Gelsenkirchen. Jetzt müssen die Eltern entscheiden, für Gelsenkirchener Schulen ist der Montag einer „Wundertüte“. Die Folgen der späten Politik-Entscheidung
Die Schulmail des NRW-Bildungsministerium kam am Freitagnachmittag kurz nach Schulschluss, wie fast immer seit Ausbruch der Pandemie. Dabei gelten die neuen Anweisungen darin schon ab Montag. Seit Sonntagmittag heißt es nun ausdrücklich, alle Schülerinnen und Schüler sollten möglichst ab dem 16. Dezember bis zum 10. Januar zuhause betreut werden. Noch am Mittwoch hatte die NRW-Ministerin Yvonne Gebauer vehement gegen Wechselunterricht oder gar reinen Distanzunterricht gewettert. Bildungsdezernentin Anne Heselhaus spricht von einer Riesen-Herausforderung für Schulen, Kitas, Eltern und Kinder. Es gab kaum Möglichkeiten, die Schüler mit Unterrichtsmaterial für daheim zu versorgen, oder die Eltern zu bitten, sich für Präsenzunterricht oder Homeschooling für die Zeit bis zu den vorgezogenen Weihnachtsferien zu entscheiden.
Entscheidung in letzter Sekunde weitergereicht
Und die Eltern? Sie dürfen/müssen nun selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder bis Jahrgang sieben in dieser Woche daheim behalten (können) oder in die Schule schicken. Ob sie die Betreuung kurzfristig organisieren können, ob ihr Kind vielleicht daheim zu viel verpasst, weil es im Präsenzunterricht besser unterstützt werden kann. Die Eltern-Whatsapp-Gruppen laufen derzeit heiß: Es geht um Betreuung, aber auch darum, was mit den anstehenden Klausuren wird. Ob sie geschrieben werden oder nicht, denn auch das überlässt die Ministerin den Schulen beziehungsweise Lehrern selbst.
Auch interessant
Für Schulleiter heißt das: alle Informationen auf die Homepage bringen, inklusive der Aufforderung, den Elternwunsch schriftlich anzuzeigen. „Ich möchte Sie herzlich bitten, alle Eltern und Erziehungsberechtigten so schnell wie möglich mit den notwendigen Informationen zu versorgen“, heißt es in der Mail aus Düsseldorf von Freitagnachmittag, aus der die Schulen von der neuen Ansage erfuhren. Immerhin hatten die meisten es ja zuvor schon aus den Medien erfahren.
Wie viele Kinder am Montag in die Schule kommen, weiß niemand
Auch interessant
„Bei den Jahrgängen eins bis sieben weiß nun niemand, welche Schüler am Montag kommen und welche nicht. Den Kitas geht es ähnlich. Und bei der Ganztagsbetreuung ist auch noch unklar, wer sie in Anspruch nehmen wird. Angeboten werden muss sie auf jeden Fall, auch an den beiden vorgezogenen Ferientagen 21. und 22.“, erklärt die Dezernentin das Dilemma.
Notpakete kommen am Montag
Die angekündigten ersten Notpakete mit zehn iPads je Schule für Kinder, die daheim keine Endgeräte für das Distanzlernen zur Verfügung haben, werden am Montag an die Schulen verteilt, kündigt die Dezernentin an. Montag will sie sich auch mit den Schulformsprechern über das weitere Vorgehen absprechen. „Eigentlich ist das weitere Vorgehen jetzt eine schulinterne Angelegenheit, in die wir als Schulträger nicht eingebunden sind. Aber ich möchte abfragen können, wo Unterstützung gebraucht wird, will die Schulen und Kitas nicht alleine lassen“, verspricht Heselhaus.
Viele praktische Fragen bis hin zum Mittagessen im Ganztag ungeklärt
Ulrike Purz, Leiterin der Gesamtschule Buer-Mitte, hatte mit ihrem Leitungsteam die Konferenz am Freitag im Live-Stream verfolgt, um so früh wie möglich informiert zu sein. Am Dienstag bereits hatte es an der Schule eine Fortbildung zur weiteren Intensivierung der IServ-Kenntnisse für den Distanzunterricht gegeben. „Den hatten wir ja die ganze Zeit bei den Kindern, die in Quarantäne waren“, erklärt Purz. Ihr Team sei darauf gut vorbereitet, alle Eltern seien per IServ und über die Homepage informiert. Das Abholen der Lernmaterialien soll gesteuert werden, ebenfalls über IServ. Nachschreibklausuren der Q2 werden stattfinden, der Rest wird verschoben. Was noch unklar ist: Was ist mit dem Mittagessen der Ganztagsschulen? Wie viel gebraucht wird, weiß niemand vor Montag. Aber der Caterer braucht Ansagen.
Gesamtschullehrer sind gut vorbereitet – Problem bleibt technische Ausstattung daheim
Auch interessant
Auch an der Gesamtschule Ückendorf (GSÜ) gab es bereits eine Intensivfortbildung zum Distanzunterricht. Von daher ist man auch hier gut vorbereitet, die Jahrgänge acht bis 13 werden nach Stundenplan in Distanz unterrichtet. Allerdings ist Schulleiter Achim Elvert skeptisch, was die technischen Möglichkeiten mancher Schüler daheim angeht. Die 120 schuleigenen Laptops sind nur in der Schule nutzbar, die anderen sind noch nicht da. An der GSÜ werden die Klausuren in der Oberstufe wie geplant geschrieben, allerdings verteilt auf mehrere Räume, die Klausuren in den anderen Jahrgängen entfallen.
Gesamtschulleiter: Wir brauchen Wechselunterricht bis zu den Osterferien
Ein Problem, das für alle Schulen gilt, ist der Doppelunterricht. Kinder im Präsenz- und Distanzunterricht müssen eigentlich parallel unterrichtet werden, das gibt die Zahl der vorhandenen Lehrer jedoch nicht her, die technische Ausstattung per direkter Zuschaltung auch eher nicht. Helfen würde eine Zusammenlegung der Klassen vor Ort – entgegen allen bis heute durchgehaltenen Prinzipien an der Schule, Zusammenlegungen zu vermeiden. Am Montag will Schulleiter Elvert mit dem Kollegium nach einer Bestandsaufnahme der präsenten Schüler entscheiden, wie verfahren wird. „Der Montag wird eine Wundertüte für uns!“, klagt Elvert. Die Entscheidung für den Lockdown begrüßt er: „Aber wir brauchen jetzt eine klare Strategie für die eigentliche Winterzeit. Die kalten und nassen Monate kommen am Ende des Lockdowns. Aus meiner Sicht ist zwingend ein Unterricht in halben Klassen bis zu den Osterferien geboten“, fordert er.
Frank Kaupert, Leiter des Gauß-Gymnasiums, hat zwar schon einige Abmeldungen bekommen von Eltern, rechnet aber trotzdem damit, dass die meisten am Montag in die Schule kommen. Die Information via IServ sei unproblematisch, versichert er. Auch er fordert jedoch eine Langzeitstrategie ein.
Informations-Probleme bei Familien ohne Deutschkenntnisse
Über Klausuren entscheidet jede Schule selbst
Die Schulpflicht besteht für alle Schüler weiterhin. Allerdings dürfen Eltern von Kindern vom ersten bis siebten Jahrgang selbst entscheiden, ob sie ihr Kind in die Schule schicken oder zuhause lernen lassen. Diese Entscheidung muss einmal für die gesamte Zeit bis zu den Schulferien getroffen und schriftlich der Schule erklärt werden. Die Formulare dazu haben die Schulen auf ihre Homepage gestellt oder über IServ den Eltern zugestellt.
Schüler der Klassen acht bis 13 müssen ab Montag, 14. Dezember, grundsätzlich in den Distanzunterricht wechseln. Welche der noch geplanten Klausuren geschrieben werden und welche nicht, entscheidet jede Schule selbst. Viele Gelsenkirchener Schulen haben ihr Vorgehen bereits auf ihrer Homepage veröffentlicht.
Die letzte Aussage von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet empfiehlt Eltern, möglichst Schüler ALLER Jahrgänge ab dem 16. Dezember daheim lernen zu lassen. Dies ist aber eine Empfehlung, die für Kinder bis zum siebten Jahrgang inklusive nicht verbindlich ist. Sie beziehungsweise die Eltern haben die Wahl – wenn sie die Betreuung der Jüngeren gewährleisten können. Wenn nicht, dürfen Sie auf die Angebote in der Schule zurückgreifen. Gleiches gilt für die Kindertagesstätten.
Thorsten Seiß, Leiter der Grundschule an der Kurt-Schumacher-Straße, wird alle Regeln inklusive der Aufforderung an die Eltern, sich schriftlich zu erklären, für die kommenden Tage auf die Homepage der Schule stellen. „Aber wie viele Eltern das verstehen werden, weiß ich nicht.“ An seiner Schule wird in vielen Familien wenig deutsch gesprochen. Natürlich versuchen auch Lehrer, Eltern auf anderen Wegen zu erreichen. Aber nicht bei allen funktioniert das. Und so wird das Kollegium das Wochenende auch am Kopierer verbringen, um Aufgaben für jene unbekannte Zahl von Kindern parat zu haben, die nicht in die Schule kommen. „Wir kalkulieren mit halber Klassenstärke etwa“, erklärt Seiß.
Feste Zeitfenster, um Lernmaterial abzuholen
An der Sternschule konnten die Kinder naturgemäß ebenfalls nicht mehr mit Materialien fürs Distanzlernen versorgt werden. Am Montagfrüh können Eltern, die ihre Kinder daheim lernen lassen möchten, sich zu festgelegten Zeiträumen – nachlesbar auf der Homepage – die Materialien an der Schule abholen. Einige Abmeldungen von Kindern sind bei Schulleiterin Sabine Wild bis Sonntag bereits eingegangen. Wieviele Schüler am Montag wirklich vor Ort lernen möchten, ist auch hier noch nicht wirklich absehbar.
Schulamtsdirektorin Petra Bommert, als Schulaufsicht für Grundschulen in Gelsenkirchen zuständig, versichert, dass die Grundschulen auf den geteilten Unterricht in Distanz und Präsenz grundsätzlich vorbereitet sind. Der „Probelauf“ waren die vielen Kinder, die zwischenzeitlich immer wieder mal in Quarantäne daheim gelernt haben, während die anderen in der Schule waren.
- Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung zum Coronavirus in Gelsenkirchen in unserem Newsblog