Gelsenkirchen. Endlich schwimmen lernen: Beim Intensivkurs für Kinder im Gelsenkirchener Sportparadies geht es um viel mehr als nur Bewegung. Ein Besuch.
So viel Ruhe war selten. Ein ganzes Schwimmbad ohne Leben, still ruht das Nass in großen und kleinen Becken, keine Wasserspiele, nirgends. Doch dann kommen sie endlich: Neun kleine Menschen, die endlich das machen wollen, was sie so lange vermisst haben. Sie wollen doch nur schwimmen – aber vor allem: schwimmen lernen.
Schwimmlernkurs in Gelsenkirchen: „Überlebenswichtiges“ Training für die Kinder
Ortstermin an der Adenauerallee. Was das Sportparadies jetzt als Crashkurs angeboten hat, ist derzeit sehr gefragt. Nachdem die eigentlichen Schwimmkurse aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen nicht weitergeführt werden konnten, entschloss man sich kurzerhand, Intensivkurse in den Sommerferien anzubieten. Und die Plätze dafür waren im Nu: vergeben.
Schon vor Beginn der Pandemie war die Nachfrage nach Schwimmlernkursen für Kinder riesig. Doch Corona hat die Lage noch einmal verschärft. Monatelang waren die Bäder geschlossen, eine Schwimmausbildung in Gelsenkirchen ausgeschlossen. Und ganz aktuell ist es der Mangel an Schwimmflächen und Trainingskräften, der einem Aufholen der versäumten Lerneinheiten Grenzen setzt. Schwierige Zeiten also für Nichtschwimmer. [Lesen Sie auch:Generation Nichtschwimmer – Lange Wartelisten für Kinder-Schwimmkurse in Gelsenkirchen]
Die Schwimmkursleiterinnen im Sportparadies hatten das Angebot für junge Nichtschwimmer kurzfristig erarbeitet. So entstanden insgesamt sechs Intensivkurse für Schwimmanfänger, die auf einen Zeitraum von vier Wochen verteilt waren. Ein Schwimmkurs umfasst insgesamt 10 Stunden à 45 Minuten, an fünf Tagen in der Woche. Mit jeweils maximal zehn Kindern startete die Reise zum Seepferdchen im Sportparadies. Das Ziel der Reise: Endlich sicher sein, im Wasser und darüber hinaus.
Manche Kinder brauchen Zuspruch, manche einfach mehr Mut
„Hallo, ich bin die Heike“. Alle nennen sie hier Heike, also warum nicht auch wir? Heike Böckstiegel ist Fachangestellte für Bäderbetriebe und an diesem Nachmittag in Erle sagt sie: „Es ist erstaunlich, wie schnell die Kinder in einem Crashkurs schwimmen lernen.“
Vielleicht liegt es auch an ihr? Liebevoll und ein bisschen streng zugleich leitet Heike Böckstiegel den Intensivkurs. Und ist dabei so nahbar, wie es wenig nahbarer geht. Die 52-Jährige kennt ihre Kinder, weiß, wann sie etwas Zuspruch brauchen – oder einfach ein bisschen Mut. An ihrer Seite ist die Auszubildende Catalina Weidinger. Für die 19-Jährige ist es „das Schönste, sich mit den Kindern die Zeit zu vertreiben“.
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Da ist die kleine Cora, die tatsächlich immer denkt, dass sie ihre Nase um Himmels willen doch festhalten muss, wenn sie ins kalte Wasser hüpft. Da ist auch die siebenjährige Sophie, die es liebt, vom Beckenrand oder gar vom Startblock zu springen – um dann auf der langen Bahn weiterzuschwimmen. Die acht Jahre alte Alessia übt fleißig fürs Seepferdchen, und die neunjährige Jayda macht nichts lieber als tauchen, warum, dazu später mehr. [Lesen Sie auch:Ausgefallene Kinderschwimmkurse – Eine „Riesen-Gefahr“ droht]
Und dann sind da auch noch die etwas ängstlicheren, zurückhaltenden Kinder. Die vielleicht in so manchem Schwimmkurs-Moment ein bisschen mehr Zuwendung brauchen. Nicht mehr Aufmerksamkeit, denn davon bekommen von ihnen an diesem Nachmittag mehr als genug.
1000 Kursteilnehmer im Sportparadies zu normalen Zeiten
1000 Teilnehmer zählen die Aqua- und Schwimmkurse im Sportparadies in normalen Zeiten, berichtet Janin Meyer-Simon, Sprecherin der Stadtwerke, Betreiber des Sportparadies. Davon besuchen etwa 500 bis 600 die Schwimmkurse, das Angebot beginnt beim Baby- und Kleinkindschwimmen. Wie viel Wert im Sportparadies darauf gelegt wird, dass Kinder schwimmen können – Janin Meyer-Simon verweist mit Blick auf die 2019 nach den tragischen Badeunfällen zweier Kinder ins Leben gerufene Kampagne „Sicher schwimmen“. [Lesen Sie auch:Ertrunkene Kinder – in Gelsenkirchen beginnt die Aufarbeitung]
Derweil geht das große Üben weiter, Heike Böckstiegel ist gleich mit im Wasser, nach dem Bahnenziehen geht’s unter die Wasseroberfläche, nach dem großen Becken mit zwei Meter Tiefe das Nichtschwimmerbecken. Stehen möglich. Tauchen erst recht. Und immer noch diese Ruhe… „Jetzt gehen wir tauchen“, ruft Heike Böckstiegel. Die Freude ist groß, die Ruhe plötzlich verflogen.
Klar, „einmal den Boden besuchen“, das macht den neun Kindern Spaß, rote Ringe bringen große Freude. Die gilt es nämlich jetzt wieder hervorzuholen, aus etwa 1,30 Meter Tiefe. Ach ja, ein Superheld dürfen sie natürlich auch noch sein, mit Superkräften selbstverständlich, Superman im Sportparadies – und das alles, um sich einfach besser abzustoßen. In Bildern sprechen sei wichtig, so Heike Böckstiegel, dann verstehen die Kinder es eher. Eine Hand an den Beckenrand, die andere nach vorn gestreckt, ganz so als würden sie fliegen. Hält sich Cora etwa wieder die Nase zu?
Schwimmkurse: Derselbe Trainer leitet dieselbe Gruppe, das schafft Vertrauen
Vor der Corona-Pandemie liefen die Schwimmkurse neben dem regulären Betrieb. „Das hier ist Luxus“, sagt Heike Böckstiegel und lässt ihren Blick durch die leere Schwimmhalle schweifen. Auch für die Kinder, wie sie sagt. Ablenkung gibt es nicht, mit voller Konzentration zum Seepferdchen.
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Die Älteren unter den Teilnehmern, sie verstehen besser, wie das mit dem Schwimmen so geht, die Kleineren wollen häufig und mit Hingabe einfach nur spielen, berichtet die Schwimmtrainerin. Viel wert sei in ihren Augen, dass es im Sportparadies eigenes Personal gebe, das die Kurse ausrichtet. Derselbe Trainer leitet dieselbe Gruppe, das schafft Vertrauen.
Warum ist es ihrer Meinung nach so elementar, dass Kinder sich sicher im Wasser bewegen können? „Es ist überlebenswichtig, dass Kinder schwimmen können“, ist die Westerholterin überzeugt. Und, dass sie keine Angst vor dem Wasser haben.
Davon ist bei Cora, Sophie und Jayda nichts zu spüren. Die vergangenen 45 Minuten Schwimmkurs waren für sie und die anderen Sechs Spaß und Herausforderung zugleich. Einige von ihnen dürfen am Ende des Kurses stolz das Seepferdchen tragen. Mehr Freude war selten.
+++ Weitere Schwimmkurse in den Ferien – Kinder starten ohne Schwimmhilfe ins neue Schuljahr +++
Neben den Schwimmanfängern, die fleißig im Sportparadies geübt haben, hatten weitere 150 Kinder in den Sommerferien die Möglichkeit, in einem Kooperationsprojekt von Stadt, Gelsensport, der Fachschaft Schwimmen, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) sowie den Stadtwerken Gelsenkirchen das Schwimmen zu lernen.
Nach den Intensivkursen, die in den letzten drei Ferienwochen täglich stattfanden, steht eine positive Bilanz: 72 Kinder haben das Seepferdchen-Abzeichen, 13 Kinder den Seeräuber und 34 Kinder das Bronze-Abzeichen bekommen.
Kompaktkurse als Teil des Programms „Gelsenkirchen bewegt seine Kinder“
Die Kompakt-Schwimmlernkurse fanden als Teil des Programms „Gelsenkirchen bewegt seine Kinder“ statt, durchgeführt wurden sie von Gelsensport in Kooperation mit der Fachschaft Schwimmen und der DLRG. Dank des großen Engagements von 19 Übungsleiterinnen und Übungsleitern der DLRG und der Gelsenkirchener Schwimmvereine konnten täglich zehn Schwimmlernkurse für Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren angeboten werden. Die Stadtwerke stellten die Badezeiten kostenlos zur Verfügung.
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„Die Nachfrage nach Schwimmkursen war schon vor der Corona-Pandemie groß, aber durch die Schließung der Schwimmbäder während der Pandemie, ist der Bedarf nochmals rasant gestiegen. Wir waren innerhalb weniger Tage bereits ausgebucht“, so Jürgen Krisement von der Fachschaft Schwimmen.
„Aufgrund der großen Nachfrage sind wir bereits im Gespräch mit den Stadtwerken, der DLRG und den Schwimmvereinen, um weitere Kurse in den Herbstferien anbieten zu können. Die enorme Nachfrage hat gezeigt, dass wir hier dringend aufholen müssen, um die Schwimmfähigkeit und damit die Sicherheit und soziale Teilhabe der Kinder zu verbessern“, so Tanja Eigenrauch, Bereichsleitung bei Gelsensport.