Gelsenkirchen. . 1978 gründeten Frauen das Kontaktcentrum für gefährdete Jugendliche. Warum es noch heute wichtig ist für Gelsenkirchen? Eine Betroffene erzählt

Damals, so erzählt es Munevera Ackermann, war Not. Die jungen Leute schossen sich weg, voll aus dem Leben, voll kaputt: „Die brauchten Hilfe!“ Die resolute Frau handelt. Mit einer Gruppe von Gleichgesinnten gründet sie 1978 den Verein „Sucht – Jugend – Kommunikation“ mit einer Anlaufstelle für gefährdete Jugendliche in der Munckelstraße 23. Über die Jahre wird daraus die Kontaktcentrum/Drogencafé mit seinem heutigen Sitz an der Weberstraße bzw. Ringstraße. Eine Einrichtung, die Ackermann noch immer leitet. Die aus Gelsenkirchen nicht mehr wegzudenken ist.

Rumpfbesetzung für riesige Probleme

„Als wir angefangen haben, gab es im Kontaktcentrum eine Stelle und zwei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“, erzählt Ackermann. Rumpfbesetzung für Menschen mit riesigen Problemen. Heute arbeiten in Beratung und Drogencentrum zwölf pädagogische Kräfte und 19 Langzeitarbeitslose.

Eine von ihnen ist Beatrix Kimm (49). Beatrix Kimm ist ein Fantasiename. „Wenn in der Zeitung stehen würde, wie ich richtig heiße, würde jeder erfahren, was mit mir los war. Das will ich nicht!“

Totgeburt im neunten Monat

Was mit Beatrix Kimm los war, ist tatsächlich schwer auszuhalten. Schon als Kind wird sie von Heim zu Heim gereicht. Als sie mit Anfang 20 ihren Mann kennenlernt, hat sie bereits eine kleine Tochter.„Wir haben geheiratet, alles war ok, dann ist er tödlich verunglückt.“ Kimm bricht zusammen, verliert das gemeinsame Kind. „Totgeburt im neunten Monat. Ich habe versucht, die Traurigkeit wegzudrücken.“ Morgens Beruhigungstabletten, dann Marihuana, dann ein neuer Freund aus der Szene, härtere Drogen, schlimmere Abstürze. Und eine Tochter im Teenageralter, die inzwischen auch Drogen nimmt. Als ihr Freund ins Gefängnis kommt und sie feststellt, dass sie wieder schwanger ist, wacht Kimm auf. „Ich habe zu meiner Tochter gesagt: Entweder wir ändern jetzt etwas, oder wir sterben alle.“

Nur noch Haut und Knochen

Beatrix Kimm und ihre Tochter steuern das Drogencafé an. „Ich habe erst mal nur ein Brötchen gegessen. Ich war ja nur noch Haut und Knochen.“ Dann, langsam, beginnen die Gespräche. Kimm fasst Vertrauen zu den Mitarbeitern, beginn mit einer Therapie, hält den Kontakt. Auch nach der stationären Behandlung bleibt das Kontaktcentrum ihr Anker. Kimm: „Ich musste lernen, meine Konflikte nicht mit Drogen zu lösen, sondern durch Gespräche. Das ist ein langer Prozess. Das schafft man nicht von heute auf morgen.“

Inzwischen arbeitet Kimm zweimal die Woche oben in der Beratungsstelle, ist eine feste Stütze für Leiterin Munevera Ackermann, die Kimm als „außergewöhnliche Person“ beschreibt. „Ohne das Kontaktcentrum wäre ich verloren gewesen. Es war lebensrettend für mich!“, sagt Kimm, die inzwischen auch Großmutter ist. „Hier werde ich so angenommen, wie ich bin. Hier weiss ich, dass die Menschen auf meiner Seite sind.“

<<<Geschichte des Centrums

  • In der Anfangszeit gab es im Kontaktcentrum vor allem Kreativangebote. 1992 wurde ein niederschwelliges Beratungs- und Kontaktangebot entwickelt. Darauf folgte die Anerkennung des Landes NRW als Drogenberatungsstelle.


Heute wird in vier Fachbereichen beraten, zudem gibt es Gruppenangebote für Frauen und Männer.