Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchenerin Elisabeth Filimonow hat im Dezember ihre Tochter entbunden. Wie sie die Geburt in der Corona-Zeit erlebt hat.
Mit FFP2-Maske in den Kreißsaal? Die Geburt ohne den Vater durchstehen? Tagelang mit dem Baby im Krankenhaus bleiben, ohne die Geschwisterkinder des Neugeborenen in die Arme schließen zu können? Frauen, die in diesen Tagen ein Kind erwarten, haben mit noch größeren Sorgen und Unsicherheiten zu kämpfen als ohnehin schon. Eine, die die Geburt unter Corona-Bedingungen erlebt hat, ist die Gelsenkirchenerin Elisabeth Filimonow.
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Am 26. Dezember 2020 soll es soweit sein. Filimonow wird stationär im St. Marien-Hospital Buer aufgenommen. Um ihre anderen drei Kinder – drei, vier und fünf Jahre alt – kümmern sich Vater und Großeltern. Der errechnete Entbindungstermin ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Tagen verstrichen, die Geburt soll eingeleitet werden. Unruhe macht sich breit.
„Wenn man so alleine im Krankenhaus liegt, dann geht das Gedankenkarussell los“
„Ich bin ehrlich gesagt in keiner Schwangerschaft so richtig entspannt gewesen“, erzählt die medizinische Fachangestellte. „Mein erstes Kind kam mit einer Behinderung zur Welt und lag nach der Geburt zweieinhalb Monate auf der Intensivstation. Das hat mich sehr geprägt.“
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Wider Erwarten geht es am 26. doch noch nicht los, die Einleitung wird um einen Tag verschoben. Ein Tag, an dem ihr Mann aufgrund der Corona-Einschränkungen nicht zu Besuch kommen kann. „Wenn man so alleine im Krankenhaus liegt, dann geht das Gedankenkarussell los“, beschreibt die vierfache Mutter.
Vater darf erst unmittelbar zur Geburt ins Krankenhaus kommen
Bei ihrer ersten und dritten Geburt habe es Komplikationen gegeben, ihre Frauenärztin habe sie zudem davor gewarnt, dass auch bei diesem Kind die Gefahr einer Behinderung bestehe. „Solange ich mit meinem Mann telefoniert habe, ging es mir besser. Aber sobald ich aufgelegt habe, fingen die Sorgen wieder an“, erzählt Filimonow.
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Am 27. Dezember soll dann wirklich eingeleitet werden – immer noch ohne den Vater. Denn der darf erst unmittelbar zur Geburt ins Krankenhaus. „Das erste Mittel zur Einleitung hat nicht richtig gewirkt. Dann musste ich erstmal alle zwei Stunden zum CTG“, berichtet Filimonow. Wieder Nervosität, wieder Unruhe: „Da hört man im Kreißsaal die eine schreien und die andere stöhnen. Und natürlich fragt man sich: ‘Wann ist es bei mir soweit?’“
Bis zwei Stunden vor der Geburt noch FFP2-Maske getragen
Gegen Mittag bekommt die 35-Jährige ein anderes Mittel. Diesmal soll es mit der Einleitung klappen. Um 17 Uhr werden die Wehen stärker. „Ich weiß noch, wie die Hebamme gesagt hat: ‘Essen Sie noch was und tanken Sie ein bisschen Kraft’. Da konnte ich aber schon gar nichts mehr essen. Ich bekam Schüttelfrost, mir wurde übel.“
Noch bis zwei Stunden vor der Geburt trägt sie eine FFP2-Maske. „Irgendwann ging es mir aber so schlecht, dass ich gesagt habe: ‘Ich muss mich übergeben, wenn ich die Maske nicht abnehme’.“ Die zuständige Ärztin habe ihr dann versichert, dass das in Ordnung sei, weil die Gesundheit von Mutter und Kind an oberster Stelle stehe – und bei einer Geburt kommt es eben stark darauf an, dass man richtig atmen kann.
Nur der Kindsvater darf für eine Stunde am Tag zu Besuch kommen
19 Uhr ist es, als endlich Filimonows Mann angerufen wird. Eine halbe Stunde später ist das Baby bereits da: Eine Tochter, Klara soll sie heißen. „Mein Mann meinte: ‘Das war ja eine gute Geburt, so kurz’“, erzählt Filimonow lachend. Danach verbringt der Vater noch etwa eine Stunde mit Mutter und Kind. Mit ihnen im Krankenhaus bleiben darf er nicht, nur in den darauffolgenden Tagen für je eine Stunde im Zeitraum von 15 bis 17 Uhr vorbeikommen.
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„In dem Moment ist erst einmal riesige Last von meinen Schultern gefallen. Wir hatten ein fittes, gesundes Mädchen bekommen. Mehr wollte ich nicht“, sagt Filimonow. „Ich habe mir sogar eher Gedanken um meinen Mann gemacht – ob er gut nach Hause kommt und noch etwas isst.“
„Ich bin es nicht gewohnt, meine Kinder so lange wegzugeben“
Vater darf mit in den Kreißsaal
Im Kalenderjahr 2020 wurden im Marienhospital Gelsenkirchen 1851 Geburten, im Sankt Marien-Hospital Buer 1050 Geburten gezählt. Damit verzeichneten die Kliniken einen neuen Rekord.
Bei der Geburt in den beiden Kliniken dürfen Väter im Kreißsaal dabei sein. Der Partner oder eine Vertrauensperson dürfen Mutter und Kind außerdem täglich innerhalb eines festgelegten Zeitfensters besuchen.
Geschwisterkinder und andere Familienmitglieder oder Freunde müssen sich aber gedulden, bis Mutter und Baby zu Hause sind. Sie dürfen nicht zu Besuch kommen.
Dass sie bis zu ihrer Entlassung drei Tage später außer ihrem Mann niemand besuchen kann, empfindet sie einerseits als erleichternd: „Von den anderen Kindern war ich es gewohnt, dass ein Besucher nach dem anderen kam. Diesmal konnte ich wenigstens schlafen, wenn das Baby nicht gerade gestillt werden wollte.“
Doch ihre anderen drei Kinder vermisst die Mutter sehr: „Ich bin es gar nicht gewohnt, so lange ohne sie zu sein und fand es sehr schade, dass sie mich nicht besuchen konnten.“ Zwei Tage nach der Geburt hat sie ein richtiges Tief: „Da habe ich nur noch geheult.“ Umso größer ist die Freude, als sie alle sechs, gesund und glücklich, wieder zu Hause vereint sind.
Vorsorgeuntersuchungen häufig nur ohne den Mann
In der Corona-Zeit schwanger zu sein und ein Kind zu entbinden, so sagt Filimonow heute rückblickend, sei schon in vielerlei Hinsicht eine besondere Herausforderung gewesen. Mit Mund-Nasen-Schutz lange in Arztpraxen oder im Krankenhaus zu warten, das habe sie oft als kräftezehrend empfunden. Für die 35-Jährige besonders ärgerlich: Dass ihr Mann bei vielen Untersuchungen nicht dabei sein konnte: „So etwas möchte man eigentlich gemeinsam erleben.“
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