Gelsenkirchen. Auch in Gelsenkirchen sind die Kinderarztpraxen und Kliniken voll. Auffällig viele Kinder leiden unter dem RS-Virus. Das raten Kinderärzte.

Weit bis in den Innenhof stehen besorgte Eltern mit ihren kranken Kindern am Wochenende vor der Ambulanz der Kinder- und Jugendklinik des Bergmannsheil in Gelsenkirchen-Buer. Der Warteraum ist so voll wie die Eingangshalle. Lauter Husten mischt sich mit leisem Wimmern. Szenen wie in Buer sind dieser Tage vielerorts zu beobachten. Es ist erst Herbst, aber die Kinderarztpraxen und Kliniken sind voll.

„Wir haben im beginnenden Herbst tatsächlich schon Hochsaison. Die Praxen sind voll, alle Termine ausgebucht und die Wartezeit für Patienten ohne Termin sehr lang“, erklärt Dr. Christof Rupieper, der sich am späten Abend Zeit nimmt, die Fragen der WAZ zu beantworten. Denn Rupieper ist nicht nur Obmann der niedergelassenen Kinderärzte in Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop, er praktiziert auch selbst in seiner Praxis an der Ebertstraße in der Innenstadt und hat dort derzeit alle Hände voll zu tun. [Lesen Sie auch: Gelsenkirchener Kinderarzt Christof Rupieper spricht von einer sozialen Unterschicht, die Lebensunterstützung bräuchte. Das müsse sich ändern.]

„Viele Neugeborene und kleine Säuglinge erkranken zur Zeit schwer“

„Es überwiegen die bronchopulmonalen Infekte, also Husten. Viele Neugeborene und kleine Säuglinge erkranken zur Zeit schwer, so dass sie stationär in den Klinken eingewiesen werden müssen. Häufig benötigen sie dann auch intensivmedizinsche Überwachung und Sauerstofftherapie“, so Rupieper.

Dr. Christof Rupieper, Kinderarzt und Kinderpneumologe aus Gelsenkirchen
Dr. Christof Rupieper, Kinderarzt und Kinderpneumologe aus Gelsenkirchen © PR Photo /Gelsenkirchen Glückauf

Die Ursache ist häufig das RS-Virus (respiratory syncytial virus), berichten Mediziner einhellig. Dieses verursacht bei Erwachsenen nur einen harmlosen Schnupfen, löst aber bei Neugeborenen und Säuglingen eine heftige Entzündung in den kleinen End-Bronchien aus, so dass es zu massiver Atemnot mit einer Sauerstoffunterversorgung kommen kann. Die erkrankten Kinder verbleiben oft bis zu sieben Tage und länger stationär und benötigen in dieser Zeit zusätzlichen Sauerstoff. In schwierigen Fällen ist eine intensivmedizinische Versorgung notwendig.

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„Normalerweise beginnt die RSV-Saison erst ab November/Dezember und verläuft auch nicht so heftig wie in diesem Jahr. Der größte Teil der hustenden Kinder erkrankt an einer viralen Erkrankung, gegen die kein Antibiotikum hilft. Vereinzelt treten auch bakterielle Erkrankungen und Lungenentzündungen auf, hervorgerufen durch Mykoplasmen. In abgeschwächter Form sehen wir sogar wieder Keuchhusten bei geimpften Kindern“, berichtet Rupieper. Grund für den Impfdurchbruch sei, vermutet der Gelsenkirchener Kinderarzt, „dass die nicht geimpften Eltern an Keuchhusten erkranken und die Kinder anstecken.“

Die Infektionswelle rollt – auch in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen

„Wir sind voll belegt und haben die Kapazitätsgrenze erreicht. Es werden derzeit viele Kinder unter vier Jahren mit Atemwegsinfekten bei uns auf den Stationen behandelt. Bis zu einem Viertel aller Patienten in der Akutpädiatrie sind am respiratorische Synzytial-Virus erkrankt“, sagt auch Dr. Gerrit Lautner, Ärztlicher Direktor der Kinderklinik am Bergmannsheil.

Das raten Gelsenkirchener Kinderärzte Eltern

Wegen der Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung habe es im vergangenen Winter fast keine RSV-Erkrankungen gegeben. Viele Kinder waren vor Infektionen geschützt. Dr. Lautner rät Eltern nun, sich gegen Grippe impfen zu lassen: „Gesunde Eltern sind der beste Infektionsschutz für Kinder.“

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Eltern, die sich weiterhin vor einer möglichen Corona-Ansteckung sorgen und deshalb volle Praxen lieber meiden, rät Dr. Rupieper zur Videosprechstunde, die viele seiner Kolleginnen und Kollegen weiterhin anbieten würden: „So können alle Beratungen, die keiner körperlichen Untersuchung bedürfen, von zu Hause aus gemacht werden. Wenn zum Beispiel ein krankes Kind wegen leichtem Husten, Schnupfen, Durchfall oder Ausschlag nicht die Kita besuchen kann, ist die Videosprechstunde eine prima Alternative. So kann sich der Arzt ein erstes Bild von dem kleinen Patienten machen und entscheiden, ob das Kind vorgestellt werden muss oder er den Eltern auf unbürokratischem Weg den benötigten Kinderkrankenschein zuzusenden kann.“

Ansonsten betont der Arzt, brauchen Kinder vor allem Ruhe. „Das kranke Kind bestimmt den Rhythmus. Kochen Sie das Lieblingsgericht des Kindes. Neben der Medizin nutzen Sie die Zeit für ein gemeinsames Spiel. Lesen Sie etwas vor, singen oder basteln Sie mit dem Kind. Ein kurzer Spaziergang an der Luft schadet auch in keinem Fall“, so Dr. Rupieper.