Gelsenkirchen. Gelsenkirchener Kinderarzt Christof Rupieper spricht von einer sozialen Unterschicht, die Lebensunterstützung bräuchte. Das müsse sich ändern.
Ihre Arbeit elementar für das Gesundheitssystem, elementar für die Menschen: Kinderärztinnen und Kinderärzte machen einen besonderen Job. Dass sich dieser gewandelt hat – und sich derzeit weiterhin im Wandel befindet, davon kann Dr. Christof Rupieper, niedergelassener Kinder- und Jugendmediziner in Gelsenkirchen, berichten. Und auch von der Veränderung seiner Arbeit. Im Gespräch mit der WAZ-Redaktion fordert er mehr Unterstützung durch Kräfte aus den Heilhilfsberufen.
Im Jahr 1994 hat sich Christof Rupieper niedergelassen, in seiner Praxis an der Ebertstraße 20 betreuen er und sein Team die kleinen und größeren Patienten. Im 27. Jahr antwortet Rupieper auf die Frage nach den Veränderungen, die er im Laufe der Jahre beobachtet hat: „Ich habe den sozialen Abstieg in Gelsenkirchen hautnah mitbekommen.“
Auch interessant
Er meint, aus seiner Erfahrung und Beobachtung heraus: Die Armut und Hilfebedürftigkeit der Menschen habe zugenommen. Die Gründe sind vielschichtig – da gibt es beispielsweise die sprachlichen Barrieren, aber auch die eklatanten Unterschiede in den Lebenswirklichkeiten, den Familiengeschichten der Menschen. Obwohl es für den Mediziner noch immer „der schönste Beruf der Welt“ sei, den er da Tag für Tag erledigt, sei das Arbeiten mit den Jahren eben „ganz, ganz anders geworden“.
In den Städten des Ruhrgebiets ist die Anzahl der Kinder, die von Armut betroffen sind, bekanntermaßen in den vergangenen Jahren gestiegen. Das geht aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor. Danach lebten Ende 2019 allein in Gelsenkirchen 41,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Familien, die Hartz IV beziehen. Das sind knapp sechs Prozentpunkte mehr als 2014. Laut Darstellung ist der Anteil der armutsgefährdeten Kinder in keiner anderen Stadt in Deutschland so hoch.
„Wir müssen den Gesundheitssektor anders organisieren“
Rupieper spricht von einer sozialen Unterschicht, die Lebensunterstützung bräuchte – eine Lebensunterstützung, die nicht immer nur der Pädiater leisten kann. Wenn der Kinderarzt nicht immer nur der primäre Ansprechpartner sei, könne man das System entlasten.
„Wir müssen den Gesundheitssektor anders organisieren“, fordert der Arzt. Und er denkt dabei auch daran, die Hilfe auf einer anderen Ebene gezielter zu bündeln. Als Beispiel nennt er etwa die Frühförderung, die schon jetzt einen wichtigen Beitrag leistet. Oder auch die so bedeutende Arbeit von Kinderkrankenschwestern und Hebammen.
Rupieper sieht zugleich auch eine Veränderung in der ärztlichen Landschaft: Die Errichtung von medizinischen Versorgungszentren würde zunehmend kommen, „viele scheuen die Selbstständigkeit“, so Rupieper.
Als Selbstständiger, ergo niedergelassener Mediziner, habe man mehr zu tun, vor allem was die Verwaltung der Praxis betrifft. Und als Selbstständiger trage man immer auch noch das finanzielle Risiko bei Investitionen in medizinische Geräte, Inventar und Zubehör.
Rund 2000 Patienten behandelt Christof Rupieper pro Quartal. „Wir haben Aufnahmestopp“, sagt der Kinderarzt heute. Heißt: Aufgenommen werden nur noch Säuglinge, aber darüber hinaus keine weiteren neuen Patienten. Die würden zu dem eigenen Patientenstamm noch hinzukommen. Im Vordergrund der Kinderheilkunde stehe die individuelle Beobachtung, die Empathie zu den jungen Patienten, das Verständnis und das Gespür für das Empfinden der Kinder und Jugendlichen. Das braucht Zeit, in der Praxis, vor Ort.