Gelsenkirchen/Oberhausen/Castrop-Rauxel. WH-Absolvent Jannick Armenat wurde für optimierte begrünte Fassaden ausgezeichnet. Die Technik ermöglicht Naturschutz in asphaltierten Zentren.
Die Großstädte im Revier stehen immer mehr unter dem Druck, einerseits mehr Flächen für Wohn- oder Gewerbebebauung freizuräumen, anderseits Natur- und Klimaschutz wirklich ernst zu nehmen. Eine Möglichkeit, auch an vollasphaltierten Orten für Ausgleich zu sorgen, sind bunt bepflanzte Fassaden - nicht nur an Häusern, sondern als vertikale, freistehende Wände, als Lärmschutz oder Trennwand. „Das System ist zukunftweisend“, meint Jannick Armenat, der in seiner Masterarbeit an der Optimierung solcher Wände gearbeitet hat. Und dafür ausgezeichnet wurde.
Die bisherige Karriere des 31-Jährigen ist eine Ruhrgebietsgeschichte: in Duisburg und Oberhausen aufgewachsen, in Mülheim aufs Berufskolleg gegangen, während des Maschinenbau-Studiums an Gelsenkirchens Westfälischer Hochschule in Gladbeck gewohnt und am Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) nahe des Centro mehrere Jahre geforscht. Jetzt ist Armenat bei den Ruhrstoffbauwerken der Firma Unika in Castrop-Rauxel angestellt und arbeitet dort an der Markteinführung seiner optimierten Pflanzenwand.
Bewässerung der Pflanzenwände kann übers Smartphone gesteuert werden
Für seine Arbeit erhielt Armenat den Energie- und Umweltpreis von Uniper, der jährlich an herausragende Master- und Bachelorarbeiten verliehen wird. Eine Jurybegründung für die Entscheidung hat er zwar nicht erhalten - aber dass die Wahl auf ihn gefallen ist, wird wohl daran liegen, dass die Pflanzenwände nicht nur ihre eigene Bewässerung übernehmen, sondern diese auch intelligent steuern.
Bestehend aus Kalksandstein, der bekannt ist für seine Wasserspeicher- und Transporteigenschaften, kann sich das System bei heftigem Regen genauso vor Überwässerung schützen wie bei Trockenheit am eigenen Speicher bedienen. „Per Sensor und Algorithmus wird dann entschieden, wie die Bewässerungsintervalle ablaufen, damit man eine kontinuierliche Bewässerung sicherstellt“, erklärt Armenat. „Das alles soll so umgesetzt werden, dass man über das Smartphone sehen kann, wie sich die Feuchtigkeit entwickelt.“ Eine Besonderheit dabei: Der Algorithmus bezieht sogar mit ein, mit wie viel Verdunstung man zu rechnen hat. Armenat hat das anhand von Modellen in der Masterarbeit berechnet.
Die Pflanzenwände sorgen also größtenteils für sich selbst. Maximal der Rückschnitt der Pflanzen und die Wartung des Systems müssten dann noch von einem Menschen übernommen werden.
Pflanzenwände sorgen für Abkühlung in Stadtzentren
Als „Weltverbesserer“ sieht sich Armenat nicht. „Aber ich will mein Wissen nutzen, um einen Schritt in die andere Richtung zu gehen. Ich will dem Klima nicht schaden, sondern Wege aufzeigen, wie man ihm innovativ helfen kann.“ Schon vor dem Studium arbeitete er am Fraunhofer Umsicht, wo er mit Projekten in Berührung kam, die genau dieses Ziel verfolgen. An der Westfälischen Hochschule wiederum wurde er mit Vorlesungsinhalten zur Regelungstechnik oder Fluidmechanik auf seine heutige Rolle als Pflanzenwand-Optimierer vorbereitet.
Kräuter bis Geranien
Das Patent für die Pflanzenwände hat das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, der Markenname lautet „Biolit Vertical Green“.
Nach dem Aufbau der Wand werden die Rinnen mit Substrat gefüllt und anschließend direkt bepflanzt oder eingesät. Verschiedenste Pflanzenarten eignen sich - Storchschnäbel (Geranien), Purpurglöckchen (Heuchera) oder aber auch verschiedene Kräuterarten (Rosmarin, Thymian, Lavendel).
Nur: Was bewirken die begrünten Fassaden am Ende wirklich? „Konkrete Messwerte zur CO2-Bindung sind mir nicht bekannt, aber ein positiver Nutzwert lässt sich nicht abstreiten“, sagt Armenat. Es geht aber nicht nur um Klimareduzierung, sondern auch um Klimaanpassung. Die vollversiegelten Asphalt-Landschaften der städtischen Zentren heizen sich an heißen Sommertagen besonders auf. „Auf solchen Hitzeinseln können die Pflanzenwände für Abkühlung sorgen.“
Aber könnte die Anschaffung von Pflanzenwänden am Ende nicht auch ein Argument für Stadtverwaltungen sein, die Fällung von Bäumen und Vollversiegelung weiterer Flächen schnell zu rechtfertigen?
Jannick Armenat sieht die Systeme vielmehr als gute Möglichkeit, jene Flächen aufzuwerten, die bislang grau und unbepflanzt sind. Wie auch sein Werksgelände in Castrop-Rauxel, wo eine solche Pflanzenwand steht. „Jetzt schwirren hier die Insekten mitten in einem Industriegebiet“, freut er sich. „Hier haben die Bienen vorher einen großen Bogen drum gemacht.“