Gelsenkirchen-Horst. Sie lieben ihre Stadt, sind aber Schrottimmobilien leid: Das Gelsenkirchener Unternehmer-Paar Gega hat jetzt eigenhändig Alt durch Neu ersetzt.
Einen Wandel um 180 Grad hat die Grabbestraße in Gelsenkirchen vollzogen. Verschandelten im Februar dieses Jahres noch drei Schrotthäuser das Horster Viertel, so ist jetzt die Moderne eingezogen. Anstelle der Problembauten wiegt sich seit Freitag auf dem Dach eines neuen Mehrfamilienhauses ein Richtkranz im Wind, direkt daneben wird schon fleißig am Fundament des zweiten Gebäudes geschafft: das Werk des Unternehmerpaares Silke und Josef Gega, beide glühender Gelsenkirchener und beide mit dem festen Willen, selbst etwas für ihren Kiez zu tun, wie sie sagen.
Paar investiert 6,6 Millionen Euro für 44 neue Mietwohnungen in Gelsenkirchen
Nicht einmal ein Jahr haben Silke und Josef Gega gebraucht, um Alt durch Neu zu ersetzen. Vor kurzem feierten gut 40 Freunde, Bekannte und Verwandte mit dem Paar Richtfest. Unter den Gästen auch Bürgermeisterin Martina Rudowitz und Bezirksbürgermeister Joachim Gill. Auch die erste Mieterin war gleich zur Stelle, Sabine Knack, eine frühere Schulfreundin von Silke Gega.
„Ich hatte mir schon einmal Gedanken darüber gemacht, fürs Alter vorzusorgen“, erzählt die 52-jährige Bürokauffrau. Als sie vom Neubau hörte, überlegte sie nicht lange und zog von Horst nach Horst. Auch Knack will wie die Gegas in ihrem Stadtteil alt werden. Sie freut sich schon aufs neue Heim, Ende März/Anfang April sollen die neuen Wohnungen bezugsfertig sein.
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„Wir sind sehr froh, dass von der Idee bis zur Umsetzung alles so reibungslos geklappt hat“, sagen Silke und Josef Gega in dem Trubel zwischen Händeschütteln und Entgegennehmen der Geschenke. Insgesamt 6,6 Millionen Euro beträgt die Investitionssumme in die beiden Bauprojekte. „Das erste Haus verfügt über 20 barrierefreie Wohnungen zwischen 46 und 90 Quadratmetern, das zweite Haus wird 24 Wohnungen im Format zwischen 46 und 110 Quadratmetern haben“, erklärt das Paar den Zuschnitt ihrer privat vermieteten Immobilien. Zwölf Garagen und 32 Stellplätze kommen hinzu. Warm wird es im Innern über Photovoltaik und moderne Luftwärmepumpen.
Was die Eheleute Gega antreibt: Gelsenkirchens Zukunft im Kleinen vorantreiben
Zwei Wohnungen seien in Haus Nummer eins noch frei, berichten die Gelsenkirchener Eheleute. Großartig annoncieren mussten sie dafür aber gar nicht. Die neuen Wohnungen hatten sich in Windeseile herumgesprochen. „Oftmals schellten Suchende einfach an unserer Haustür.“ Die Gegas wohnen nämlich direkt nebenan. Und für den Fall, dass sie selbst mal nicht zu Hause sind, haben sie Info-Material vorbereitet. Die Kopien drückt dann kurzerhand eine der beiden Töchter den Interessierten in die Hand.
Wer Mieter wird, wägen Silke und Josef Gega sehr genau ab. Um „des sozialen Friedens willen“, wie sie erklären. Denn Zustände wie vorher wollen sie „partout nicht noch einmal erleben“. Ihnen zufolge haben frühere Eigentümer der Schrottimmobilien, Wohnungsgesellschaften, wenig bis gar nichts gemacht, um die Häuser in Schuss zu halten. Zugleich hätten diese dubiosen Geschäftemacher sich die „Armutsmigration zunutze“ gemacht und Menschen aus ohnehin prekären Verhältnissen in die früheren Bruchbuden einquartiert. Mit den üblichen Folgen: „Müll, Lärm, eine verärgerte und völlig genervte Anwohnerschaft“.
Haustürgeschäfte: Immobilienhaie lockten Gelsenkirchener Paar mit einer Million Euro
Deshalb haben sie, wie sie erzählen, auch den Lockangeboten widerstanden, die Schrotthäuser weiter zu verkaufen – obwohl sie überaus lukrative Angebote bekommen hatten. „Immobilienhaie haben hier abends an der Tür mit dicken Geldbündeln gewedelt, damit wir an sie verkaufen“, erinnert sich der gelernte Ingenieur. Mehr als eine Million Euro seien ihnen geboten worden, weit mehr, als der Kaufpreis der drei Schrotthäuser zusammen betragen hat. Silke und Josef Gega haben aber dankend abgelehnt: „Uns geht es nicht ums Geld. Wir haben alles, was wir brauchen. Uns geht es darum, Gelsenkirchen im Kleinen eine Zukunft zu geben, um eine friedvolle Nachbarschaft im Viertel.“
Standhalten, Vorbild sein – die Gegas sind für Bezirksbürgermeister Joachim Gill und Bürgermeisterin Martina Rudowitz ein gutes Beispiel für „bürgerschaftliches Engagement“, wie sie beim Richtfest sagen. Eines, das nach Möglichkeit Nachahmer finden sollte. „Vielleicht“, so ihre Hoffnung, „zündet diese Idee auch bei anderen, die über solche Möglichkeiten verfügen.“
Übrigens: Auch die Stadt unterstützt den Ankauf von Schrottimmobilien. Das ist Teil einer neuen Strategie gegen Armutsmigration. Privatleute sollen von bis zu 250.000 Euro profitieren können, wenn sie in Eigenregie Schrottimmobilien beseitigen und neuen Wohnraum schaffen. Haushaltsmittel werden dafür bereitgestellt.
Kein langes Warten auf Baumaterial
Der Verkauf eines gut gehenden Ingenieurbüros mit 40 Mitarbeitern bildet die Basis für das Bauprojekt in der Grabbestraße des Unternehmer-Paares Silke und Josef Gega. Der gelernte Ingenieur liebäugelt mit dem Gedanken, den Strukturwandel in Horst durch weitere solcher Bauprojekte voranzutreiben.Die Corona-Pandemie hat weltweit zu Lieferschwierigkeiten und Materialmangel geführt – auch im Bausektor. Die Eheleute Gega berichten, dass sie davon nicht betroffen waren, weil sie schon sehr früh Bestellungen aufgegeben hätten und sich „Festpreise haben zusichern lassen“. Sie rechnen aber damit, dass die Krise dazu führen könnte, dass der zweite Bau etwas teurer werde.