Oberhausen. Keimfreie Rohre und Implantate, Mandeln oder Lichtschalter: Das Fraunhofer Umsicht befreit Oberflächen von Bakterien – mit natürlichen Stoffen.

Wasserrohre, die von Keimen befallen sind, oder infizierte Implantate: Wenn sich zu viele Bakterien auf Oberflächen bilden, kann es schnell gefährlich werden. Chemie, Antibiotika, Ersatz des Materials – alles bald nicht mehr nötig? Das Fraunhofer-Institut Umsicht hat jedenfalls ein neues Verfahren entwickelt, um das Wachstum von Bakterien auf Gegenständen deutlich zu reduzieren. Dabei werden sie mit einem natürlichen Stoff imprägniert.

Das Oberhausener Umsicht-Team hat verschiedene Kunststoffe imprägniert - je dunkler der Kunststoff, umso intensiver die Bearbeitung.
Das Oberhausener Umsicht-Team hat verschiedene Kunststoffe imprägniert - je dunkler der Kunststoff, umso intensiver die Bearbeitung. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Bakterien können auf Oberflächen starke Gemeinschaften bilden – sogenannte Biofilme, die verantwortlich sind für besonders hartnäckige Infektionen. „Die aufgebrachten Naturstoffe verhindern aber die Kommunikation zwischen den Bakterien. So schaffen sie es nicht, einen Biofilm zu bilden“, erläutert die projekt-verantwortliche Wissenschaftlerin Karen Fuchs. Das heißt: Wenn etwa imprägnierte Wasserrohre eingesetzt werden, gibt es dort keine Gefahr mehr durch Legionellen – nicht selten ein Problem in öffentlichen Duschen.

Straßen- bis Schiffsbau: Viele Möglichkeiten der Anwendung

Neben der Trinkwasserhygiene eignen sich medizinische Implantate dafür, das neue antibakterielle Verfahren der Oberhausener Forscher anzuwenden. „Das Verfahren könnte die Langlebigkeit von Hüft- oder Kniegelenken erhöhen“, sagt die Verfahrenstechnikerin vorsichtig. Aber auch im Straßenbau, wo sich Schwefelsäurebakterien im Beton bilden können, oder im Schiffsbau könnten die sogenannten „QQ-Stoffe“ zukünftig Probleme beseitigen.

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Vorteile der Imprägnierung seien nicht nur die gute Verträglichkeit der natürlichen Stoffe, erläutert Karen Fuchs. „Vorteilhaft ist auch, dass nur geringste Mengen des Wirkstoffs eingebracht werden müssen und auch eine nachträgliche Ausstattung eines fertigen Bauteils möglich ist.“ Dass das Verfahren die Bakterien eindeutig reduzieren kann, wurde bewiesen – nun gelte es, die Langlebigkeit oder negativen Folgen der Imprägnierung zu erforschen.

Die Vorteile von Kohlendioxid

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Der Einsatz der biofilm-verhindernden Naturstoffe reiht sich ein in eine Zahl von vergleichbaren Methoden, die in den letzten zehn Jahren von Umsicht erforscht worden sind. Eine andere Methode setzt vor allem auf Kohlendioxid. „CO₂ hat ja immer einen sehr negativen Anklang“, sagt Karen Fuchs. „Wir sehen aber das Positive im Kohlendioxid, denn es ist weder brennbar noch toxisch, es ist überall verfügbar und kostengünstig.“

An den Hochdruckanlagen führt Karen Fuchs die Imprägnierung per Kohlendioxid durch.
An den Hochdruckanlagen führt Karen Fuchs die Imprägnierung per Kohlendioxid durch. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Und da sind noch mehr Vorteile: „Wenn man CO₂ unter Druck setzt, erreicht es den sogenannten überkritischen Punkt“, erläutert Fuchs‘ Kollege Nils Mölders, Leiter der Hochdrucktechnik. „Dieses überkritische CO₂ ist zur Imprägnierung ideal, weil es einerseits ähnlich leicht wie Gas in eine Oberfläche eindringen kann und gleichzeitig die Dichte einer Flüssigkeit aufweist.“ Wenn man dieses Kohlendioxid nun beispielsweise in Lichtschalter einbringt, werde dort die Vermehrung von Bakterien direkt gestoppt.

Verfahren für keimfreie Lebensmittel

Keine Viren

Mit Blick auf eine Virus-Pandemie sieht das Forschungsteam vom Fraunhofer Umsicht bislang keine Anwendungsmöglichkeiten ihrer neuen Methoden.

Die natürlichen „QQ-Stoffe“ ließen Viren unbeeindruckt, heißt es. Ob Kohlendioxid auch antivirale Eigenschaften habe, sei noch nicht erforscht.

Sogar für Lebensmittel kann sich das überkritische CO₂ eignen. „Bei Flüssigkeiten, etwa bei Orangensaft, ist die Behandlung mit Kohlendioxid sogar üblich, um Bakterien abzutöten“, erläutert Mölders. Ziel ist es nun, das Verfahren auch auf Lebensmittel wie getrocknete Tees und Gewürze, Erdnüsse, Trockenfrüchte- und fleisch oder Milchpulver zu übertragen. Bei diesen Themen arbeitet das Institut Umsicht mit der Universität Alberta in Kanada zusammen – auf dem amerikanischen Kontinent hat es bereits häufiger Fälle von Salmonelleninfektionen nach Verzehr von Erdnüssen oder Mandeln gegeben. Bereits gelungen ist den Forschern, per Einsatz von CO₂ und pflanzlichen Ölen Mandeln keimfrei zu bekommen – ohne ihre Qualität dabei zu beeinträchtigen.