Gelsenkirchen. Durch die Pandemie können Gelsenkirchener Kinder nicht schwimmen lernen. Wie Corona ein Problem verschärft, das schon vorher immens war.

Schwimmen lernen, zuerst das Seepferdchen, dann den Seeräuber machen, erste sportliche Erfolge im Wasser erleben – das gehört für viele Kinder, auch in Gelsenkirchen, eigentlich zur Normalität. Eigentlich – denn schon vor Beginn der Pandemie war die Nachfrage nach Schwimmlernkursen für Kinder riesig. Doch Corona hat die Lage noch einmal verschärft.

Ausgefallene Anfängerschwimmkurse in Gelsenkirchen: „Das ist eine Riesen-Gefahr“

„Das größte Problem ist tatsächlich das Anfängerschwimmen für Kinder“, bestätigt Jürgen Krisement, Fachschaftsleiter Schwimmen bei Gelsensport. In der Regel – also vor der Pandemie – waren die Kurse in den unterschiedlichen Gelsenkirchener Schwimmvereinen und Einrichtungen meist alle belegt – „der Bedarf ist immens, die Wartelisten sind extrem lang“. Nun wirkt auch hier Corona wieder wie ein Brennglas.

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Denn dass es so schwierig ist, einen Platz in einem Schwimmlernkurs zu bekommen, ist eine Sache, die laut Krisement „seit Jahren schon in den Kinderschuhen steckt“, ein „gesellschaftliches Problem“, das unbedingt angegangen werden müsse. Denn genau dieses Problem, es setzt sich oftmals fort: Krisement berichtet beispielsweise auch von einem sehr großen Prozentsatz an Kindern, die nicht sicher schwimmen können, wenn sie zur weiterführenden Schule wechseln.

Das aufholen, was in den vergangenen Monaten verpasst wurde

Eigentlich wäre da schnelles Handeln und flexibles Reagieren gefragt: „Man kann bei den Bädern aber nicht einfach so den Schlüssel umdrehen und öffnen.“ Man stehe in ständigem Austausch mit der DLRG, den weiteren Kurs-Anbietern. Schon jetzt ist laut Krisement klar: Man wolle so viel wie möglich anbieten, abhängig beispielsweise von den verfügbaren Wasserzeiten in den Bädern und den Trainern, die ja oftmals ehrenamtlich arbeiten. Dass möglichst das aufgeholt wird, was in den vergangenen Monaten verpasst wurde. „Das wird eine Riesen-Aufgabe“, ist Jürgen Krisement überzeugt.

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Trainer Michael Seeger fürchtet: „Die Kinder lernen nicht schwimmen, das ist auf Dauer eine Riesen-Gefahr.“
Trainer Michael Seeger fürchtet: „Die Kinder lernen nicht schwimmen, das ist auf Dauer eine Riesen-Gefahr.“ © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Ein „Riesen-Problem“ sieht auch Michael Seeger. „Das sieht im Moment alles andere als gut aus“, so der Cheftrainer bei der Schwimmgemeinschaft Gelsenkirchen. Zwei Jahrgänge seien aus seiner Sicht komplett verloren. Es werde schwierig, diesen Stau irgendwie wieder aufzufangen, meint Seeger auch. „Die Kinder lernen nicht schwimmen, das ist auf Dauer eine Riesen-Gefahr“, so Seeger weiter. Aber nicht nur, dass die Kinder nicht das „lebenswichtige“ Schwimmen lernen können: Die Situation innerhalb der SG, beim Wettkampfsport, verändert sich maßgeblich. „Es kommt derzeit nichts nach und ohne Schwimmausbildung fehlen uns die Jahrgänge für den Vereinssport.“

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Bei Come back Prävention blieb das Becken aufgrund der Infektionslage ebenfalls über lange Zeit leer. Nun, Mitte Mai, kann es endlich wieder losgehen, mit kleinen Kursen à fünf Teilnehmern. Ein Kursus im gesamten Schwimmbad. Die Stunden sollen an der Husemannstraße vor allem an fünf aufeinanderfolgenden Tagen, von Montag bis Freitag, stattfinden. Schwimmen intensiv also.

Jedes Jahr rund 25.000 Seepferdchen

Wer noch einen Schwimmkursus buchen möchte oder sich auf die Wartelisten setzen möchte, findet weitere Infos im Netz, beispielsweise unter gelsensport.de .

Einem Experten zufolge nehmen die Vereine im Schwimmverband NRW jedes Jahr rund 25.000 Seepferdchen und 10.000 Schwimmabzeichen in Bronze ab. In 2020 konnten rund 80 Prozent der Kinder nicht ausgebildet werden.

„Wir sehen gerade bei diesen Intensivkursen einen sehr guten Lernerfolg“, berichtet Thorsten Stopp, Inhaber von Come back Prävention. So sei auch etwas Positives aus der Corona-Krise entstanden. Derzeit spüren er und sein Team eine deutliche Nachfrage an den beiden Standorten in Gelsenkirchen-Mitte und Westerholt, sogar aus den Nachbarstädten.

Jetzt geht es darum, die Wartelisten von August 2020 abzuarbeiten

Stopp und sein Team wollen jetzt ebenfalls so viele Möglichkeiten eröffnen, wie es nur geht: Im Zuge der Corona-Pandemie hätten viele Erwachsene ihren Vertrag gekündigt – die frei gewordenen Zeiten wolle man nun durch neue Schwimmkurse ersetzen.

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Von Christiane Rautenberg

In der privaten Schwimmschule Bulliplatsch in Buer sieht die Situation ganz ähnlich aus: Schon vor der Pandemie war die Nachfrage immens – „wir waren immer so gut wie ausgebucht“, berichtet Maja van Megern. Um die 300 Kinder waren in 27 bis 30 Kursen untergebracht. Jetzt geht es darum, die Wartelisten von August 2020 abzuarbeiten. „Und es kommen immer wieder Kinder dazu“, so die Inhaberin der Schwimmschule.

Geschlossenes Schwimmbad: „Langsam ist es existenzbedrohend“

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hätten sie bei vielen der kleinen Kursteilnehmer wieder von vorne anfangen müssen. Jetzt befürchtet Maja van Megern, dass es vielen Kindern wieder so ergeht. „Kinder, die keine Angst haben, die holen das sehr schnell nach. Aber bei denen, die Wasserangst haben, dauert es viel länger.“

Die Schwimmlehrerin und ihr Team hoffen, dass es im Juni wieder losgehen kann, mit dem Schwimmunterricht. Schließlich ist die Situation nicht nur für Kinder und Eltern gerade extrem schwierig: „Wir dürfen seit November gar nicht arbeiten und langsam ist es existenzbedrohend“, so Maja van Megern. Bislang habe keiner der Teilnehmer abgesagt – „alle warten auf ihren Plätzen“. Dass es endlich wieder los- und weitergehen kann.