Essen. Viele Muslime haben Vorbehalte gegen die Corona-Impfung, es kursieren Verschwörungsmythen. Essens Moscheen klären auf, bieten Impftermine an.
Angst vor Nebenwirkungen, Verschwörungsmythen und eine große Portion Desinformation bis hin zum pauschalen Verdacht der Geldmacherei – unter Essener Muslimas und Muslimen gibt es große Vorbehalte gegen die Corona-Schutzimpfung. Doch immer mehr islamische Gemeinden stemmen sich gegen diese Impfskepsis. Die Fatih-Moschee öffnet an diesem Sonntag (8. August) die Pforten, von 12 bis 16 Uhr kommen die Impfärzte nach Katernberg.
Corona und Migranten- Essen setzt nun auf AufklärungsvideosDie Spritze in der Moschee – das ist ein wichtiger Test. „Sollte die Aktion in der Fatih-Moschee gut verlaufen, werden wir gerne auch weitere Impfangebote in anderen Moscheen anbieten“, betont Stadtsprecherin Silke Lenz. Zuvor habe es ähnliche Aktionen in der Jüdischen Kultusgemeinde und bei der syrischen Community gegeben.
Islamisches Zentrum Essen im Norden bietet sich als Impfstelle an
Alaá El-Sayed, stellvertretener Vorsitzender des Islamischen Zentrums Essen, würde lieber heute als morgen eine Impfstelle in der II. Schnieringstraße einrichten: „Es gibt konkrete Pläne, wir warten auf grünes Licht.“ Um die Gemeinde, eine der größten arabischen in Deutschland, zu motivieren, haben die Leute der Salahu-d-Dîn-Moschee aus eigenem Antrieb und mit Hilfe des RAA-Vereins ein Aufklärungsvideo in Umlauf gebracht, das eindringlich für den Piks in den Oberarm wirbt. Imam Mohamed Amin Raschid kommt darin zu Wort und auch der grüne Ratsherr Ahmad Omeirat.
Der Imam ist eine Autoritätsperson, seine Ermahnungen kommen an“, betont El-Sayed. Der Geistliche bittet die Gläubigen darum, sich von Ärzten beraten zu lassen und Rücksicht auf andere zu nehmen. „Die Resonanz war groß, das Interesse an Impfungen ist danach deutlich gestiegen.“
Verschwörungsmythen gehen in Katernberger Familien um
Turgay Tahtabaş, Begründer des Zukunft Bildungswerks, befürchtet dennoch, dass etliche Essenerinnen und Essener mit Einwanderungsgeschichte am Sonntag nicht zur Impf-Aktion kommen könnten. Viele befänden sich gerade im Urlaub – häufig in der Türkei oder im Libanon.
Doch auch Verschwörungsmythen nährten die Impfskepsis, weiß Hazar Abou Char, die den Standort Katernberg des Zukunft Bildungswerks leitet. Hier bietet sie Nachhilfe, Vorschulprogramm und in diesen Tagen auch eine Sommerschule für 72 Kinder an.
„Wenn die Eltern ihre Kinder hier hinbringen oder sie abholen, kommen wir ins Gespräch,“ berichtet sie, „Wir haben auf jeden Fall mit ,Fake News’ zu kämpfen, die in manchen Katernberger Familien herumgehen.“
Sie versuche aufzuklären, verteilt Flyer und postet Impf-Aktionen in der Umgebung in verschiedene Whatsapp-Gruppen. „Ich frage jeden, den ich noch nicht kenne: ,Hast du dich schon geimpft?’“ Vor zwei Tagen hätten Eltern bei der Anmeldung ihrer Kinder die Frage mit „Nö, da denken wir nicht dran!“ beantwortet. „Die hatten irgendwo gehört: Wer sich impfen lässt, wird nach zwei Jahren sterben,“ sagt die Koordinatorin, „Ich war schockiert, so etwas habe ich noch nie gehört.“
Hazar Abou Char kämpft gegen „Fake-News“
An die Quelle dieser „Nachrichten“ könnten sich viele nicht erinnern, manche schnappten diese Geschichten in anderen Familien, andere auf Facebook auf. „Einige haben mitbekommen, dass ein Prominenter nach der zweiten Impfung an Corona erkrankt ist. Sie ziehen dann ihre Schlüsse,“ sagt Hazar Abou Char. In den Köpfen setze sich fest: Die Impfung ist nicht so stark oder wirkt gar nicht. „Das sind einfache Familien, die nicht ausgebildet sind und jeden Quatsch glauben.“
Sie habe daraufhin mit den Eltern gesprochen. „Die haben ein Riesenvertrauen zu mir – aber trotzdem bleiben da diese zehn Prozent Restzweifel. Ganz verschwunden ist dieser Gedanke nicht.“ Hazar Abou Char glaubt, wer von Beginn an positiv zur Impfung eingestellt war, habe sich bereits impfen lassen. Wer am Anfang dagegen war, lasse sich nur selten noch umstimmen.
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„Wir haben aber schon ein paar Familien überzeugen können,“ sagt die Katernberger Koordinatorin des Zukunft Bildungswerks – so auch einen Familienvater, der zum Urlaub in die Niederlande fahren wollte und bemerkte, dass ihm die Reise ungeimpft erschwert würde. „Ich habe gesagt: ,Da bleibt dir nichts anderes übrig’ und er ist tatsächlich direkt von unserem Büro an der Katernberger Straße 8 weiter zum Impfen gefahren.“
Vom OB bis zum Integrationslotsen
Die Stadt Essen informiert die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auf vielfältige Weise. OB Kufen hat ein Video zusammen mit zwei Imamen veröffentlicht - beide sind in ihren Communitys bekannt und populär.
Das Rathaus klärt die Communitys intensiv über die Corona-Impfung auf. Aktiv dabei sind: Kommunales Integrationszentrum, Jugend-/Gesundheitsamt, Integrationsmanagement, Integrationslotsen.