Gelsenkirchen. Gelsenkirchen ist eine Hochburg von illegal abgestellten Fahrzeugen. Aber ein neues Gesetz könnte der Stadt ermöglichen, früher abzuschleppen.

Dass der Straßenrand von dreisten Autohändlern als kostenloses Zwischenlager zweckentfremdet wird, ist in Gelsenkirchen weiterhin großes Ärgernis: 4788 Fahrzeuge ohne gültiges Kennzeichen wurden nach Angaben der Stadtverwaltung im vergangenen Jahr illegal im öffentlich Raum abgestellt, für 2021 rechnet die Stadt mit ähnlich hohen Zahlen. Das sind noch mal wesentlich mehr als im vergangenen Jahr (3928), die Zahl steigt seit Jahren stetig. Nun aber könnte die Stadt vom Land ein Instrument an die Hand bekommen, mit dem die Fahrzeuge schneller entfernt werden könnten.

Derzeit läuft es wie folgt: Wenn Mitarbeiter der Stadt ein Fahrzeug ohne gültiges Kennzeichen entdecken, dann bekommt es einen orangefarbenen Aufkleber auf die Windschutzscheibe geklebt. Mit ihm wird der Eigentümer aufgefordert, dass Fahrzeug innerhalb von vier Wochen zu beseitigen. Reagiert dieser nicht, muss er damit rechnen, abgeschleppt zu werden. „In den allermeisten Fällen wird das Auto aber noch vor Fristablauf entfernt, sodass wir nicht mehr abschleppen können“, sagt Jan-Peter Totzek, Kommunikationsleiter der Stadt. Wenn ein Händler ein Fahrzeug also 29 statt 30 Tage im öffentlichen Raum zwischenparkt, bekommt er bislang keine Probleme. Aber das dürfte sich bald ändern.

Land NRW plant: Städte können bald schon nach einem Tag abschleppen

Denn die NRW-Landesregierung hat kürzlich das sogenannte „Infrastrukturpaket II“ auf den Weg gebracht, das aktuell im Landtag beraten wird. In diesem Paket sind mehrere Initiativen zur Beschleunigung des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur enthalten, unter anderem durch Abbau von Bürokratie. Und dazu gehört ebenfalls eine Lösung, um schneller und einfacher Fahrzeuge von der Straße zu entfernen, die nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassen sind.

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„Mit der neuen Regelung will das Land den Kommunen mehr Handlungsmöglichkeiten geben und ihnen einen schnelleren Zugriff auf die Beseitigung sogenannter Schrottautos ermöglichen“, sagt Michelle Althaus, Sprecherin im NRW-Verkehrsministerium. „Dies erhöht auch für Anwohnerinnen und Anwohner die Lebensqualität in ihrem Viertel oder in ihrer Gemeinde.“ Dem neuen Gesetzentwurf zufolge wird dann schon von einem Verstoß gegen das Straßenrecht ausgegangen, wenn ein verbotenerweise abgestelltes Fahrzeug „länger als ein Tag abgestellt ist“. Die Verwaltung kann also sofort abschleppen und muss nicht erst noch schriftlich verwarnen.

Die Stadt hat jüngst mehrere Fahrzeuge an der Uechtingstraße mit diesen Aufklebern versehen. Die Autos müssen dann innerhalb von einem Monat entfernt werden.
Die Stadt hat jüngst mehrere Fahrzeuge an der Uechtingstraße mit diesen Aufklebern versehen. Die Autos müssen dann innerhalb von einem Monat entfernt werden. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Die Stadt muss das Auto dann nicht verschrotten, sondern darf das Fahrzeug auch „verwerten“ – also verkaufen – um entstandene Kosten abzudecken, wenn der Eigentümer oder Halter seinen Pflichten nicht nachkommt. In der Gelsenkirchener Stadtverwaltung wird das auch deswegen begrüßt, weil der Großteil der illegal abgestellten Fahrzeuge eben Verkaufsobjekte von Kfz-Händlern und keine Schrottautos sind. Die Zahl der wirklichen Schrottautos sei verschwindend gering, so Jan-Peter Totzek.

Schwerpunkte befinden sich in der Nähe von Gewerbetreibenden

Dass Gewerbetreibende den Straßenrand als Parkplatz nutzen, lässt sich an einzelnen Schwerpunkten in der Stadt besonders beobachten. Die Stadt sieht die Wanner Straße in Bulmke-Hüllen, die Zechenstraße in Rotthausen oder die Uechtingstraße in Schalke-Nord als Hotspots. Letztere war zuletzt auch der Gelsenkirchener AfD-Fraktion aufgefallen, die behauptet, die Stadt gehe zu lasch gegen den „systematischen Verstoß“ vor. Alleine 15 Autos seien an der Uechtingstraße vor einem einzigen Händler aufgefallen. Die Stadt, so Co-Fraktionschefin Enxhi Seli-Zacharias, dürfe sich von solchen Händlern nicht vorführen und einschüchtern lassen.

Die Stadt dagegen verweist auf die beschränkten gesetzlichen Möglichkeiten. Dort ist man allerdings auch froh, dass man bald schärfere Waffen gegen die rücksichtlosen Autohändler vom Land erhalten könnte. Totzek: „Dann werden wir deutlich schneller handeln können!“

„Die Uhr wird nicht auf null gestellt“

Kann ermittelt werden, wer ein Fahrzeug illegal abgestellt hat, droht ein Bußgeld von 250 Euro, im Wiederholungsfall von bis zu 1000 Euro. Hinzukommen die Abschleppkosten.

Allerdings ist es nicht immer einfach, den Eigentümer zu ermitteln: In einigen Fällen werden die Umweltplaketten sowie Fahrzeugidentifizierungsnummern an der Windschutzscheibe unkenntlich gemacht, um die Identifizierung des Halters zu verhindern.

Nicht möglich ist übrigens, ein unangemeldetes Fahrzeug vor Ablauf der Monatsfrist aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, dann erneut woanders illegal abzustellen und die Frist dann von vorne beginnen zu lassen. „Die Uhr wird nicht zurückgestellt“, so Kommunikationschef Jan-Peter Totzek.