Gelsenkirchen. Mittwoch beginnt das dritte Schuljahr mit Corona-Einschränkungen. Wie gut Gelsenkirchener Schulleiter ihre Schulen gerüstet sehen und was fehlt.
Wie gut sind Gelsenkirchener Schulen für den Start ins neue Schuljahr gerüstet? Wie schätzen Schulleitungen die Voraussetzungen ein? Vier Leiter von weiterführenden Schulen – Ulrike Purz (Gesamtschule Buer-Mitte), Antje Bröhl (Gertrud-Bäumer-Realschule), Michael Scharnowski (Leibniz-Gymnasium) und Marco Sawatzki (Hauptschule am Dahlbusch) – haben ihre Sicht auf den Start ins dritte Pandemie-Schuljahr im Gespräch mit der WAZ-Redaktion erklärt. Uneingeschränkter Konsens ist: Der Präsenzunterricht muss gesichert werden.
Bedenken wegen Verzicht auf Tests bei Geimpften
Beim Thema Masken und Tests gibt es wenig Bedenken. Tests gebe es noch genug in den Schulen, so die Leiter, das Portal für die Nachbestellung, die die Schulen jetzt selbst übernehmen müssen, ist mittlerweile auch online. Probefahrten für den Abtransport hatte die Stadt als Schulträger bereits im Vorfeld organisiert. Wie gut es funktionieren wird mit der Unterscheidung zwischen doppelt geimpften beziehungsweise genesenen Schülern, die nach den neuen Regeln nicht mehr getestet werden sollen, und ungeschützten, müsse sich zeigen. Antje Bröhl hat leichte Bedenken: „Ansteckung ist ja eigentlich auch bei Geimpften möglich.“ Ohnehin wird es aber im Unterricht auch weiterhin eine Maskenpflicht geben.
Zustimmung für Impfmobil an Schulen
Das Angebot für Schülerinnen und Schüler ab 16 Jahren am Impfmobil an der Schule begrüßt Bröhl ebenso wie Ulrike Purz, die versichert: „Ich werde das Angebot bewerben bei uns an der Schule.“ Michael Scharnowski zeigt sich in der Gesprächsrunde noch hin und hergerissen wegen der fehlenden Impfempfehlung der Stiko für Minderjährige (die am Montag nun doch noch ausgesprochen wurde) und möglicher mangelnder Reife von 16-Jährigen. Viele Schülerinnen und Schüler aber seien froh, dass es das Angebot gibt. Die einen, weil sie auf Konzerte oder in den Urlaub wollen, andere einfach, weil sie genauso geschützt sein wollen wie ihre Eltern, und mancher auch, weil er hofft, so den Präsenzunterricht sichern zu helfen.
Einigkeit herrscht beim Thema „Ankommen in der Schule“. Die ersten Tage – mehr als sonst üblich – sind schulformübergreifend allein dem Kennenlernen gewidmet. Der Fachunterricht muss warten. „Wir haben Kinder von 24 Grundschulen und der Kennenlerntag musste pandemiebedingt ausfallen. Da wollen wir vor allem den Fünftklässlern erstmal Zeit lassen“, versichert Antje Bröhl, und Ulrike Purz stimmt zu. Auch am Leibniz-Gymnasium soll es eine Kennenlern-Woche geben. Allerdings gab es hier im Vorfeld immerhin individuelle Führungen durch die Schule für die „Neuen“.
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„Lernstand-Diagnose ist unser Brot- und Buttergeschäft“
Ein Teil des Extra-Zeit-Programms vom Land ist Diagnoseinstrumenten gewidmet, die helfen sollen zu ermitteln, wie groß und wo die Lernlücken bei den Schülern sind. „Aber das ist unser Brot- und Buttergeschäft“, winkt Ulrike Purz ab. Auch Michael Scharnowski nennt das „...Standard für uns. Vor allem in Englisch. Da gibt es immer große Unterschiede im Umgang mit dem Fach in den verschiedenen Grundschulen. Manche können nur einzelne Worte, etwa Tiere benennen, andere schon eine Geschichte schreiben.“ Mit Corona habe das nichts zu tun. Auch Antje Bröhl hat längst einen Diagnoseplan für Lernlücken, rechnet dafür aber mit mehreren Wochen. Marko Sawatzki kann auf Lernstandserhebungen im Herbst gut verzichten.
Lehrpläne müssen die Schulen selbst anpassen
Vorschläge, wo bei den Lehrplänen abgespeckt werden kann, gibt es vom Land nicht. „Das müssen wir schulspezifisch anpassen, schauen, was konnte vermittelt werden, was nicht“, so Ulrike Purz. Mancher Schulleiter hätte sich gewünscht, dass das Land die Ferien genutzt hätte, die Lehrpläne für die (Post-)Pandemiezeit zu entschlacken.
Jugendliche brauchen Freizeit nach der Schule
Förderbedingungen zum Teil noch unklar
Vier Fördersäulen soll es im Rahmen der Landesförderung für das kommende Schuljahr geben. Extra-Personal, das zu einem Großteil die Schulen selbst befristet beantragen und relativ frei nutzen können. Dabei kann nicht nur mit ausgebildeten Lehrkräften, die ohnehin kaum zu bekommen sind, gearbeitet werden. Auch in der OGS kann dies genutzt werden.Säule zwei ist Extra-Geld, das über die Schulträger, also die Stadt für Schulen ausgegeben wird, schulscharf berechnet nach Schülerzahl und Sozialindex. Dazu liegen der Stadt und auch den Schulen allerdings noch keine Förderrichtlinien und Ausführungsbestimmungen vor. Zudem soll es Bildungsgutscheine auch für professionelle Nachhilfe geben, deren Rahmenbedingungen aber auch noch nicht geklärt sind.Säule drei heißt Extra-Zeit und soll neben Lern- auch Freizeitangebote für das seelische Auftanken und Aufholen finanzieren helfen. Säule vier heißt Extra-Blick; hierbei werden den Schulen – nicht von allen ersehnte – Diagnoseinstrumente an die Hand gegeben werden, um Defizite genauer zu identifizieren.
Bei den vom Land gewünschten Wochenend- und Ferienangeboten zum Aufholen von Lernrückständen hält sich die Begeisterung der Praktiker in engen Grenzen.
Michael Scharnowski erklärt: „Die Jugendlichen brauchen Freizeit.“ Auch Antje Bröhl sieht ein Problem in der Förderung am Nachmittag nach dem Unterricht. Ulrike Purz sagt klar: „Am besten helfen würde eine personelle Verstärkung im Unterricht, die Doppelbesetzungen ermöglicht und damit gezielte, zum Unterricht passende individuelle Förderung.“
Auch für Marco Sawatzki ist das der beste Weg, effektiv zu fördern. „Ich habe keine Zeit, jetzt noch irgendwelche externen Projekte zu entwickeln. Und den Schülern hilft das auch nicht. Wir brauchen Verstärkung im Unterricht.“ Immerhin sollen die vor einer Woche endlich vorgestellten Antragsbedingungen für Extra-Personal sehr offen sein, einseitige Anträge von den Schulen mit stichwortartiger Projektbeschreibung auch zur Unterrichtszeit genügen.
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