Gelsenkirchen. Pferdekarren, die Papierkörbe leeren, gibt es in Brüssel – warum nicht auch in Gelsenkirchen? Was man bei Gelsendienste zu der FDP-Idee sagt.
- Die FDP hat Gelsendienste gefragt, ob es möglich wäre, Pferdekutschen einzusetzen, um Papierkörbe zu entleeren.
- Das Vorbild: Die belgische Hauptstadt Brüssel. Dort wird das Pferdegespann seit rund zehn Jahren auf die Straße geschickt.
- Bei Gelsendienste ist man allerdings sehr skeptisch. Pferde seien ein zu großes Verkehrshindernis und rentieren würde sich so ein Wagen auch nicht.
Eines muss man der FDP ganz objektiv betrachtet lassen: Sie hat immer wieder ungewöhnliche Ideen, die Gelsenkirchen zu einem touristischen Ziel mit mehr Anziehungskraft machen sollen. Ideen, von denen manch einer begeistert ist – und die andere fragen lassen, ob man deshalb bei den Liberalen für die Cannabis-Legalisierung ist, weil man dem regelmäßigen Privatgebrauch nicht abgeneigt ist. Und während die Stadt noch darüber grübelt, wem man wohl bald auf Gelsenkirchens „Walk of Fame“ (auch eine FDP-Idee) zuerst ehren soll, denkt man bei den Liberalen über den nächsten Streich nach: Pferdekarren, die den Müll abholen. Ja, richtig gelesen.
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Vorbild für die Idee ist die belgische Hauptstadt Brüssel. Dort kommt die Müllabfuhr an sechs Tagen in der Woche nicht bloß mit dem Lkw, sondern auch per Pferdegespann. Und das schon seit einem Jahrzehnt. Das hatte ursprünglich weniger touristische Gründe, sondern vor allem auch finanzielle: Da war der hohe Benzinpreis. Und die geringen Kosten für zwei Pferde, die 30.000 Euro weniger kosten als ein Müllfahrzeug. Dass die Pferde am Ende auch mehr Lebensfreude in den Brüsseler Problem-Stadtteil Schaerbeek brachten: ein willkommener Nebeneffekt.
Gelsendienste: Wir haben weder Stall noch Weideflächen
„Dieses Pferdegespann ist offenbar sehr beliebt in dem dortigen Stadtteil. Außerdem ist so eine Kutsche viel umweltfreundlicher“, sagt FDP-Ratsherr Christoph Klug, der deswegen wissen wollte: Hat man bei Gelsendienste schon mal in Betracht gezogen, auch eine Müllabfuhr mit 2 PS in den Dienst zu nehmen, um Straßenpapierkörbe zu entleeren? Die Antwort im Kern: Gelsenkirchen ist nun mal nicht Juist.
Denn auf der Nordsee-Insel gibt es ein solches Fuhrwerk, wie man bei Gelsendienste weiß. Allerdings ist die Insel bekanntlich für den Autoverkehr gesperrt und hat nur 1500 Einwohner. In einer 260.000-Einwohner-Stadt wie Gelsenkirchen würde man dagegen „enormen Stress bei den Tieren verursachen“, heißt es in der Antwort an die FDP.
Außerdem: „Abgesehen davon, dass das Knowhow im Umgang mit solch einem Gespann und den Tieren nicht vorhanden ist, stehen Gelsendienst weder Stallungen noch Weideflächen zur Verfügung.“
In Gelsenkirchen werden 8700 Mal in der Woche Müllkörbe geleert
Aber was ist mit den unschlagbaren Kosten? Ja, ein Pferd mit Kutsche sei in der Anschaffung zunächst günstiger als ein 740 Kilogramm schweres Fahrzeug mit 150 PS. „Es müssen jedoch neben dem Futter auch die Kosten und der Aufwand berücksichtigt werden, die für Stallungen, Koppeln und die Pflege des Pferdes anfallen würden“, argumentiert der Entsorgungsbetrieb. Zudem sei ein Pferdegespann längst nicht so effektiv – und würde ein Verkehrshindernis darstellen.
Zweifellos: Um alle 4534 Papierkörbe in Gelsenkirchen regelmäßig zu leeren, müsste man wohl zu Dopingmitteln bei den Pferden greifen. In Schaerbeek schaffen die Gäule 200 am Tag. Aber Papierkorbleerungen sind ja keine olympische Disziplin.
Um die wöchentlich 8700 Leerungen in Gelsenkirchen zu meistern, greift Gelsendienste deswegen auf sechs weniger sportliche Fahrzeuge zurück. Wobei, was heißt schon nicht-sportlich? „Gelsendienste hat sich für möglichst schmale Fahrzeuge entschieden“, heißt es. Die Pferdewagen dagegen? „Lang, breit und langsam“
Christoph Klug (FDP): „Manchmal muss man dicke Bretter bohren“
Lauter Gegenargumente also gegen den Pferde-Mülldienst. Beerdigen will Christoph Klug seinen Einfall deswegen nicht. „In einer Großstadt wie Brüssel hat man doch tolle Erfahrung damit gemacht. Deswegen sollte man sich hier nicht so dagegen sperren.“ Schließlich ginge es ja auch nicht um ganz Gelsenkirchen, sondern zum Beispiel um Teile von Buer oder um die Altstadt.
Nun will Klug in der Fraktion bereden, wie man an dem Thema dranbleiben will und ob man – trotz der Skepsis bei Gelsendienste – einen Antrag stellen möchte. „Ich habe gelernt, dass man manchmal dicke Bretter bohren muss.“ Denn wie war das noch mit dem „Walk of Fame“, der 2022 die Kulturmeile in Buer schmücken soll? Über den haben die Liberalen erstmals fantasiert, als in Brüssel erstmals Pferde den Müll abholten. (mit dpa)