Gelsenkirchen. Corona in sozialen Brennpunkten – ein Dauerthema. Die Stadt klärt über verschiedene Kanäle auf. SPD und CDU fordern den Einsatz von Impfbussen.
Seit einigen Tagen gibt es eine Debatte und sie wird im Ruhrgebiet teils hitzig geführt. Die Auslöser: Corona-Infektionszahlen sollen bei Personen mit einem Migrationshintergrund vergleichsweise hoch sein, die Impfbereitschaft jedoch niedrig. Zudem sei die Corona-Lage in den sozialen Brennpunkten vieler Städte wohl angespannter als in anderen Quartieren. Wo liegen mögliche Gründe und was lässt sich dagegen unternehmen? Diese Fragen werden auch in Gelsenkirchen diskutiert.
Statistisch werde selbstverständlich nicht erhoben, ob Impfwillige in Gelsenkirchen einen Migrationshintergrund hätten, sagte Klaus Rembrink, der hiesige Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) vor kurzem – „aber wie auch meinen Kollegen in den Impfzentren der Region ist mir aufgefallen, dass Migranten in Relation zu ihrem Anteil an der Stadtbevölkerung auch in Gelsenkirchen deutlich unterrepräsentiert sind“.
Was andere Ruhrgebietsstädte geplant haben
Jüngst wünschten sich Mitglieder des Integrationsrates gegenüber dieser Redaktion, mehr aufzuklären und weniger zu spalten.
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In einigen Ruhrgebietsstädten gibt es Maßnahmen, um Personen aus sozialen Brennpunkten und mehrsprachigen Communities besser erreichen zu können. Durch Duisburg-Hochheide fahren mit Lautsprechern beladene Wagen des Ordnungsamtes und verkünden in fünf verschiedenen Sprachen Hinweise zum Schutz vor dem Virus. Mülheim möchte 25.000 mehrsprachige Handzettel in drei Stadtteilen verteilen. Oberhausen plant, solche Flyer über Schulen und Kitas auszugeben, wenn sie wieder offen sind. Und Gelsenkirchen?
Wie die Stadt Gelsenkirchen verschiedene Schichten erreichen möchte
Sprecher Martin Schulmann führt die städtische Aufklärungsarbeit nochmals auf. „Es läuft eine ganze Menge auf unterschiedlichen Ebenen“, betont er. Die Stadt versuche, möglichst viele verschiedene Kanäle zu aktivieren und spricht unter anderem mit Gemeinden. Diese wiederum hätten Kontakte zu einem großen Personenkreis über Whatsapp-Gruppen und leiten die Informationen weiter, meint Schulmann. Der Schutz vor dem Virus werde dort sehr ernstgenommen.
Was sich Armin Laschet vorgenommen hat
Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident, hat am vergangenen Mittwoch Impfaktionen mit einer Informationskampagne und mobilen Teams in sozialen Brennpunkten von Großstädten angekündigt. Die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken, sei in beengten Wohnverhältnissen größer als im großzügig angelegten Einfamilienhaus, sagte er demnach im Landtag NRW.
Hohe Inzidenzwerte, so Laschet, dürften nicht von der Postleitzahl abhängen. Er verwies auf große Unterschiede in Stadtvierteln von Köln. Konkreter wurde der CDU-Politiker dabei nicht. Auch das nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium konnte dazu am Mittwoch keine konkrete Angaben machen.
Er fügt an, dass auch durch Gelsenkirchen bereits Fahrzeuge mit Lautsprecheranlagen gefahren seien und schon Flyer verteilt worden sind. Die Stadt möchte die Leute persönlich erreichen. „Wir setzen aufs Menschliche“, so Schulmann, der deshalb die Sozialarbeiter und Schulen hervorhebt: Sie würden in der Pandemiezeit ebenfalls wichtige und gute Arbeit leisten, um verschiedene Schichten zu erreichen.
Und wie schaut es mit einer speziellen Impfkampagne in sozialen Brennpunkten aus? Das Problem hierbei sei die Impfpriorisierung, sagt Schulmann. Aus Stadtsicht ergebe es zurzeit wenig Sinn, zum Impfen aufzurufen – denn Betroffene könnten momentan gar nicht geimpft werden. Die Vakzine fehlen (noch), Bund und Land konzentrieren sich auf andere Altersschichten. Mit einer jetzt angeschobenen Impfkampagne würde die Stadt „den Frust bei angesprochenen Personen womöglich befeuern“, denkt Schulmann.
SPD und CDU fordern den Einsatz von Impfbussen
Die Priorisierung könnte jedoch irgendwann im Sommer aufgehoben werden. Die Zeit bis dahin solle sinnvoll genutzt werden, fordern Téuta Abazi (SPD), die Vorsitzende des Integrationsrates, und Birgit Lucht, die Sprecherin der CDU-Fraktion in diesem Gremium. Sie pochen auf den Einsatz von Impfbussen in Gelsenkirchen. Das teilten sie am Donnerstagnachmittag in einer gemeinsamen Erklärung mit.
„Nicht nur im pädagogischen Bereich ist der Grundsatz, ‘die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen’, ein erfolgreiches Mittel, um viele Menschen aktiv einzubinden und gegebenenfalls vorhandene Hürden zu überwinden“, meint Abazi. „Durch den Einsatz von Impfbussen kann zusätzliche Aufklärungsarbeit geleistet werden und es können mehr Menschen mit der Impfung erreicht werden.“
Solche Impfbusse sollten von Gesichtern aus den Quartieren begleitet und unterstützt werden, so die Idee. Die Standorte der KOD Bürger-Sprechstunden würden sich hierfür anbieten, heißt es in der Erklärung: Zur besseren Effektivität des Einsatzes von Impfbussen solle vor allem auf Impfstoffe zurückgegriffen werden, die nur einmal verimpft werden müssen. Einen entsprechenden Antrag wollen die CDU-Fraktion, die SPD-Liste im Integrationsrat und die SPD-Fraktion in der nächsten Sitzung des Integrationsrates einbringen.
Coronainfektionen: Allgemeine Lebensumstände sollten mit betrachtet werden
Bei der ganzen Debatte sollten zudem nicht ausschließlich Migrationshintergründe beleuchtet werden. Allgemeine Lebensumstände, so Stadtsprecher Martin Schulmann, seien ebenfalls wichtige Indikatoren. Hierzu gehören die Arbeits- und Wohnsituationen, die sich naturgemäß von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden und in sozialen Brennpunkten herausfordernder sein können. Es müssten also verschiedene soziale Faktoren betrachtet werden.
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