Gelsenkirchen. Impfteams mit eigener Zuwanderungsgeschichte sollen beim Überzeugen muslimischer Mitbürger helfen. Wie das in Gelsenkirchen funktioniert.
Derzeit nutzen zunehmend auch Gelsenkirchener mit Migrationshintergrund das Impfangebot im Impfzentrum und am Impfmobil. Impfzentrumsleiter Klaus Rembrink schätzt, dass in den letzten zehn Tagen mindestens 90 Prozent der Impfwilligen im Impfzentrum einen Migrationshintergrund hatten. Auch am Impfmobil, das am Dienstag an der Ahstraße Station machte, war der Andrang groß
Auf Intensivstationen vor allem Covid-Patienten mit Migrationshintergrund
Warum jetzt zunehmend auch Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zum schützenden Pieks kommen, dafür gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Die Ärztekammer NRW etwa setzt auf bessere Aufklärung. Derzeit würden vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte auf Intensivstationen behandelt, fast alle von ihnen seien ungeimpft, erklärte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Hans-Albert Gehle. „Wir haben an mehreren Häusern beobachtet, dass jüngere Menschen mit Migrationshintergrund derzeit besonders schwere Covid-Verläufe erleiden. Warum das so ist, wissen wir nicht. Aber wir müssen es den Menschen sagen! Das hat mir ein Kollege mit eigener Migrationsgeschichte ans Herz gelegt“, erklärt Hans-Albert Gehle gegenüber der WAZ. Gehle selbst arbeitet in Gelsenkirchen, als Leitender Arzt des Departments Intensivmedizin am Bergmannsheil Buer.
Mehr Ärztinnen mit muslimischem Hintergrund einsetzen
Donnerstag in Buer, Samstag in Horst
210 Gelsenkirchener mit und ohne Zuwanderungsgeschichte ließen sich am Dienstag auf der Ahstraße vor dem Jobcenter impfen. Das ist eines der höchsten Ergebnisse seit Einsatzbeginn für das Impfmobil in Gelsenkirchen im Juli.
Am Donnerstag, 2. September, macht der Impfbus am Jobcenter Buer an der Cranger Straße 394 Station, von neun bis 15 Uhr. Am Samstag, 4. September, ist der Einsatzort in Horst, und zwar bei dortigen Mobilitätstag von 11 bis 18 Uhr.
Wer das Angebot nutzen möchte, muss den Personalausweis und möglichst auch den Impfpass mitbringen und aktuell infektfrei sein.
Gehle setzt auf Aufklärung, an Moscheen, aber auch durch den Einsatz von Ärztinnen mit muslimischen Hintergrund. Davon gebe es in Städten wie Gelsenkirchen eigentlich genug, allerdings vorwiegend in den Kliniken. Für die Impfbusse und -zentren würden jedoch aus nachvollziehbaren pragmatischen Gründen vorwiegend niedergelassene Ärzte eingesetzt, die auch in der Kassenärztlichen Vereinigung organisiert sind.
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Viele muslimische Frauen fürchten Unfruchtbarkeit als Folge
Die DRK-Mitarbeiter am Impfbus vor dem Jobcenter bestätigen Hans-Albert Gehles Annahme, dass muttersprachliches ärztliches Personal überzeugender wirken kann. Yousef Abusabha, Neurochirurg von der Universitätsklinik in Düsseldorf, weiß es aus eigener Erfahrung. Er selbst spricht neben Deutsch auch Arabisch, Hebräisch und Englisch und hat gemerkt: „Bei Erklärungen in der Muttersprache fühlen die Menschen sich wohler. Viele haben mit der Impfung auch gezögert, weil sie zu wenig wussten.“
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DRK-Mitarbeiterin Fathma Ucum hat vor allem bei muslimischen Frauen bemerkt, dass sie bei ihr eher wagen, auch intime Fragen zu stellen. „Viele Frauen haben Angst vor Unfruchtbarkeit durch die Impfung. Es kommen ohnehin mehr muslimische Männer zur Impfung als Frauen. Manche scheinen die Impfung ihren Frauen sogar zu verbieten“, fürchtet die junge Frau. Ihr Kollege Yasser Hussain, der neben Deutsch auch Kurdisch und Arabisch spricht, hat festgestellt, dass viele einfach nicht Deutsch oder Englisch lesen und schreiben können, sich deshalb bisher nicht hinreichend informieren konnten.
Aktuelles Motiv oft schwere Covid-Erkrankungen im engen Umfeld
Klaus Rembrink, Leiter des Impfzentrums und der Bezirksstelle der KVWL in Gelsenkirchen sowie niedergelassener Arzt, hat noch andere Impf-Motive beobachtet. „Eine muslimische Frau mit ihren Töchtern, die ich kürzlich im Zentrum gefragt habe, warum sie denn jetzt erst zur Impfung kommen, sagte mir, dass es jetzt so viele Todesfälle im engen Umkreis gebe, man habe einfach Angst bekommen. Und viele fürchten auch die Einschränkungen für Ungeimpfte sowie die Kosten für die alternativ notwendigen Tests.“
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