Gelsenkirchen. Der Rotary-Club Gelsenkirchen-Buer will das Thema Analphabetismus in den Fokus rücken. Für eine Plakataktion werden noch Mitstreiter gesucht.
Je nach Quellenlage gibt es in Deutschland zwischen 6,5 und 7,5 Millionen Menschen, die Probleme mit dem Lesen und der Rechtschreibung haben und unter so genanntem „funktionalen Analphabetismus“ leiden. Auch in Gelsenkirchen sollen es weit über 20.000 sein. Rechnet man die als beträchtlich eingeschätzte Dunkelziffer hinzu, ergeben sich noch höhere Werte. Viele der Betroffenen begegnen ihrer Schwäche im Alltag mit Scham und Ängsten. Auch das ist ein Grund dafür, warum sich der Rotary-Club Gelsenkirchen-Buer nun mit mehreren Aktion diesem so oft verdrängten Thema widmen will.
Gesucht werden Händler und Firmen, die mithelfen wollen
Treffpunkt ist ein Ladenlokal auf der Ophofstraße in der Bueraner Fußgängerzone. Hier war in den Jahren zuvor lange ein Optiker beheimatet. Nun sind im Licht einiger Scheinwerfer insgesamt 19 großformatige Plakate dort aufgestellt – manche an den Wänden, andere auf Staffeleien, einige im Schaufenster. Sie alle weisen mit teils klaren, teils spielerisch formulierten Botschaften darauf hin, welche Probleme lauern, wenn man nicht richtig schreiben oder lesen kann. Etwa auf der Arbeit. Oder im Kontakt mit der Familie und Freunden.
„Da bauen sich täglich 1000 Alltagshürden auf. Viele Betroffene versuchen zwar, das zu kaschieren, doch dieser tägliche Kampf stellt für sie eine enorme Belastung dar“, sagt Iris Nowacki, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Rotary-Club. Genau deshalb habe es sich der Verein in diesem Jahr auf die Fahne geschrieben, auf dieses eher unpopuläre Thema aufmerksam zu machen und weite Teile der Gelsenkirchener Bevölkerung dafür zu sensibilisieren.
Die Plakat-Ausstellung soll das „Megafon“ der Rotary-Aktion sein
„Das wird und ist das wichtigste Projekt meiner Amtszeit“, sagt Peter Lecher. Er ist seit diesem Juli der Präsident der Rotarier und bleibt satzungsgemäß genau ein Jahr im Amt. In dieser Zeit wollen er und seine Mitstreiter aber nicht nur die Bevölkerung informieren, sondern auch konkrete Hilfe für Betroffene anbieten. „In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule und der Stadt haben wir Kurse zur Alphabetisierung initiiert und finanziert“, sagt Lecher. Und dieses Angebot solle möglichst nachhaltig aufgestellt werden und, so Lecher, „keine Eintagsfliege bleiben“.
Die Ausstellung der Plakate soll laut Iris Nowacki quasi das weithin sicht- und hörbare „Megafon“ dieser Aktion sein. Geplant ist, dass die 19 Schautafeln nicht ständig geballt auf einer Stelle bleiben, sondern zwecks breiter Streuung jeweils ein prominentes Plätzchen in den Verkaufsfenstern dieser Stadt finden. Laut Nowacki und Schatzmeister Friedrich Doerpinghaus hätten bereits die ersten beiden Händler ihre Bereitschaft erklärt, eines der Plakate auszustellen. „Wir suchen jetzt weitere Geschäftsinhaber und Firmen, die uns in dieser Sache unterstützen wollen – und zwar im gesamten Stadtgebiet“, so Nowacki.
Eines der Plakate ziert mit Johann Wolfgang von Goethe einen der großen deutschen Dichter-Fürsten. Doch der Mann, der die Sprache so liebte und verehrte, stolperte selbst immer wieder über das geschriebene Wort. Genau wie so viele andere Persönlichkeiten vergangener Jahrhunderte und Promis der Neuzeit galt auch Goethe als funktionaler Analphabet. „Das ist ja das Erstaunliche“, sagt Präsident Lecher. „Es leiden und litten so viele Menschen darunter – sogar jene, von denen man es niemals vermuten würde.“
Daten und Fakten zum Rotary-Club Gelsenkirchen-Buer
Die Daten der ersten Alphabetisierungskurse, die der Rotary-Club initiiert hat, stehen bereits fest. Sie finden statt: Rolandstraße, 10-11.30 Uhr, sowie Lindenkarree, 18-19.30 Uhr – beide ab 3. Februar 2022 mit jeweils sieben Terminen.
Kontakt für Händler, die mitmachen wollen, sowie Angehörige und Freunde, die Betroffenen möchten, per E-Mail unter: info@rotarywundertuete.de.
Der Rotary-Club Gelsenkirchen-Buer wurde im Jahr 1961 gegründet und zählt derzeit knapp 60 Mitglieder. Diese müssen einen Bezug zur Stadt haben, also entweder in Gelsenkirchen leben oder arbeiten.