Gelsenkirchen-Horst. Die Geschäftsführung des Gelsenkirchener Tagungs- und Gästehauses Schacht 3 hat Überbrückungshilfe beantragt. Seit Monaten steht der Bescheid aus
Der Staat hat in der langen Corona-Krise der Wirtschaft und dem Handel schnelle Hilfen zugesagt und Milliardenpakete geschnürt, um unternehmerische Pleiten und Jobverluste zu verhindern. Im Fall des Gelsenkirchener Tagungs- und Gästehauses Schacht 3 scheint Schnelligkeit aber relativ zu sein. Geschäftsführerin Lisa Wannenmacher klagt: „Wir haben Überbrückungshilfe Ende Mai 2021 beantragt, seitdem tut sich wenig bis nichts“. Nach mehr als einem halben Jahr des Wartens und Hinterhertelefonierens sei die Liquidität hin. Es drohe das Aus.
Gelsenkirchener Schacht 3 hat 160.000 Euro Überbrückungshilfe Euro beantragt
Lisa Wannenmacher ist frustriert. „Anfang Juni vergangenen Jahres haben wir eine Eingangsbestätigung bekommen“, erzählt die Frau aus Neukirchen-Vluyn. „Zwischenzeitlich wurde unser Antrag dann einer sogenannten vertieften Überprüfung unterzogen, seither haben wir nichts mehr gehört.“ Auf 160.000 Euro beläuft sich das beantragte Überbrückungsgeld III, um Fixkosten wie unter anderem „Pacht, Strom und Wasser“ weiter stemmen zu können.
Und: Nicht zum ersten Mal läuft die Hilfestellung für Schacht 3 langsam, im Frühjahr 2021 war es ähnlich. Zusätzlichen Frust bescherten viele Corona-Kontrollen.
Das Tagungs- und Gästehaus sowie Arbeiterbildungszentrum bietet Monteuren und Geschäftsreisenden mit seinen 32 Zimmern Unterkunft. Mit Feiern wie Hochzeiten, einem Gastroangebot oder Fortbildungen generieren rund ein Dutzend Mitarbeiter Umsatz. Die vierte Welle und strenge Corona-Regeln haben wie vielerorts dazu geführt, dass „insbesondere die Buchungen von Hochzeiten, Tagungen und Seminaren stark eingebrochen sind und wenn überhaupt nur noch in sehr kleinem Rahmen stattfinden.“
Wannenmacher zufolge haben bislang private Darlehen und Spenden von Gästen - darunter eine Zuwendung in Höhe von 25.000 Euro – eine noch größere Schieflage verhindern können. Lange durchzustehen sei das aber nicht mehr, so die Geschäftsführerin, auch wenn der Eigentümer, der Vermögensverwaltungsverein Horster Mitte als Ableger der dort ansässigen MLPD, sich derzeit damit begnüge, so viel Pacht zu erhalten, wie gerade gezahlt werden könne.
Gelsenkirchener Geschäftsfrau schreibt offenen Brief an Bundeskanzleramt
Etwas ärgert Wannenmacher besonders. Nämlich, dass „man selbst nach zigfachem Nachfragen keinen Schritt weiter kommt.“ Die Bezirksregierung Münster hat sie nach eigenen Bekunden in ihrem Frust angeschrieben, dazu sogar noch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und sogar Bundeskanzler Olaf Scholz.
Aus Münster hat sie eine automatisch generierte Antwort mit einem Hinweis auf eine Internetseite mit allgemeinen Informationen über Überbrückungshilfen erhalten, vom Presse- und Informationsamt des Bundes eine Liste mit entsprechenden Online-Verweisen zu den Bundesministerien für Wirtschaft und Finanzen. Was Wannenmacher aber „ebenso wenig weiter gebracht hat“, wie den eingesetzten Steuerberater, dessen Bemühungen um Aufklärung „bislang auch ins Leere laufen“.
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Auf Nachfrage dieser Redaktion teilte die Münsteraner Behörde mit, dass die Fachmitarbeiter derzeit noch im Urlaub seien, eine Antwort zu dem Fall daher aktuell nicht möglich sei. Aus Düsseldorf kam die Mitteilung, dass die fünf Bezirksregierungen zusammen mit externen Dienstleistern mit „Hochdruck alle offenen Anträge im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten“ abarbeiteten. Teilweise würden Anträge nicht korrekt gestellt oder Unterlagen fehlten, so das Landeswirtschaftsministerium.
Für die Hilfsprogramme erfolge mindestens einmal pro Woche die Auszahlung über die Landeskasse NRW, sodass die Zahlung bei positivem Bescheid „im Regelfall innerhalb weniger Tage eintrifft“, so das Ministerium weiter. Mitunter seien die Anträge jedoch so komplex, dass die Bearbeitung „erheblich mehr zeitliche und personelle Ressourcen in Anspruch nimmt, als ein Großteil der übrigen Anträge“. Der Datenschutz verhindere es zudem, zum konkreten Fall Stellung zu nehmen.
Kritik: Eigenlob des Wirtschaftsministerium bei zugesagten Corona-Hilfen
Fall UBH3R-534716 „Schacht 3“ aus Gelsenkirchen befindet sich also weiter in der Warteschleife. „Mussten Daimler oder Lufthansa auch so lange auf staatliche Hilfen wie wir und viele andere Kleinbetriebe warten“, fragt Wannenmacher provokativ.
Vor der Corona-Pandemie mit viel Vorlauf stark gebucht
Das Tagungs- und Gästehaus Schacht 3 im Arbeiterbildungszentrum in Gelsenkirchen-Horst befindet sich an der Koststraße 8.
Das versteckt und doch zentral liegende Haus wird vor allem für Hochzeitsfeiern gern gebucht. Es verfügt über einen großen Saal und einen Garten. Vor der Corona-Pandemie, so erinnert sich Geschäftsführerin Lisa Wannenmacher, waren die Räume freitags und samstags mit einem Vorlauf von zwei Jahren ausgebucht.
Die Geschäftsführerin setzt in ihrem Ärger noch einen drauf. Im Fokus ihrer Kritik: Der Internetauftritt des Bundeswirtschaftsministeriums – dort sind Zahlen zur Überbrückungshilfe zu finden. Demnach wurden (Stand 28. Dezember) bislang 26,16 Milliarden Euro an Überbrückungshilfen III ausgezahlt, 88 Prozent der 534.811 eingegangenen Anträge sind bewilligt worden. „Was ist mit den restlichen 66.354 Anträgen“, fragt Lisa Wannenmacher. „Gehen die alle leer aus, waren ihre Anträge alle falsch? Wohl kaum.“
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