Gelsenkirchen. Seit Jahren beschweren sich Bürger über Müll Lärm und Tumulte. Gelsenkirchener Politiker ziehen ein bitteres Fazit und senden einen Hilferuf.

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Der jüngste Zwischenfall an der Markenstraße mit Zuwanderern aus Südosteuropa in Gelsenkirchen-Horst hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Zunächst brachte die FDP ihr „Entsetzen“ in der WAZ zur Sprache, dann zog die CDU nach und setzte das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Ordnungs- und Sicherheitsausschusses und jetzt ziehen die fünf Bezirksbürgermeister ein bitteres Fazit: Die Integration vieler Bulgaren und Rumänen sei gescheitert.

Stein des Anstoßes ist ein eskalierter Rettungseinsatz Mitte Januar. Rettungssanitäter waren zu einem jungen Mann gerufen worden, doch Verwandte und Nachbarn störten die Erstversorgung des Erkrankten. Die Sanitäter zogen sich zurück. Später versuchten laut Polizei 50 bis 60 Personen zu verhindern, dass der mittlerweile Verstorbene aus der Wohnung geholt werden konnte.

Müll, Lärmbelästigung, Tumulte und das Geschäft mit den Problemhäusern

Das Haus, in dem sich das Drama abspielte, wird vor allem von Familien aus Südosteuropa bewohnt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie unangenehm auffallen.

Nachbarn berichten, dass es immer wieder zu massiven Müllproblemen kommt. Ein Video auf YouTube von 2019 zeigt eine Massenschlägerei zwischen Bulgaren, bei der Frauen und Männer mit allem aufeinander einschlagen, was ihnen in die Hände fällt.

Auch an anderer Stelle im Stadtgebiet kommt es seit Jahren zu massiven Beschwerden, wenn sich Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien in größeren Gruppen - meist in günstigen und heruntergekommen Immobilien - niederlassen. Im Kern geht es immer um das selbe: Vermüllung, Lärmbelästigung, Tumulte.

Dabei werden die Zuwanderer nicht selten selber Opfer rücksichtsloser Geschäftemacher, die die Schrottimmobilien zu Preisen an bulgarische und rumänische Familien vermieten, die sie sonst dafür nicht bekommen würden. Wohlwissend, dass die Zuwanderer aus Südosteuropa nur schwerlich an eine vernünftige Wohnung auf dem freien Markt herankommen.

"Sicherung des sozialen Friedens"

Das Geschäft mit den Problemhäusern ist hinlänglich bekannt. Wo immer es geht, versucht die Stadt mit Fördermitteln solche Häuser aufzukaufen und abzureißen oder zu sanieren.

Doch alle Bemühungen der Verwaltung, die enormen Probleme zu lösen, reichen offensichtlich nicht aus. Und das, obwohl Gelsenkirchen infolge der EU-Südosterweiterung im Jahre 2007, sogar eine "Stabsstelle Zuwanderung EU-Ost" errichtet hat. Ihr Ziel: "Sicherung des sozialen Friedens im Quartier, Regelvermittlung, zügige Sicherstellung gesellschaftlicher Teilhabe" der etwa 8000 Menschen aus Rumänien und Bulgarien.

"Gelsenkirchener wünschen sich weniger Vermüllung und mehr Ordnung."

Dennoch berichteten die Vertreter der Parteien unisono vor der Kommunalwahl im September 2020, dass sich die Gelsenkirchener vor allem eines wünschen: "Weniger Vermüllung und mehr Ordnung".

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Die Verursacher dieser Probleme allein in den Zuwandern aus Südosteuropa zu sehen, greift sicher zu kurz. Doch auffällig oft handelt es sich um diese Bevölkerungsgruppen, wenn sich Nachbarn und Anwohner bestürzt und verzweifelt Luft machen.

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Verstöße gegen Corona-Schutzverordnungen

Zuletzt auch immer wieder wegen massiven Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung: Zwei illegale Feiern mit bis zu 60 Gästen hat die Gelsenkirchener Polizei am 17. Januar aufgelöst. Beide Male hatten die Wohnungsinhaber einen rumänischen Migrationshintergrund.

Die Essener Polizei hat wenige Tage später einen Gottesdienst in einer ehemaligen neuapostolischen Kirche aufgelöst: Über 90 Personen nahmen nach Angaben der Polizei dort teil und hielten sich nicht an die Vorgaben der Corona-Schutzverordnung. Der überwiegende Teil der Gottesdienstteilnehmer stammt aus Rumänien und wohnt in Gelsenkirchen.

"Es ist mittlerweile nicht mehr attraktiv, hier zu leben."

Ein Nachbar der Häuser an der Bismarckstraße 260 bis 266 wandte sich vor wenigen Tagen hilfesuchend an die WAZ und berichtet ebenfalls von Müll, der immer wieder "auf die Straße oder auf den Hof geworfen wird" und von einer "nicht auszuhaltenden Lärmbelästigung", vor allem in den warmen Monaten. "Das Lebensumfeld hat sich hier in den letzten Jahren durch den Zuzug aus Südosteuropa massiv verschlechtert. Es ist mittlerweile nicht mehr attraktiv, hier zu leben."

Bezirksbürgermeister senden Hilferuf

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"Es muss dringend eine Lösung her", fordern deshalb nun auch die fünf Bezirksbürgermeister Gelsenkirchens. "Wir haben allesamt schlechte Erfahrungen mit Problemhäusern und mit dem Verhalten der darin lebenden Menschen gemacht", heißt es in einer gemeinsam formulierten Erklärung, die unserer Redaktion vorliegt.

Seit Jahren berichteten Bürger, dass sie sich immer häufiger "massiv belästigt und sogar bedrängt fühlen", so die ehrenamtlichen Bürgermeister. Nicht wenige Menschen hätten deshalb bereits ihre Nachbarschaft oder sogar Gelsenkirchen verlassen.

"Bisher sind alle Bemühungen gescheitert"

"Bisher sind alle Bemühungen, eine nachhaltige Verbesserung der Situation zu erreichen, gescheitert", konstatiert der Bezirksbürgermeister des Stadtbezirks Gelsenkirchen-West, Joachim Gill (SPD) und erinnert an die Worte von Ex-Oberbürgermeister Frank Baranowski.

"Das gute Zusammenleben in den Kommunen wird gefährdet"

Baranowski hatte, wie der vor ähnlichen Problemen stehende Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (beide SPD), schon früh erkannt, welche Gefahr für das Zusammenleben in den Städten durch die Integrationsprobleme der Zuwanderer aus Südosteuropa entstehen.

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„Es kann nicht sein, dass mit dem Schicksal von Menschen aus Südosteuropa und ihren schwierigen Lebensumständen unter Ausnutzung europäischer Regelungen Geld gemacht wird und Sozialsysteme ausgehöhlt werden – und dass dabei, quasi als Nebeneffekt, das gute Zusammenleben in den Kommunen gefährdet wird", hatte Gelsenkirchens Ex-Stadtoberhaupt noch im Mai 2019 erklärt.

In seiner 16-jährigen Amtszeit in Gelsenkirchen hatte Baranowski häufig mit dem Thema zu tun. Bis heute kann auch er nur versuchen zu erklären, warum gerade das Müllproblem nicht abgestellt werden konnte.

"Ein Teil der hier lebenden Rumänen und Bulgaren kommt aus Gebieten, wo es kaum bis keine geordnete Müllentsorgung gibt und sie verhalten sich hier ähnlich wie zu Hause. Zusätzlich gibt es Hausbesitzer, die an der Größe der Mülltonnen und damit an den Gebühren dafür sparen und der Müll wird dann von den Mietern anderweitig entsorgt. Und dann gehört bei einigen Zugewanderten aus Südosteuropa das Schrottsammeln auch teilweise zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die verwertbaren Bestandteile werden vermarktet, der Rest...", so Baranowski.

Bezirksbürgermeister fordern OB und Abgeordnete auf, tätig zu werden

Gebessert hat sich bisher augenscheinlich nicht viel. Nicht nur an der Gemarkenstraße in Horst kommt es weiterhin zu massiven Beschwerden. Auch in Bismarck und in Schalke-Nord, rund um die Emmastraße etwa, karrt der städtische Reinigungsdienst weiterhin Müllberge aus den Grünwegen, vom Bolzplatz und der Straße.

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"Wir bleiben weiter intensiv bei der Sache und werden dabei auch Oberbürgermeisterin Karin Welge, den Bundestagsabgeordneten Markus Töns sowie die Landtagsabgeordneten Heike Gebhard und Sebastian Watermeier (alle SPD) in die Pflicht nehmen", versprechen die Bezirksbürgermeister angesichts der anhaltenden Probleme.