Die Corona-Krise ist eine Belastungsprobe. Gelsenkirchener Geschäftsführerin ärgert sich über Ungleichbehandlung bei Hilfsgeldern und Kontrollen.

Gastronomie und Hotellerie ächzen unter der Corona-Pandemie. Wie viele andere Wirtschaftszweige. Auch Lisa Wannenmacher, Geschäftsführerin des Tagungs- und Gästehauses Schacht 3/Arbeiterbildungszentrum (ABZ) in Gelsenkirchen-Horst, berichtet davon, dass ihr Betrieb sich mehr schlecht als recht durch die Krise kämpft. Sie ärgert die Verzögerungen bei der Auszahlung der beantragten Hilfsgelder und insbesondere die große Anzahl der Corona-Kontrollen im Haus. Die 69-Jährige sagt: „Völlig unnötig und unverhältnismäßig, nicht im Sinne der Gleichbehandlung“.

Geschäftsführerin: KOD hat Betrieb mehr als zehn Mal in kurzer Zeit kontrolliert

Wannenmacher arbeitet seit 21 Jahren in dem Tagungs- und Gästehaus im Schlagschatten von BP in Horst. Monteuren und Geschäftsreisenden bietet das Haus mit seinen 32 Zimmern Unterkunft. Mit Feiern wie Hochzeiten, einem Gastroangebot oder Fortbildungen generieren elf Mitarbeiter zusätzlichen Umsatz. Während der Pandemie schrumpfte das Angebot auf „Gastro to go“ und auf die „Beherbergung von Geschäftsreisenden oder Berufsschülern im Präsenzunterricht“.

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Wannenmachers Ärger über Corona-Maßnahmen und -Kontrollen wuchs, als sie die jüngste Zwischenbilanz der Verwaltung sah – 3705 Bußgeldverfahren listete die Stadt im März auf, das Ordnungsamt lobte, dass 99,5 Prozent der Betriebe vorbildlich auf die Einhaltung der Hygiene-Schutzmaßnahmen achteten. „Kein Wunder“, sagt die Geschäftsfrau mit Blick auf den Industrie-Riesen BP nebenan: „Denn dabei geht um die Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe. Nur diesen Betriebsgrößen wurden die Auflagen diktiert und angeordnet, während für die Großbetriebe und Konzerne weitgehend nur ‘Empfehlungen’ ausgesprochen wurden.“ Und die seien nun mal unverbindlich und unterlägen keiner Kontrolle.

Für Hochzeiten lange Zeit ausgebucht

Das Tagungs- und Gästehaus Schacht 3 im Arbeiterbildungszentrum in Gelsenkirchen-Horst befindet sich an der Koststraße 8.

Das versteckt und doch zentral liegende Haus wird vor allem bei Hochzeitsfeiern gern gebucht. Es verfügt über einen großen Saal und einen Garten. Außerhalb der Krisenzeit durch Corona, so berichtet es Geschäftsführerin Lisa Wannenmacher, waren die Räume freitags und samstags mit einem Vorlauf von zwei Jahre ausgebucht.

Die 69-Jährige empfindet das als „Ungleichbehandlung sondergleichen“ und berichtet, dass das Tagungshaus von September bis Dezember 2020 „vom KOD über zehn Mal kontrolliert“ worden sei. Jedes Mal mit dem Ergebnis: Hervorragendes Hygienekonzept, vorbildliche Einhaltung der Regeln. Für sie hätten es auch weniger Überprüfungen getan, dem Stadt wären ihrer Ansicht nach so viel Zeitaufwand und Kosten erspart worden.

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Stadt: Coronaschutzverordnung sieht keine Einschränkung für Industriebetriebe vor

Martin Schulmann, Sprecher der Stadt, erklärt, wie es zu den vielen Kontrollen gekommen ist: „Die Einrichtung Schacht3/ABZ ist bekannt als Ort, an dem unter anderem auch private Feiern stattfinden können. Die Räume sind in der Vergangenheit entsprechend vermietet worden.“ Weil die Corona-Schutzverordnung Feiern und Treffs untersage, werde daher entsprechend engmaschig durch den KOD kontrolliert - und eben auch dieses Haus.

Den Verweis auf mangelnde Kontrollen anliegender Industriebetriebe weißt die Stadt als nicht zulässig zurück. Begründung: „Die Coronaschutzverordnung sieht keine Einschränkungen für Industriebetriebe vor, somit kann es auch keine Kontrollen durch die Ordnungsbehörde geben.“

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Damit ist die Stadt ordnungsrechtlich auf der sicheren Seite, für Lisa Wannenmacher zeigt sich damit aber nur umso mehr, dass die Last der Krise nicht zu gleichen Teilen auf alle Schultern verteilt ist. Die Frau aus Neukirchen-Vluyn unterfüttert ihre Argumentation mit Blick auf die staatlichen Hilfsgelder: „Während große Konzerne wie etwa Daimler unnötig mit Steuergelder bedient werden und mit Gewinnen aus der Krise hervorgehen, warten viele Gastronomien immer noch auf die Auszahlung der November- und Dezemberhilfen.“

Hilfsgelder sollen helfen, Krisen zu meistern, nicht Gewinne zu mehren

Wannenmacher hat für Schacht 3/ABZ bei der Novemberhilfe einen Abschlag bekommen, von den zustehenden 61.000 Euro für Dezember zunächst nur 36.000 Euro ausgezahlt bekommen. Daimler hingegen hat aus 2020 mit vier Milliarden Euro Gewinn hervorgegangen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil allein das Kurzarbeitergeld, das Daimler voriges Jahr für seine Beschäftigten aufgrund der Coronakrise in Anspruch genommen hat, Schätzungen der IG Metall zufolge mit 500 bis 700 Millionen Euro zu Buche geschlagen hat. Dabei ist Kurzarbeitergeld eigentlich ein staatliches Fördermittel, das Unternehmen durch existenzielle Krisen helfen soll statt hohe Gewinne weiter zu mehren. Wannenmachers Plädoyer daher: „Ein kurzzeitiger, konzentrierter Lockdown für alle Betriebe, mit Ausnahme der lebenswichtigen Betriebe, ist richtig nichts anderes.“