Gelsenkirchen. Der 17. Rat der Stadt hat seine Arbeit aufgenommen, OB Karin Welge wurde vereidigt. Zum Auftakt gab es gleich Ärger – über einen AfD-Antrag.

Fast sechseinhalb Jahre liegt die letzte konstituierende Ratssitzung zurück. So lange dauerte bislang keine Legislaturperiode. Der 17. Rat der Stadt ist seit Donnerstag im Amt. Und mit ihm nun auch ganz offiziell Karin Welge, Gelsenkirchens erste Oberbürgermeisterin. Um 16 Uhr, eine Stunde nach Sitzungsbeginn, sprach sie die Eidesformel, nahm die Glückwünsche der Parteien entgegen, bekam etliche Blumensträuße überreicht – natürlich von SPD und CDU, den Grünen, auch von der AfD.

Erste Oberbürgermeisterin in der Geschichte Gelsenkirchens

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Wie schon im Juni 2014 eröffnete der CDU-Stadtverordnete Werner-Klaus Jansen, 77, als Altersvorsitzender die Sitzung. „Politik wirkt sich an keinem Ort so unmittelbar auf das Leben der Menschen aus wie in der Kommune. Sie tragen dazu bei, wie politisches Handeln wahrgenommen wird“, wandte er sich an die Parlamentarier und erinnerte sie an ihre Vorbildfunktion: „Demokratie lebt von Kompromissen“, so der 77-Jährige. Durchhaltevermögen und eine glückliche Hand wünschte Jansen allen Beteiligten und fügte einen Appell an: „Machen sie unsere Stadt zu einem besseren Ort.“

Rudowitz und Wöll wiedergewählt

In geheimer Wahl wurden in der ersten Ratssitzung auch die Bürgermeister gewählt. Martina Rudowitz (SPD) und Werner Wöll (CDU), aufgestellt auf einer gemeinsamen Liste, werden für eine weitere Legislaturperiode die Ämter übernehmen und die Oberbürgermeisterin vertreten. Die AfD benannte mit Friedhelm Rikowski einen eigenen Kandidaten. Er bekam zwölf Stimmen, 73 entfielen auf Rudowitz und Wöll.

Live-Streams und Direktübertragungen von Ratssitzungen sind eine alte Forderung der Grünen, die sie in dieser Ratsperiode endlich umgesetzt sehen wollen. Einen entsprechenden Antrag stellten sie zur Ratssitzung, ebenso Die Partei. Entschieden wurde Donnerstag nicht. Das Thema wird den Rat im Dezember beschäftigen.

Größer, voller, auch bunter: Zehn Parteien stellen nun Stadtverordnete. Der neu gewählte Rat tagte erstmals in Gelsenkirchen im Hans-Sachs-Haus.
Größer, voller, auch bunter: Zehn Parteien stellen nun Stadtverordnete. Der neu gewählte Rat tagte erstmals in Gelsenkirchen im Hans-Sachs-Haus. © FFs | Ingo Otto

Der ersehnte Schwung und der Reiz des Neuen bekamen zum Auftakt schon einen ersten Dämpfer. Fast 45 Minuten lang wurde zunächst über die äußerst übersichtliche Tagesordnung debattiert. Ein Auslöser: Die AfD hatte eine Schweigeminute für die Terroropfer des Anschlags in Wien beantragt. Mit dem Ansinnen fand sie keine Mehrheit, aber viel Widerspruch. „Ich möchte nicht zulassen, dass das Andenken an die in Wien verstorbenen Menschen durch die AfD für deren rassistische und durchschaubare Ideologie instrumentalisiert wird“, gab Franziska Schwinge für die Grünen den Ton der Kritiker vor.

Längere Diskussion über die Tagesordnung

88 Stadtverordnete hat der neue Rat. 44 von ihnen sind erstmals gewählt worden. Es ist eng geworden im Hans-Sachs-Haus. Und anders als je zuvor: Die Sitzreihen im Ratssaal wurden mit Kunststoffbarrieren coronakonform ausgestattet, alle Parlamentarier trugen bei der Sitzung Mund-Nase-Schutz. An die neue Sitzordnung wird sich mancher noch gewöhnen müssen: AUF neben Die Partei, Tierschutz hier neben der CDU, die Grünen und die AfD mit jeweils elf Mandatsträgern bilden nun größere Blöcke, die SPD-Reihen sind deutlich geschrumpft.

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Als „gute Balance aus Erfahrung und Neuanfang“ wertet OB Welge den neuen Rat – und kleidete ihre angekündigte Politik der Einladung und offenen Hand noch einmal in Worte: „Ich will sie einladen, dieses Mandat mit dem anzunehmen, was zu einem Abenteuer gehört – mit der unverzichtbaren Lust am Entdecken und Gestalten. Mit Freude und Zuversicht. Ich möchte sie einladen, sich offen und mit Engagement auf diese Aufgabe einzulassen; sich vertraut zu machen mit den Gepflogenheiten und Spielregeln, die zu diesem Gremium gehören und an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Ich möchte sie einladen, sich einzubringen und konstruktiv mitzuwirken in der gemeinsamen Arbeit. Sie alle werden eigene Ideen mitbringen, neue Fragen stellen – und das kann diesem Gremium nur guttun“.

Zusammenleben in Nachbarschaften und Stadtteilen fördern

Auftritt mit Distanz: Coronakonform gratuliert OB Karin Welge Martina Rudowitz (l) und Werner Wöll zur Wahl. Die beiden sind wieder Bürgermeister.
Auftritt mit Distanz: Coronakonform gratuliert OB Karin Welge Martina Rudowitz (l) und Werner Wöll zur Wahl. Die beiden sind wieder Bürgermeister. © Stadt GE

Welge machte deutlich, welche Aufgaben sie sieht: Eben für bestmögliche Bildung, für „zukunftsträchtige Arbeitsplätze, für die ökologische Transformation in den Bereichen Mobilität, Wirtschaft und Energie zu sorgen, das Zusammenleben in den Gelsenkirchener Nachbarschaften und Stadtteilen“ zu unterstützen und zu fördern.

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Am Ende stand Welges Wunsch, kritisch und konstruktiv zusammenzuarbeiten, „mit Freude an der Arbeit und mit Respekt voreinander, in einer angenehmen und freundlichen Atmosphäre zwischen allen demokratischen Parteien und Kräften – und nicht allein zwischen den beiden Fraktionen, die sich darauf schon vorab verständigt haben.“

Der Auftakt im Rat der Stadt ließ offen, ob die Botschaft ankommt.