Gelsenkirchen. Adrianna Gorczyk und Peter Tertocha sind die neuen Fraktionschefs der Grünen. Mit den Groko-Plänen in Gelsenkirchen gehen sie hart ins Gericht.

Nun wird die Ampel doch nicht angeschaltet: Statt in einer Rot-Gelb-Grünen Koalition werden die Gelsenkirchener Grünen nun doch auf den Plätzen der Opposition Platz nehmen müssen – mit dem Anspruch, diese zu führen. „Wenn jemand die Opposition gestaltet, dann werden wir das sein, das werden wir sicher nicht der AfD überlassen“, sagt Adrianna Gorczyk (33), die nun gemeinsam mit dem neuen-alten Fraktionschef Peter Tertocha (60) die Grünen-Fraktion „in gleichberechtigter Doppelsitze“ leiten wird.

Dass die SPD nun doch eine Große Koalition mit der CDU anpeilt, können die beiden nicht nachvollziehen – erst recht nicht aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten, die man bis zuletzt in insgesamt fünf, teils bis zu siebenstündigen Sondierungsrunden festgestellt hatte. „Ich frage mich im Nachhinein, inwiefern die Gespräche von der SPD am Ende überhaupt noch ernst genommen wurden oder lediglich Alibi-Gespräche waren“, sagt Tertocha.

Grüne wollen Live-Übertragungen von Ratsdebatten als Erstes angehen

Das nun ausschlaggebende Argument für die GroKo, dass man sich zu zweit besser abstimmen könne, sei schließlich nicht erst in den Sondierungen aufgekommen. „Dabei hatten wir viel Geduld mit der SPD und den starken Willen gehabt, die Gespräche zu einem guten Ende zu bringen“, ergänzt Adrianna Gorczyk.

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Starten wollen die Grünen in ihrer Oppositionsrolle mit einem Antrag für mehr Bürgerbeteiligung. „Es wird um die Live-Übertragung der Ratssitzungen gehen“, verrät die studierte Theaterwissenschaftlerin. Ein altes grünes Thema. „Aber die geringe Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen ist ja ein entscheidendes Argument dafür, das endlich durchzusetzen.“ Tertocha sieht das Rats-TV als einen „Mosaikstein für mehr Bürgerbeteiligung“ in Gelsenkirchen. Viele weitere Bausteine will die neue Fraktion in den nächsten Jahren heranschaffen. „Man muss die Bürger bei vielen Planungen viel früher miteinbeziehen.“

Mehr Radikalität beim Thema Autoverkehr in Gelsenkirchen

Neben der Transparenz will die Öko-Partei ihren Schwerpunkt auf die Themen Klimaschutz und Mobilität legen – und das stellenweise ruhig noch größer gedacht als im Wahlprogramm. „Beim Thema Autoverkehr lohnt es sich, radikaler zu denken“, sagt Adrianna Gorczyk mit Blick auf einen jüngst öffentlich gemachten Antrag des ehemaligen Grünen-Politikers Bernd Matzkowski, der eine autofreie Innenstadt in Gelsenkirchen fordert. „Wir müssen den Autoverkehr in Gelsenkirchen neu denken“, fordert Gorczyk.

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Die neue Grünen-Fraktion, die statt vier nun aus elf Stadtverordneten besteht, bezeichnet die Fraktionschefin als „Gruppe mit großer Altersspanne und vielen unterschiedlichen politischen Stilen.“ Gorczyk erwartet, dass die Ratsarbeit dadurch „lebhafter, nicht unkontrollierter, aber spannender“ wird. Durch die Sondierungen mit SPD und FDP sei man in der neuen Runde in jedem Fall schon einmal stärker zusammen gewachsen. „Wir haben untereinander jetzt schon viel Vertrauen aufgebaut, obwohl am Anfang einige Bauchschmerzen hatten, die Ampel zu sondieren.“

Grünen-Fraktionschef: „Wir lassen uns nicht auf Umweltpolitik reduzieren“

Wahl im Kreisverband

Adrianna Gorczyk war Spitzenkandidatin für die Kommunalwahl und hat nun erstmals ein Ratsmandat. Sie ist nun nicht nur neue Fraktionschefin, sondern teilt sich aktuell zugleich den Kreisvorsitz der Grünen mit Jan Dworatzek.

Ihren Posten im Kreisverband will Gorczyk nun aber schnellstmöglich abgeben. Coronabedingt habe es noch keine neue Vorstandswahl gegeben, sie soll aber früh im nächsten Jahr stattfinden.

Ob man sich die Doppelspitze auch inhaltlich aufteilen wird, wissen Tertocha und Gorzyk noch nicht. „Wir stehen als Team für alle politischen Felder. Klar aber ist auch, dass Peter der Finanz-Experte ist, während ich beispielsweise engagierter im Kulturbereich bin“, sagt Gorzyk, die seit elf Jahren Mitglied der Grünen ist. Tertocha will in seinem Kerngebiet für einen Mentalitätswechsel werben. „Wenn nicht genug Geld zur Verfügung stand, wurde in der Vergangenheit immer zuerst bei Kultur, Bildung, Jugend oder Sport gekürzt. Wir sind aber der Ansicht: Das sind keine freiwilligen Leistungen, das ist Grundversorgung“, so der Diplom-Kaufmann. „Wir werden deshalb darüber reden müssen, wie man das wenige Geld auf alle Bereiche gleich verteilt.“

Welchen und wie vielen Ausschüssen die Grünen vorsitzen werden, wird wohl eine Frage des Zufalls. Weil die Grünen so viele Ratsmandate gewonnen haben wie die AfD, entscheidet das richtige Los, wer zwei der derzeit elf Fachausschüsse zuerst besetzen darf. „Klar aber ist“, so Tertocha, „dass wir uns nicht auf die Umweltpolitik reduzieren lassen werden.“