Gelsenkirchen-Hassel. 150 Haushalte in Hassel hatten über eine Woche lang Internet- und TV-Ausfälle – der Grund ist einigermaßen kurios. Was hinter dem Vorfall steckt.

Verzweiflung bei Familie Kocabas: Fast zwei Wochen lang hatten sie keinen Internetzugang. Nichts ging mehr, die drei schulpflichtigen Kinder konnten nicht am Distanzunterricht teilnehmen. „Eine Katastrophe“, sagt Özlem Kocabas (43). Auch Nachbarin Heidi Zenker war zehn Tage lang von sämtlichen Kanälen abgeschnitten. Eine Nachfrage beim Netzanbieter Vodafone ergibt: Sie waren nicht die einzigen.

150 Haushalte in der Bußmanstraße, dem Howeg, dem Röttgersweg, der Oberfeldinger Straße und dem Ellerweg waren laut Vodafone betroffen. Bei ihnen fielen Internet, Telefon und Fernsehen entweder aus oder sie hatten einen sehr schlechten Empfang. Der Kern des Problems: Die Verteileranlage hatte einen Defekt und musste repariert werden. Sie befindet sich aber nicht im öffentlichen Raum, sondern in einem Privathaus – und der Eigentümer wollte die Techniker nicht hineinlassen.

Konflikt mit dem Hauseigentümer: Techniker können Verteiler nicht reparieren

Dass ein Verteiler in einem Privathaus stehe, sei ein „ganz normales Vorgehen“, erklärt Vodafone-Sprecher Volker Petendorf. Der besagte Verteiler entspreche der sogenannten „Netzebene 4“. Das ist der Teil des Breitbandkabelnetzes, der zur Signalübermittlung innerhalb von Gebäuden errichtet wird – das „Hausnetz“ also. Es sei aber nicht nötig, in jedem Wohnhaus einen solchen Verteiler zu installieren, meint Petendorf. Deshalb gebe es in vielen Fällen einen Eigentümer, der sich bereiterkläre, das Gerät für eine Vielzahl von Kunden in seinem Haus anzuschließen.

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Damit gehen normalerweise vertraglich vereinbarte Rechte und Pflichten einher. Unter anderem die Pflicht, dem von Vodafone beauftragten Dienstleister vor Ort zur Wartung oder Reparatur Zugang zu dem Verteiler zu gewähren. Doch hier kam es zum Konflikt. Denn der Hauseigentümer habe die zuständigen Techniker mehrfach nicht ins Haus gelassen, schildert Petendorf. Der Grund: Es habe „Punkte gegeben, die er mit Vodafone klären wollte“.

Kein Internet: Kinder können nicht am Distanzunterricht teilnehmen

Und das mitten in einer globalen Pandemie – in der man fürs Einkaufen per „Click and Collect“ online Termine vereinbaren muss und auch sonst mehr Zeit im Internet verbringt als gewöhnlich. All das sei ihr aber gar nicht so wichtig, sagt Kocabas: „Wichtig sind nur die Kinder.“ Drei ihrer fünf Kinder, zehn, 14 und 16 Jahre alt, besuchen die Gesamtschule Buer-Mitte und konnten nicht am Distanzunterricht teilnehmen. Der älteste bereitet sich gerade auf die Abschlussprüfung nach Klasse 10 vor, die im Mai ansteht.

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„Ich musste die Kinder ständig für ihr Fehlen im Unterricht entschuldigen“, schildert Kocabas. Die Lehrer hätten zum Glück sehr verständnisvoll reagiert. Das ändere aber nichts daran, dass die Kinder wichtigen Stoff verpasst hätten. „Wir haben Lösungen gesucht, mal waren sie zum Beispiel bei meiner Schwester und haben ihr WLAN benutzt. Aber wir sind in einer Pandemie, da können die Kinder nicht jeden Tag zu anderen Leuten nach Hause.“ In den vergangenen 14 Tagen habe sie viel Geld in Extra-Datenvolumen fürs Handy investiert.

Gelsenkirchenerin bemängelt Kundenservice von Vodafone

Nachbarin Heidi Zenker beklagt derweil: „Bei uns im Haus wird gerade umgebaut, da ist man sowieso schon angespannt – und dann hat man auch noch so lange kein Internet, Fernsehen und Telefon.“ Ein großes Ärgernis für die 64-Jährige: „Ich habe zwölf bis 14 mal am Tag bei Vodafone angerufen, nie konnte mir jemand erklären, was genau los ist. Man wurde immer nur von A nach B vermittelt.“ Auch im Nachgang habe sie keine Entschuldigung des Mobilfunkkonzerns erhalten.

Özlem Kocabas (l.) und Heidi Zenker waren beide vom Internet-Ausfall betroffen. Nun sind die Gelsenkirchenerinnen sauer.
Özlem Kocabas (l.) und Heidi Zenker waren beide vom Internet-Ausfall betroffen. Nun sind die Gelsenkirchenerinnen sauer. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Auch auf Facebook löste das Thema eine riesige Diskussion aus, Mitglieder der Gruppe „Gelsenkirchen-Hassel“ tippten sich die Finger wund. Ein Beitrag vom 20. April mit der Frage „Funktioniert eurer Internet-Zugang wieder?“ und wütenden Emojis hat allein 72 Kommentare. „Unser Internet ist auch nach wie vor nach einer Woche nicht da“, schrieb eine Nutzerin.

Einigung vor Ort in Gelsenkirchen-Hassel: Vodafone vermittelte

„Dadurch schadet man nur Kindern! Können nicht am Distanzunterricht teilnehmen. Da fällt mir nix zu ein“, hieß es von dem anderen Gruppenmitglied. Sogar Drohungen gegen den Hauseigentümer gab es – ob ernst gemeint oder nicht, sei dahingestellt: „Ein Hausbesuch wäre angebracht“, schrieb ein Nutzer.

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Als die Fronten nach über eine Woche immer noch verhärtet schienen, entsandte Vodafone am Freitag (23. April) Mitarbeiter, die vor Ort zwischen dem Hauseigentümer und den Technikern vermitteln sollten. Man habe alles daran gesetzt, eine „einvernehmliche Lösung“ zu finden, sagt Sprecher Volker Petendorf. Offenbar mit Erfolg: Vor Ort gab es eine Einigung, am Freitagnachmittag durften die Techniker schlussendlich ins Haus und konnten den Verteiler reparieren.

Gelsenkirchenerin: „Ich habe wirklich Angst, dass das noch einmal passiert“

Özlem Kocabas ist dennoch nicht besänftigt. Sie hat mittlerweile einen Vertrag bei einem anderen Anbieter abgeschlossen. Auch auf die Gefahr hin, dass sie ihren Vodafone-Vertrag nicht sonderrechtlich kündigen kann und doppelt zahlen muss. „Ich habe wirklich Angst, dass das noch einmal passiert“, sagt sie. „Wenn die Eigentümer des Hauses zum Beispiel im Urlaub sind – was mache ich dann?“