Gelsenkirchen. Cannabis, Tilidin, Ecstasy: Drogenkonsum ist unter Gelsenkirchener Teenagern seit Jahren ein Problem. Das sagen Polizei und Suchtberatung.

  • Drogenkonsum bei Jugendlichen ist in Gelsenkirchen ein Problem, das seit Jahren nicht kleiner wird. Die Polizei hat den Eindruck, dass die Akzeptanz von Drogen sogar steigt.
  • Eine Suchtberaterin warnt: Gerade Mischkonsum, also die Einnahme mehrer Substanzen, ist auf dem Vormarsch.
  • Dabei seien nicht bloß Teenager aus sozial schwächeren Familien betroffen, so die Beraterin: „Drogenkonsum gibt es in allen Gesellschaftsschichten.“

Im Ecstasy-Rausch auf die Intensivstation, Todesangst, zwei Tage Krankenhaus, und das alles mit 15 Jahren: Die Geschichte von Lara, Wattenscheiderin und Schülerin an der Gesamtschule Ückendorf, lässt aufhorchen und wirft ein Schlaglicht auf Drogenkonsum in einem sehr jungen Alter. Wo liegen die Probleme in Gelsenkirchen?

Aus Sicht der Gelsenkirchener Polizei sind Drogendelikte bei Jugendlichen ein Problem, das seit Jahren nicht kleiner wird. „Gefühlt ist der Drogenkonsum, auch unter Jugendlichen, gesellschaftlich akzeptiert“, so ein Sprecher. Außerdem habe die Polizei den Eindruck, dass es immer einfacher werde, sich Betäubungsmittel zu verschaffen.

Die Zahl der von Jugendlichen unter 18 begangenen Drogendelikte liegt in Gelsenkirchen seit 2015 relativ konstant zwischen 41 und 63 pro Jahr. 2020 zählte die Polizei insgesamt 46 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, bei denen Jugendliche die Täter waren. Die meisten davon geschahen im Zusammenhang mit Cannabis, weit weniger mit Ecstasy und Kokain.

Vor allem der Cannabis-Konsum bei Jugendlichen nimmt zu

Barbara Röhrig ist Diplom-Sozialpädagogin und Suchtberaterin bei der Gelsenkirchener Drogenberatung „Kontaktcentrum“. 218 Klienten haben dort 2020 Hilfe gesucht. 2021 sei bereits eine deutliche Steigerung spürbar, sagt Röhrig. Auch Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren kommen zur Beratung ins Kontaktcentrum. Sie machen zehn Prozent des gesamten Beratungsaufkommens aus.

Röhrig hält fest: „Drogenkonsum bei Jugendlichen ist seit Jahren ein unverändert großes Problem.“ Gestiegen sei in den letzten Monaten die Zahl der Eltern, die bei der Drogenberatung Hilfe für ihre Kinder suchten.

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Vor allem Cannabis werde unter jungen Leuten immer mehr konsumiert, weiß die Suchtberaterin. Aber auch Benzodiazepine – verschreibungspflichtige Schlaf- oder Beruhigungsmittel, die als Drogen missbraucht werden – oder schmerzstillende Opioide wie Tilidin oder Oxycodon seien bei jungen Konsumenten im Kommen. In der Party- und Techno-Szene sei wiederum der Konsum von Ecstasy oder LSD verbreitet.

Gelsenkirchener Suchtberaterin: Trend geht zum Konsum verschiedener Drogen

Eine weitere Entwicklung: „Der Trend geht zur Polytoxikomanie, also zum Konsumieren verschiedener Substanzen“, so Röhrig. Welche Drogen verstärkt konsumiert würden, hinge häufig schlicht davon ab, was gerade auf dem Markt verfügbar sei. Gerade junge Menschen wüssten zudem, wo sie Drogen im Internet bestellen können, „teilweise sogar über Instagram.“

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Und: „Wir erleben eine hohe Risikobereitschaft. Die Jugendlichen nehmen zum Teil Drogen, ohne überhaupt zu wissen, worum es sich überhaupt handelt“, berichtet Röhrig. Ein Klischee sei dagegen die Vorstellung, dass hauptsächlich Jugendliche mit Problemen oder schlimmer Kindheit Substanzen missbrauchten: „Das ist gar nicht so häufig der Fall. Viele nehmen etwa Drogen, weil es im Freundeskreis alle machen oder weil sie es einfach ausprobieren wollen.“

„Drogenkonsum gibt es in allen Gesellschaftsschichten“

Lehrer und Eltern sollten sich außerdem nicht vormachen, dass Drogen ein Brennpunkt-Problem seien und beispielsweise an den Gymnasien keine Rolle spielten, so Röhrig: „Natürlich gibt es Faktoren wie Armut oder Isolation, die Drogenkonsum begünstigen. Trotzdem gibt es ihn in allen Gesellschaftsschichten. Die oberen Schichten nehmen erfahrungsgemäß dann eher Kokain, Menschen mit weniger Geld greifen zu Amphetaminen.“

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Achim Elvert, Schulleiter der Gesamtschule Ückendorf, betont indes, dass es gerade für Lehrer mitunter gar nicht so leicht sei, die Drogenprobleme von Schülern zu identifizieren. „Bei uns ist es schon vorgekommen, dass Schüler erkennbar unter dem Einfluss von Substanzen standen. Ansonsten sind wir aber darauf angewiesen, dass sie oder ihre Freunde von sich aus einen Lehrer um Hilfe bitten. Das passiert nur sehr selten.“

Gelsenkirchener Rektor zu Drogenkonsum auf dem Schulhof: Hohes Dunkelfeld

Die Alarmglocken gingen beispielsweise an, wenn bei Schülern Persönlichkeitsveränderungen feststellbar seien, sie wiederholt zu spät zur Schule kämen oder ganz dem Unterricht fernblieben. „Aber das alles kann auch sehr viele andere Gründe haben als Drogenkonsum“, gibt Elvert zu bedenken. Eine Aussage darüber, wie verbreitet Drogen unter seinen Schülern seien und ob der Konsum in den vergangenen Jahren zugenommen habe, könne er deshalb kaum treffen: „Ich gehe von einem hohen Dunkelfeld aus.“