Gelsenkirchen. Vom Emscher-Lippe-Index Elix bis zur Befragung der Gelsenkirchener Wirtschaftsförderung: So schätzen lokale Betriebe ihre Lage im Lockdown ein.

Wie wirkt sich die Pandemie auf Handwerk und Handel, Industriebetriebe und Dienstleister aus? Dieser Frage sind Handels- und Handwerkskammer, aber auch die Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen in speziellen Umfragen nachgegangen. Der Elix, der Emscher-Lippe-Index als Wirtschaftsbarometer für die Region, hat ebenfalls den aktuellen Trend abgefragt.

Index zeigt überraschend positiven Trend auf

Der Elix als regionaler Konjunkturindikator liegt aktuell mit rund 110 Punkten „überraschend über dem Wert der Herbstumfrage 2020“ (90 Punkte) und auch über dem Niveau zum Jahreswechsel 2019/2020 (101 Punkte). „Es ist erfreulich, dass trotz der anhaltenden Corona-Pandemie und den massiven Einschränkungen durch den Lockdown ein positiver Trend in der Emscher-Lippe-Region zu erkennen ist“, sagt Michael Hottinger, Geschäftsführer der S-Private Banking Gelsenkirchen GmbH, die den Elix mit der Industrie- und Handelskammer Nord-Westfalen herausgibt.

Bei Gelsenkirchener Unternehmen herrscht Unsicherheit

Teile der Industrie und die Bauwirtschaft sind stabilisierende Faktoren in der Region, sagt Jochen Grütters, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen und Leiter des Standorts Emscher-Lippe der IHK in Gelsenkirchen.
Teile der Industrie und die Bauwirtschaft sind stabilisierende Faktoren in der Region, sagt Jochen Grütters, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen und Leiter des Standorts Emscher-Lippe der IHK in Gelsenkirchen. © IHK Nord Westfalen | IHK Nord Westfalen

Jochen Grütters, Leiter des Standorts Emscher-Lippe der IHK Nord Westfalen in Gelsenkirchen, sieht insbesondere weite Teile der Industrie und die Bauwirtschaft als stabilisierenden Faktor in der Region. „Insgesamt sprechen die Daten mehr dafür, dass 2021 in der Emscher-Lippe-Region ein Jahr der Erholung als ein Jahr der Ernüchterung wird“, glaubt Grütters. Die Zahl der Unternehmen, die ihre Geschäftslage als gut einschätzen, ist gegenüber Herbst 2020 gestiegen, liegt aber noch immer unterhalb des Vorjahreswerts. Die weit überwiegende Mehrzahl der Unternehmen (60 Prozent) schätzt ihre Geschäftslage immerhin als befriedigend ein. „Ein so breites Mittelfeld hatten wir schon lange nicht mehr. Das deutet darauf hin, dass in vielen Unternehmen Unsicherheit vorherrscht“, so Hottinger.

Konjunkturrisiko Nummer eins: Die fehlende Nachfrage

Konjunkturrisiko Nummer eins ist die ausbleibende Nachfrage. Auf Platz zwei folgt der Fachkräftemangel knapp vor den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Hier sehen jeweils über 40 Prozent der Befragten Risiken für ihre Geschäfte, ergab die Elix-Umfrage. Sorge bereiten laut Grütters zudem Steuern und Abgaben, Bürokratie und Regulierungen. „Aber auch die Arbeitskosten und die Energie- und Rohstoffpreise“. Erstmals positiver sind wieder die Exporterwartungen.

Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen schreibt 690 Firmen an

Sparkasse und IHK befragen für den Elix zweimal jährlich repräsentativ rund 150 Unternehmen in der Region. Insgesamt 690 Firmen hat die Wirtschaftsförderung für ihre mit der Dortmunder Agentur „Moduldrei“ durchgeführte Befragung - die zweite große nach 2017 – angeschrieben. 190 Rückmeldungen sind eingegangen. Mit einer Rücklaufquote von mehr als „28 Prozent war die Resonanz ungewöhnlich hoch“, sagt Wirtschaftsdezernent Christopher Schmitt.

Die erhobenen Werte decken sich mit den „Ergebnissen bei anderen Befragungen“, sagt Stadtrat und Wirtschaftsdezernent Christopher Schmitt.
Die erhobenen Werte decken sich mit den „Ergebnissen bei anderen Befragungen“, sagt Stadtrat und Wirtschaftsdezernent Christopher Schmitt. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die Stichprobe umfasste Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe. Mehr als ein Drittel der Rückläufe kamen aus der Gastronomie, dem Einzelhandel oder dem Ladengewerbe, knapp 40 Prozent der Befragten führen Betriebe mit maximal zehn Mitarbeitern. Rund 28 Prozent der Teilnehmer agieren in den Nebenzentren wie Horst, Erle, Rotthausen oder Resse, 20,5 Prozent in Gewerbegebieten, knapp 18 Prozent in Buer, gut 15 Prozent in der Altstadt.

Ertragslage hat sich bei 60 Prozent der Firmen verschlechtert

Bei rund 60 Prozent der antwortenden Unternehmen haben sich die Ertragslage und die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen durch die Pandemie verschlechtert, 40 Prozent verschieben Investitionen. Aber immerhin bei zehn Prozent hat sie sich der Ertrag verbessert. Knapp 50 Prozent der Firmen mussten Kurzarbeit einführen, 40 Prozent haben Investitionsprojekte verschoben und ebenso viele Homeoffice eingeführt.

Diese Werte, so Schmitt, decken sich mit den „Ergebnissen bei anderen Befragungen“. Doch die lokale Wirtschaftsförderung suchte noch nach mehr Erkenntnisgewinn in Krisenzeiten. Beispiel Homeoffice. Fast ein Drittel der Unternehmen in Gelsenkirchen hat Arbeitsplätze ins Homeoffice verlagert. 87 Prozent geben jedoch an, das nicht dauerhaft tun zu wollen, 97 Prozent würden ihre Bürofläche nicht reduzieren. Schmitt leitet daraus ab, dass die Nachfrage auf dem Büroflächenmarkt sich daher nicht wesentlich verändern wird – nicht unwichtig für die Gewerbeplanung im Arena Park.

Digitalisierung und Social-Media gewinnen weiter an Bedeutung

Digitalisierungsprozesse haben sich in der Pandemiezeit beschleunigt. Nur die Hälfte der Unternehmen war technisch und infrastrukturell für die Verlagerung der Arbeitsplätze ins Homeoffice gut vorbereitet. Hier sei ein deutlicher Handlungsbedarf in den Unternehmen gegeben, stellt die Untersuchung fest.

Immerhin 64 Prozent der befragten Firmen hielten lokal den Breitbandzugang für ausreichend, 17 Prozent erkennen hier Versorgungs-Mängel. 24 Prozent bzw. 27 Prozent der Unternehmen sehen jedoch für sich einen höheren Investitionsbedarf in Software bzw. Hardware, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden, auch sehen sie höheren Bedarf an Social-Media-Aktivitäten.

Wo Wirtschaftsförderer mit Beratung und Angeboten ansetzen

Im Corona-Sommer 2020 wurde - angeregt von Stadt und City Initiative Gelsenkirchen - unter anderem auf dem Heinrich-König-Platz ein Pop-up Biergarten eingerichtet. Gastwirte begrüßen solche Maßnahmen zur Förderung von Handel und Gastronomie.
Im Corona-Sommer 2020 wurde - angeregt von Stadt und City Initiative Gelsenkirchen - unter anderem auf dem Heinrich-König-Platz ein Pop-up Biergarten eingerichtet. Gastwirte begrüßen solche Maßnahmen zur Förderung von Handel und Gastronomie. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Die Befragung zeigt deutlich, dass der Bedarf an spezialisierten Beratungsleistungen steigt und diese Beratungsangebote auch von der Wirtschaftsförderung der Stadt bereitgestellt werden müssen, stellt Stadtrat Christopher Schmitt fest. Die Palette reiche von der Finanzierungs- und Förderberatung (die wünschen sich immerhin 28,2 Prozent der Befragten) bis hin zur Unterstützung bei Digitalisierungsprozessen oder (10,3 Prozent) Rat zu Soforthilfen. Gerade Gastronomie und Einzelhandel wünschen sich (44,4 Prozent) weiterhin die Reduzierung von Sondernutzungsgebühren, knapp die Hälfte hält Pop-Up-Biergärten für eine gute Idee, die Mehrheit befürwort die Einführung eines Gutscheinsystem für Handel und Gastronomie.

Kompetenznetzwerk wird bislang kaum in Anspruch genommen

Immerhin 54 Prozent der befragten Firmen kennen auch bereits das lokale „Kompetenznetzwerk Wirtschaftshilfe Corona“. Nicht schlecht, bedeutet aber auch: „Über die Hälfte haben wir noch nicht erreicht“, so Schmitt. Auch die Wirkung ist bislang eher homöopathisch: Nur 1,87 Prozent der Befragten haben das Netzwerk bislang in Anspruch genommen.