Gelsenkirchen. Die Masken-Affäre erschüttert die Politik. Aber wie viel mehr Transparenz nötig ist, ist unter Gelsenkirchens Bundestagsabgeordneten strittig.

Nach der Affäre um horrende Provisionen bei Schutzmasken-Geschäften fordern auch Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete (MdBs), dass Nebeneinkünfte von Mandatsträgern transparenter gemacht werden sollten.

„Wir brauchen strengere Regeln – und zwar jetzt“, sagte der SPD-Abgeordnete Markus Töns, dessen Fraktion jüngst einen „Zehn-Punkte-Plan für mehr Transparenz“ vorgelegt hat. Dazu gehört unter anderem der Vorschlag, dass Nebeneinkünfte auf den Cent genau veröffentlicht werden sollen oder neben der Höhe der Nebenverdienste auch angegeben wird, wie viel Zeit eine Nebentätigkeit in Anspruch nimmt. „Die Wählerinnen und Wähler sollten schon wissen, ob man sich voll einsetzt oder keine Zeit hat, weil man in vier Aufsichtsräten sitzt“, so Töns.

Grüne: SPD-Vorschläge für mehr Transparenz kommen spät

Grünen-MdB Irene Mihalic dagegen kritisiert, dass die Vorschläge der SPD erst jetzt kommen. Ihr seien aus den vergangenen acht Jahren keine Initiativen der SPD bekannt, die mehr Transparenz bei den Nebeneinkünften einfordern würden. Dennoch sei es erfreulich, „wenn die SPD durch die Affäre in der Union endlich Mut gefasst hat, ebenfalls strengere Regeln zu fordern.“

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Als Grünen-Fraktion habe man in der Vergangenheit viele Vorschläge zu strengeren Regeln eingebracht, die von der Großen Koalition jedoch fortlaufend blockiert worden seien. „Dazu gehört auch unsere Forderung, Nebeneinkünfte auf Euro und Cent genau offenzulegen. Des Weiteren fordern wir striktere Veröffentlichungspflichten bei Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen - das müsste uns doch spätestens der Fall von Philipp Amthor gelehrt haben.“ Amthor (CDU) wurde vorgeworfen, Lobbyarbeit für eine US-Firma gemacht zu haben, für die er auch nebenberuflich tätig war.

Linken-MdB Remmers fordert ein klares Lobbyregister

Linken-Politikerin Ingrid Remmers schlägt in dieselbe Kerbe und fordert „volle Transparenz über die Einkünfte, Beiträge und Spenden und damit verbundenen Interessen von Abgeordneten.“ Der aktuelle Skandal um die CDU/CSU-Abgeordneten zeige, dass eine Offenlegung der finanziellen Verhältnisse überfällig sei.

Töns erhielt Anfragen

Auch der SPD-Abgeordnete Markus Töns gibt an, Anfragen zweier Firmen aus der Region erhalten zu haben, die in der Corona-Krise neue Geschäftsmodelle entwickelt hatten. Eine Firma habe sich der Entwicklung von Tests gewidmet, die andere habe Desinfektionsspender für Großveranstaltungen verkaufen wollen.

„Ich habe dann Kontakt zum Gesundheitsministerium hergestellt – und das war’s“, sagt Töns. So sei es unter Abgeordneten üblich. „Wenn jemand eine Idee hat, leite ich diese an die zuständige Stelle weiter.“ Ob sich etwas aus dem Kontakt entwickelt habe, sei ihm jedoch nicht bekannt.

„Dies würde, neben einem klaren Lobbyregister, helfen, um Interessenverflechtungen aufzuzeigen und damit auch die Glaubwürdigkeit in politische Handlungsträger und –trägerinnen verbessern.“ Union und SPD hatten sich zuletzt zwar bereits auf ein Lobbyregister geeinigt, in das sich Lobbyisten eintragen müssen. Allerdings geht dies der Opposition nicht weit genug. Worüber und mit wem gesprochen wird, bleibe weiter verbogen.

Oliver Wittke (CDU): „Ich bin für volle Transparenz“

Auch Gelsenkirchens ehemaliger Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU), der vor wenigen Tagen seine Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilienausschusses angetreten ist und sein Bundestagsmandat zum 30. April niederlegen wird, spricht sich für strengere Regeln aus. „Ich bin für volle Transparenz, da nur so ein Missbrauch des Mandats ausgeschlossen oder zumindest massiv erschwert werden kann“, sagt Wittke, der während seiner Amtszeit mehrere entgeltliche Nebentätigkeiten aufrechterhalten hatte.

Auch er habe nichts gegen eine centgenaue Veröffentlichung von Nebeneinkünften. „Ich weise aber darauf hin, dass sie wahrscheinlich nur mit zeitlicher Verzögerung erfolgen kann, da Entschädigungen von Sitzungen oder Boni nicht regelmäßig erfolgen.“ Wichtig sei, dass alle Abgeordneten gleich behandelt werden. Dies ist nach Auffassung von Wittke insbesondere bei Rechtsanwälten mit entsprechenden Verschwiegenheitspflichten schwierig.

Buschmann (FDP): Bereits heute kann man sich ein Bild über Einkünfte machen

Der Gelsenkirchener FDP-Abgeordnete Marco Buschmann hält strengere Transparenzregeln hingegen nicht für zwingend notwendig. „Wenn der Bundestag die vollständige Veröffentlichung beschließen sollte, halte ich das für problemlos“, so der parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen. Allerdings sei es bereits heute über die Transparenzpflichten möglich, sich ein Bild über die Größenordnung der Einkünfte von Abgeordneten zu machen.

Diese werden dem Bundestagspräsidenten beitragsgenau gemeldet, allerdings nur stufenweise veröffentlicht. So umfasst die erste Stufe etwa einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte von 1000 bis 3500 Euro und die zehnte Stufe Einkünfte über 250.000 Euro.

Der Vertreter der AfD-Gelsenkirchen im Berliner Parlament, Jörg Schneider, hat bislang als einziger MdB nicht auf die Anfragen der WAZ geantwortet.