Düsseldorf. Viele NRW-Städte wollen die Klassen teilen, um die Abstände zwischen den Schülern zu vergrößern. Doch das Land sperrt sich einem generellen Okay.
Mehr als zwei Wochen nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin über besondere Gegenmaßnahmen in so genannten Corona-Hotspots herrscht in Nordrhein-Westfalen noch immer Unklarheit.
Das Gesundheitsministerium hatte zwar am Mittwoch einen Maßnahmenkatalog für Städte und Kreise mit sehr hohen Infektionszahlen vorgelegt. Doch sollen konkrete Verschärfungen erst noch im Einzelfall zwischen Land und Kommunalverwaltung abgesprochen werden. Als „Hotspot“ gelten Städte mit einer Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche. Hier hatte die Bund-Länder-Runde schon am 25. November schärfere Corona-Maßnahmen verabredet, „um kurzfristig eine deutliche Absenkung des Infektionsgeschehens zu erreichen“.
Zu Laumanns Instrumenten gehört die Möglichkeit, Kontaktbeschränkungen auf zwei Personen im öffentlichen Raum zu verhängen, die Maskenpflicht zu erweitern oder Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zu verbieten. Als neuralgischer Punkt erweist sich weiter der Bildungsbereich. Während andere Bundesländer in „Hotspots“ den automatischen Wechsel in eine Klassenteilung mit zeitweiligem Distanzunterricht vorsehen, um Abstandsregeln besser einhalten zu können, will NRW allenfalls „schulscharf“ einen Teil der Kinder zu Hause lernen lassen.
Kein genereller Wechselunterricht an Schulen: Unverständnis an der Basis
Das Unverständnis an der Basis über die Landesregierung wächst. In Gelsenkirchen fordert die Große Koalition aus SPD und CDU die Freiheit, Klassenteilungen und Präsenzunterricht möglichst ab Klasse 7 im täglichen Wechsel stattfinden zu lassen. An den Grundschulen müsse es überdies eine generelle Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung geben. (Textlink)
Auch Duisburg will die Kompetenz erhalten, den Mindestabstand in Schulklassen verbindlich auf mindestens 1,5 Meter festzulegen. Das soll ab Klasse 8 gelten, ausgenommen wären davon Abschlussklassen. „Wichtig ist uns, dass wir im Falle einer dynamisch ansteigenden Entwicklung gerüstet sind, ohne in aufwändige Klärungsprozesse mit dem Land einsteigen zu müssen“, erklärte eine Stadtsprecherin.
Mehrere Kommunen planen Weichen für Wechselunterricht an Schulen
Hagen behilft sich mit einem gestaffelten Schulstart, um das Gedränge in Bussen zu entzerren. Mülheim will erst am Montag über weitergehende Maßnahmen beraten, weil sich die hohe Inzidenz vor allem mit klar lokalisierbaren größeren Corona-Ausbrüchen in zwei Altenheimen erklären lasse.
Die Bereitschaft der Landesregierung und der Bezirksregierungen, Wechselmodelle in Schulen zuzulassen, ist offenbar weiter gering. Dabei haben sich nach Informationen unserer Redaktion inzwischen mehrere Städte zusammengeschlossen, die gegen die Zögerlichkeit des Landes aufbegehren: So wollen neben Duisburg (7-Tages-Inzidenz laut RKI am Donnerstag 208,7) auch Bielefeld (Inzidenz 193,3), Hagen (220,5), Solingen (211,0), Hamm (141,7) und Herne (204,5) „Allgemeinverfügungen“ beschließen. Allgemeinbildende Schulen könnten dann stadtweit nach Bedarf Wechselunterricht (vormittags und nachmittags, tage- oder wochenweise) sowie Hybridunterricht (Mischung aus Präsenz- und Onlineunterricht) einführen.
Ärgernis Behörden-Wirrwarr
Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) begründet den Vorstoß mit den weiter sehr hohen Inzidenzzahlen in seiner Stadt, selbst wenn sie aktuell wieder unter die magische Schwelle von 200 gesunken seien. Die Kommune habe bei ihrer Entscheidung sorgfältig zwischen Infektionsschutz und Bildungschancen abgewogen.
Wie schwer sich die Behörden damit tun, Wechselunterricht sogar an einzelnen Schulen zu erlauben, zeigt ein Fall aus Lünen. Die dortige Käthe-Kollwitz-Gesamtschule hatte mit den Eltern ein Konzept für rollierenden Unterricht entwickelt, der ermöglichte, dass nur die Hälfte der Schüler einer Klasse anwesend war. Dies galt auch für Abschlussklassen. Die Bezirksregierung Arnsberg zwang die Schule, zum Präsenzunterricht zurückzukehren, weil NRW für Abschlussklassen ausdrücklich Präsenzunterricht einfordert. Nur für die Klassen 8 und 9 mache das rollierende System aber keinen Sinn, so die Schule. Schulleitung und Eltern sind enttäuscht und befürchten nun, dass der Schulbetrieb wegen der Rückkehr zum Präsenzunterricht womöglich komplett eingestellt werden muss. Der Kreis Unna, zu dem Lünen gehört, erreicht aktuell eine Wocheninzidenz von rund 179,8.