Gelsenkirchen-Buer. Pöbeleien, Randale, Drogen: Wo Gelsenkirchener die Gefahr einer Schieflage im bürgerlicherem Stadtnorden sehen. Und wo sie ansetzen wollen.

Der Heinrich-König-Platz? Liegt tief im Süden Gelsenkirchens – und ist damit, samt sozialen Problemen, für viele im Stadtnorden ganz weit weg. Nun aber häufen sich Klagen über Jugendliche an „neuralgischen Punkten“ in Buer, die trinken, pöbeln, Krach machen, Passanten beleidigen, mit Drogen dealen und jede Menge Müll hinterlassen. Kurz: „Heinrich-König-Platz jetzt auch in Buer“?!

So deutet jedenfalls Dirk Niewöhner, Inhaber der Buchhandlung Kottmann, was er beim allabendlichen Gassigehen auf dem Goldbergplatz, dem Busbahnhof Buer und im Goldbergpark beobachtet. Auf Facebook trat er mit der entsprechenden Bemerkung neben einem illustrierenden Foto von rund 15 Schülerinnen und Schülern am ZOB eine Diskussion los. In deren Mittelpunkt die Frage: Droht Buers City so zu „kippen“ wie der Heinrich-König-Platz (HKP)?

Geschäftsmann Niewöhner: Jugendliche „belagern“ den Goldbergpark

Dirk Niewöhner, Inhaber der Buchhandlungen Kottmann in Gelsenkirchen-Neustadt und -Buer, schlägt Alarm: Er fürchtet, dass sich einige „neuralgische Punkte“ in Buer so entwickeln wie der Heinrich-König-Platz im Stadtsüden.
Dirk Niewöhner, Inhaber der Buchhandlungen Kottmann in Gelsenkirchen-Neustadt und -Buer, schlägt Alarm: Er fürchtet, dass sich einige „neuralgische Punkte“ in Buer so entwickeln wie der Heinrich-König-Platz im Stadtsüden. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Niewöhner kennt beide Standorte gleichermaßen, betreibt er doch sowohl hier wie dort eine Buchhandlung. Er war es auch, der Anfang Juni eine Debatte über die Sicherheit am HKP ins Rollen brachte, nachdem er über aggressive Jugendliche vor seiner Ladentür berichtet hatte. Dass es so weit auch im als gut situiert geltenden Buer kommen könnte, davor habe er mit seinem Facebook-Post warnen wollen, erklärte er auf Anfrage der Redaktion.

Etwa seit Beginn der Corona-Pandemie, so seine Beobachtung, werde der Goldbergpark geradezu von Jugendlichen „belagert“, so dass Spaziergänger – trotz Kontrollgängen von Polizei und KOD – einen Bogen um diesen Bereich machten.

Warnung an Stadt: Probleme wie in der Neustadt dürfen in Buer nicht passieren

„Ich habe nichts gegen junge Leute, aber wenn sie randalieren, herumschreien, alles vermüllen, ihre Fäkalien hinterlassen, Passanten anpöbeln und sogar mit Flaschen bewerfen, wie es am vergangenen Freitag einer Mitarbeiterin meiner Buchhandlung passiert ist, dann blockieren sie den Park, verbreiten Angst und engen den Bewegungsraum anderer Bürger ein. Das geht nicht! Es wundert mich wirklich, dass die Anwohner das alles so hinnehmen!“

Nahezu täglich, besonders am Wochenende, träfen sich auf Goldbergplatz, ZOB und im Park etliche 13- bis etwa 20-Jährige, „da wird offen gekifft und gedealt“. Bei ähnlich gelagerten Problemen auf dem HKP hätten Stadt und Politik zu lange „weggeguckt“. „Das sollte uns in Buer nicht auch passieren!“

Gastronom Josef Bathen fühlt sich mit Problemen allein gelassen

Josef Bathen, Inhaber der Kaffeerösterei und Gastronomie Odiba sowie des Imbisses „Pommes Jansen“, meldet Umsatzeinbußen, weil Jugendliche unmittelbar vor den Eingängen die Sitzgelegenheiten belegten und mit ihren Pöbeleien Gäste verschreckten.
Josef Bathen, Inhaber der Kaffeerösterei und Gastronomie Odiba sowie des Imbisses „Pommes Jansen“, meldet Umsatzeinbußen, weil Jugendliche unmittelbar vor den Eingängen die Sitzgelegenheiten belegten und mit ihren Pöbeleien Gäste verschreckten. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Dass er mit seiner Analyse nicht völlig alleine dasteht, zeigen die Reaktionen einiger anderer Nutzer: Von „schleichendem Verfall“ im öffentlichen Raum ist da etwa die Rede, einer „beängstigenden Entwicklung“ und: „Der Gelsenkirchener Hbf kommt mit Riesenschritten näher. Und das macht mir Angst!“

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Auch Josef Bathen, Betreiber des Imbisses „Pommes Jansen“ am Goldbergplatz und der Cafés „Odiba“ an Nienhofstraße und Goldbergplatz, bestätigt Niewöhners Beobachtungen. Die Negativ-Entwicklung habe allerdings etwa mit dem Umbau von Busbahnhof und Goldbergpark begonnen. Teenies bis Mitte-20-Jährige nähmen seinen Gästen ungeniert die Plätze in der Außengastronomie weg und hinderten sie durch Pöbeleien daran, die Innenräume zu betreten. „Die Folge sind Umsatzeinbußen. Aber darum kümmert sich keiner“, ärgert er sich.

Bezirksbürgermeister bestätigt: Bereiche sind für einige durchaus ein „Angstraum“

Als weiteren Treffpunkt hat er den verwaisten Parkplatz des geschlossenen Hotels zur Post ausgemacht, wo er nebenan eines seiner Cafés betreibt. „Wir müssen jeden Tag den Müll dieser Jugendlichen wegfegen.“

Dass sich Bürger da „unwohl und teilweise bedroht“ fühlten, kann Dominic Schneider, Bezirksbürgermeister Nord, durchaus nachvollziehen. Das Verhalten der Jugendlichen ufere tatsächlich manchmal aus, es fehle an Respekt. Auch die „Drogenszene ohne Hemmungen“ bestätigt er. Als „No-Go-Area“ wollen er und Bathen die genannten Bereiche aber nicht bezeichnen, wenn es sich auch für einige Bürger um einen „Angstraum“ und ganz sicher um einen „Problemfall“ handele.

Andere warnen vor einer „Hexenjagd“ auf Jugendliche

Wie einige Diskussionsteilnehmer auf Facebook, warnt auch Schneider davor, eine „Hexenjagd“ auf Jugendliche im „Rudel“ zu veranstalten. Der Busbahnhof sei schon immer ein Treffpunkt für Jugendliche gewesen.

„Anwohner können sich schnell gestört fühlen, vor allem, wenn dann noch Musik gehört (...) oder Müll hinterlassen wird. Jugendliche sind in ihrem Überschwang oft eben auch laut. Das ist so und nicht grundsätzlich schlimm, vor meinem Fenster muss ich aber auch keinen wilden Jugendtreff haben“, beschwichtigt etwa ein Facebook-Nutzer.

Polizei bestätigt Zunahme von Ruhestörungen, Eigentumsdelikten und Randale

Unterdessen bestätigt die Polizei auf Anfrage, dass der Goldbergplatz „seit rund einem Jahr von Jugendlichen und Heranwachsenden als Treffpunkt genutzt“ werde. „In diesem Zeitraum sind der Polizei wiederholt Ruhestörungen, Eigentumsdelikte oder randalierende Jugendliche gemeldet worden, die sich dort hauptsächlich ab den Nachmittagsstunden bis in die Nacht hinein aufhalten“, so eine Sprecherin.

Polizei habe daher am Goldbergplatz, dem Busbahnhof Buer sowie den umliegenden Straßen verstärkt Präsenz gezeigt und Schwerpunktmaßnahmen ergriffen. „Die präventiven und repressiven polizeilichen Maßnahmen haben zu rückläufigen Meldungen von Störungen geführt.“ Mit Beginn der warmen Jahreszeit und Anpassung der Corona-Schutzverordnung sei es dort dann wieder zu größeren Personenansammlungen gekommen, was zu einem Anstieg von Bürgerhinweisen und Beschwerden geführt habe. „Diese Meldungen nimmt die Polizei sehr ernst, trifft weiterhin vor Ort konsequent Maßnahmen und ahndet entsprechende Verstöße.“

Ruf nach Freizeitangeboten für Jugendliche und Streetworker-Einsätzen

Darin, dass es für Jugendliche diesen Alters zu wenig oder gar keine Freizeitangebote und Treffpunkte gebe, sind sich freilich viele Diskussionsteilnehmende auf Facebook einig. „Wo sollen sie denn hin? Freitagabends Hagenstr./Hochstr! Party!“, heißt es, denn Kneipen seien für Jugendliche „schon immer zu teuer“ gewesen, weswegen sie sich etwa auch auf dem Schulhof des Max-Planck-Gymnasiums träfen. Auch Streetworker, wie sie gelegentlich auf dem Heinrich-König-Platz aktiv sind, werden gefordert.

Bei Bezirksbürgermeister Schneider ist der Alarm jedenfalls angekommen: Er will die Probleme bei nächster Gelegenheit mit Polizeipräsidentin Britta Zur gerne auch vor Ort zur Sprache bringen. Vorstellbar sei auch, verschiedene Träger an einen Tisch zu bringen und über die Anmietung eines Ladenlokals in Buer als Treffpunkt und Freizeiteinrichtung zu sprechen. „Die Frage ist auch: Brauchen wir an bestimmten Orten eine Kamera-Überwachung? Reichen Equipment und personelle Ressourcen der Polizei aus? Wir müssen jetzt einfach aktiv werden!“

Stadt will mobile Angebote ausbauen und verstärkt auf Streetworker setzen

Die Stadt weist den Vorwurf, es gebe nicht genügend Freizeitangebote für Jugendliche, zurück. „Es gibt in Buer recht viele Einrichtungen: das Paul-Loebe-Haus an der Düppelstraße, das Kinder- und Jugendhaus Manus an der Urbanusstraße, die apOTheke der Evangelischen Trinitatis-Gmeinde an der Horster Straße, den Förderverein Schüngelberg und das mobile Angebot der Falken ,Vor Ort in Nord’“, listet Stadtsprecher Martin Schulmann auf. „Aber deren Angebote sind eben nicht das, was alle Jugendlichen wollen.“

Um flexibler auf die Bedürfnisse zu reagieren, wolle die Verwaltung im neuen Kinder- und Jugendförderplan eine Ausweitung mobiler Projekte und von Streetwork in Angriff nehmen. Auch die Skateranlage im Stadtteilpark Hassel werde nach der Fertigstellung im Herbst sicher für einige attraktiv sein. Überdies habe rein objektiv die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Vergleich zu der vor etwa zehn Jahren zugenommen. „Natürlich sieht man dann auch mehr von ihnen im Straßenbild.“

Insgesamt würden Goldbergplatz, Busbahnhof und Goldbergpark regelmäßig vom Kommunalen Ordnungsdienst intensiv bestreift. Schulmann: „Wir tun, was wir können, können aber auch nicht alles verhindern.“