Gelsenkirchen. Der neue Chefarzt der Chirurgie an den Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen ist Experte für onkologische Operationen. Was er aus Bochum mitbringt.

In den Evangelischen Kliniken in Gelsenkirchen hat es in der Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie einen Generationswechsel gegeben: Prof. Dr. Chris Braumann hat die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie sowie Koloproktologie als Chefarzt übernommen und folgt damit auf Dr. Hubertus Nottberg. Der 51-Jährige Braumann wechselte vom Bochumer St. Josef-Hospital nach Gelsenkirchen. Braumann ist spezialisiert auf besonders komplizierte Krebserkrankungen, die chirurgische Eingriffe erfordern. Multiviszerale Operationen, also das Entfernen mehrerer Organe oder Teile von Organen im Bauchraum aufgrund von Tumorerkrankungen unterschiedlichster Art und Ausprägung sind sein Fachgebiet.

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis im Blick

„Das sind häufig die Fälle, bei denen nur noch von höchstens einem Jahr Lebenserwartung ausgegangen wird, es sind todkranke Patienten. Ich operiere in diesen Fällen immer vor dem Hintergrund der Frage: Wie ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis? Das wird detailliert mit den Patienten und den Angehörigen besprochen und abgewogen“, erklärt der Chirurg. Dabei kann es „nur“ um die Entfernung von kleinen Metastasen im Bauchraum gehen, aber auch um das Entfernen von Gallenblase, Leber und einem Darmanteil – Operationen, die mehr als acht Stunden am Stück dauern können.

Experte für komplexe Krebserkrankungen

In solch schweren Fällen kann zudem noch eine Chemotherapie notwendig sein. Auch hierbei handelt es sich um komplexe Verfahren, bei denen auch Wärme eine Rolle spielt. Dabei wird hausintern mit den Fachabteilungen von Dr. Abdallah Abdallah und Dr. Marc Hemeier zusammen gearbeitet. „Ich habe noch heute Kontakt mit Patienten, die eigentlich nur eine Überlebensprognose von einem Jahr hatten – und zwar vor fünf Jahren.“

Nicht jeder hat einen Plan B

https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/evk-gelsenkirchen-zaehlt-zu-top-5-brustzentren-deutschlands-id215189979.html „Patienten entscheiden sich je nach Lebenssituation auch unterschiedlich. Eine junge Mutter mit Mamma-Karzinom, das metastasiert hat im Bauchraum, die hat keinen Plan B. Sie nimmt große OP-Risiken oft eher in Kauf als Menschen in anderen Situationen, um eine Chance zu haben, ihre Kinder aufwachsen zu sehen. Das muss in jedem Einzelfall genau abgewogen werden“, erläutert Braumann. Im Zweifelsfall entfernt er bei großen Eingriffen auch den Blinddarm mit, um späteren Infektionen vorzubeugen.

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Bei den Krebserkrankungen rechnet der Experte in den nächsten Jahren mit einem deutlichen Anstieg, da die geburtenstarken Jahrgänge jetzt in das Alter kommen, in dem diese auftreten: „Jeder dritte kriegt ihn heutzutage.“ Braumann hat als leitender Oberarzt in Bochum neben den onkologischen Eingriffen besonders viele endokrine Organe wie die Bauchspeicheldrüse und Schilddrüse operiert. Dieser Bereich wird auch in Gelsenkirchen ein Hauptschwerpunkt sein. Aber auch minimal-invasive Chirurgie und die operative Behebung von Brüchen, bei denen die Eingeweide aus der Bauchhöhle treten (Hernienchirurgie) fallen in sein Behandlungsspektrum.

Seine Leidenschaft für die Chirurgie hatte dereinst der Herzprofessor Christiaan Barnard in Kapstadt geweckt. Dort studierte Braumann nach den ersten Studiensemestern an der Berliner Charité. Barnard, der als erster einem Menschen ein Herz implantierte, habe ihn ermuntert, sich auf die Chirurgie zu spezialisieren.

Ärztlicher Leiter in Mazar_i_Sharif

Weiterhin in der Forschung aktiv

Auch nach seinem Wechsel nach Gelsenkirchen leitet Braumann weiterhin die AG klinische und molekularbiologisch Forschung derRuhr-Universität Bochum.

Für seine Forschung zur entzündungshemmenden Wirkung von Kurkuma und Taurolidin, die schon Thema seiner Dissertation in Berlin waren, erhielt Braumann bereits einen Forschungspreis.

Operationen aller Art unter schwierigsten Bedingungen zu organisieren und durchzuführen hat Braumann in Afghanistan gelernt. Dort hatte er sechs Wochen lang als ärztlicher Leiter des größten Feldlazaretts der Bundeswehr in Mazar-i-Sharif verwundete deutsche Soldaten und Einheimische aller Altersgruppen mit unterschiedlichsten Verletzungen und Erkrankungen operiert. „Dabei habe ich auch Organisieren und punktgenaues Planen gelernt“, erinnert sich der Experte an seinen freiwilligen Einsatz vor neun Jahren.

An der Arbeit an den Evangelischen Kliniken habe ihn neben dem „exzellenten Strukturen und Fachdisziplinen auch die Tatsache gereizt, dass die EVK ein akademisches Lehrkrankenhaus der Uni Duisburg-Essen sind, er hier junge Ärztinnen und Ärzte ausbilden und in ihrer Entwicklung fördern kann.