Gelsenkirchen-Buer. Die Orgel in St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer wird im kommenden Jahr 50 Jahre alt. Ihre Geschichte aber reicht zurück bis ins Jahr 1914.

Wenn die Orgel in der Propsteikirche St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer im nächsten Jahr ihren 50. Geburtstag feiert, dann reicht ihre Geschichte streng genommen viel länger zurück. Sie vereint Teile aus der Vorgänger-Orgel von 1914 mit denen des Neubaus von 1972, erklärt Carsten Böckmann, Kantor und Orgelsachverständiger im Bistum Essen.

Als im letzten Kriegsjahr die Kirche St. Urbanus durch Bombenangriffe schwer beschädigt wird, da trifft es auch die Orgel. Sie war einst der Stolz der buerschen Katholiken. Sie war größer als das heutige Instrument, hatte ganze 63 Register. Als solches bezeichnet man bestimmte Klanggruppen. Ein Register bildet ein Instrument nach, kann wie eine Trompete klingen oder wie Streicher. So entsteht eine Polyphonie wie in einem Orchester. „Buer gehörte damals noch zum Bistum Münster, und da gehörte diese Orgel zu den größten.“

Orgel in der Gelsenkirchener Kirche unterscheidet sich sehr von ihrem Vorgänger

Register werden übrigens über kleine Knöpfe betätigt, die einstmals herausgezogen wurden, um sie zu aktivieren. Daher stammt die Redewendung „alle Register ziehen“. An der heutigen Orgel hingegen drückt man dafür An- und Ausschalter.

Optisch unterschied sich das Instrument sehr von dem heutigen: Es ging deutlich mehr auf seinen Standort ein, denn es war zu beiden Seiten der Orgelbühne angeordnet und ließ mittig den Blick frei auf das imposante Kirchenfenster über dem Hauptportal. Ein altes Foto vermittelt einen Eindruck, wie schön und prunkvoll das damals gewirkt haben muss.

Die Orgel wird viel für Konzerte genutzt

Das Bild zeigt die alte Orgel von 1914.
Das Bild zeigt die alte Orgel von 1914. © St. Urbanus

Klanglich birgt die gänzlich andere Anordnung keinen Nachteil. Hinten auf der Orgelbühne haben wohl die tiefen Töne gestanden, mutmaßt der Kantor. „Manche Leute, die eine große HiFi-Anlage haben, legen die Bässe ja auch irgendwo in die Ecke eines Raumes. Das geht auch bei der Orgel. Die Klänge der Bässe breiten sich immer im Raum aus.“

Angeschafft wurde die Orgel einstmals von Alfred Berghorn, dem Organisten in St. Urbanus. Ihm lag viel an einem hochwertigen Instrument. „Er komponierte auch viel und brachte es sogar zu einer Liveübertragung eines seiner Konzerte im Radio.“

Viele Jahre gibt es nur eine Behelfs-Orgel

Im Jahr 2020 hatte die Orgel eine neue „Tuba“-Pfeife erhalten.
Im Jahr 2020 hatte die Orgel eine neue „Tuba“-Pfeife erhalten. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Umso schwerer trafen die Gemeinde die Kriegsschäden an Kirche und Orgel die Gemeinde. „Nur ein Bruchteil des Instruments ist nach dem Krieg übrig“, weiß Carsten Böckmann und erklärt, dass man trotzdem die Orgel spielte. „Sie war aber nur noch für den liturgischen Gebrauch einzusetzen.“ Ein Notbehelf, der noch lange den kirchlichen Alltag begleitete. „Im Vordergrund stand ja zunächst der Kirchenbau selbst.“

Erst Ende der 60er Jahre sieht man sich finanziell in der Lage, eine neue Orgel in Auftrag zu geben. Wann genau, das ist nicht übermittelt. „Das wird eine Vorlaufzeit von drei bis fünf Jahren in Anspruch genommen haben. Zumal in dieser Zeit sehr viele Orgeln gebaut wurden.“ Was das Instrument gekostet hat, ist auch nicht überliefert. „Aber ich habe eine Idee davon, was das heute kosten würde“, sagt Carsten Böckmann und überrascht dann mit folgender Zahl: „Rund 1,2 Millionen Euro. Das können sich heute nur noch Konzerthäuser wie die Elbphilharmonie leisten.“

Die hölzernen Pedalregister sind von 1914

Vielleicht werden daher auch aus Kostengründen alle noch verwertbaren Elemente in das neue Instrument eingebunden. „Die hölzernen Pedalregister stammen alle aus der alten Orgel. Das haben wir bei der Reinigung der Orgel vor einigen Jahren gesehen.“ Das erstaunliche daran ist: Sie haben den Krieg überstanden und bis dato über einhundert Jahre überlebt, obwohl sie nicht aus besonderem Material gearbeitet sind. „Das ist nichts Wertvolles. Teilweise ist das Eichenholz. Das hat man so gemacht, weil es gut funktioniert hat – und das tut es bis heute. Auch im Vergleich zu neuen Pfeifen. Das ist wirklich erstaunlich.“

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Gebaut wird die neue Orgel von der Firma Breil aus Dorsten. Ein Familienbetrieb, dessen Geschichte eng mit der der Gemeinde verbunden ist. 1879 baut das Unternehmen unter der Leitung von Josef Breil die Orgel in der Vorgängerkirche. Mehr noch: „Josef Breil ist damals auch Organist in St. Urbanus.“

Josef Breil schreibt für Urbanus ein Gesangbuch

Und er hinterlässt Spuren, weiß Carsten Böckmann. „Er gibt damals sogar ein Gesangbuch für die Gemeinde St. Urbanus heraus, das bis zur Einführung des münsterschen Gesangbuches in den siebziger Jahren die einzige Grundlage des Gemeindegesangs blieb. Das Breilsche Gesangbuch wurde allerdings auch weiterhin von der Gemeinde benutzt und der erbitterte Widerstand gegen das neue Buch aus Münster erlosch erst in den 80er-Jahren.“

Die heutige Orgel erbaut Anfang der 70er-Jahre Franz Breil. Sie hat 51 Register. Im Zuge der Reinigung wird sie um ein weiteres ergänzt. So erfüllt sich ein Wunsch des Kantors nach einer Tuba. Möglich wird das durch großzügige Spenden aus der Gemeinde. Ob der Organist noch von weiteren Registern träumt? „Eigentlich fehlt nichts. Diese Orgel kann ganz viel. Früher haben wir gesagt, das sind Kompromiss-Orgeln. Aber das ist immer so. Man wird nie alles musikalisch darstellen können.“

Ein Glockenspiel wäre eine schöne Ergänzung

Erstes Konzert am 13. Februar

Das Jubiläum der Breil-Orgel wird im kommenden Jahr quasi durchgehend gefeiert – so wie die Pandemie es zulässt.

Ein erstes Konzert in diesem Rahmen ist angesetzt für Sonntag, 13. Februar, um 16 Uhr. Dann ist Professor Ruben Sturm, Domorganist aus Stuttgart, in St. Urbanus zu Gast.

Weitere Konzerte werden gerade geplant. Dazu wird es auch informative Angebote wie eine Orgelführung geben – für Groß und Klein.

Und dann fällt ihm doch noch etwas ein. „Ein Glockenspiel, das wäre schon eine feine Sache.“ Allerdings würde auch das rund 20.000 Euro kosten. Immerhin, ein kleines Glockenspiel gibt es seit der Reinigung: Einen „Zimbelstern“. Das sind sechs kleine Glöckchen. „Schalenglocken, etwa so wie die, die zur Bescherung am Heiligen Abend erklingen. Die werden angeschlagen mit Hämmerchen.“ Jedoch kann man jenes Glockenspiel nur an- oder abstellen. Variabel ist es nicht.

Große und vor allem sichtbare Veränderungen werde die Zukunft aber in jedem Fall nicht bringen, sagt Carsten Böckmann, der eine ganz besondere Beziehung zu „seiner“ Orgel hat. „Sie ist genauso alt wie ich. Als ich damals hier angefangen habe, habe ich ihr versprochen, dass ich ihre Gestalt niemals verändern werde.“