das war damals für mich sehr wichtig“, sagt Cichos und denkt sogleich über ein Patinnen-Projekt nach, um jungen Gelsenkirchenerinnen den Weg in die Politik zu erleichtern. „Noch immer liegt der Anteil der Frauen im Stadtrat schließlich nur bei 27 Prozent.“
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