Gelsenkirchen. Die Stadt hat bisher keine Verstöße gegen das Prostitutionsverbot festgestellt. Experten befürchten dennoch, dass Sexarbeit illegal weitergeht.

Lange hatten Sexarbeiterinnen dafür gekämpft, nach dem ersten Lockdown wieder arbeiten zu dürfen. Etwa anderthalb Monate lang durften sie. Dann kam das erneute coronabedingte Prostitutionsverbot. Droht die Sexarbeit in Gelsenkirchen nun illegal weiterzugehen?

Bereits während des ersten Verbotes hatte der Unternehmerverband Erotikgewerbe Deutschland (UEGD) gewarnt, dass einige Sexarbeiterinnen aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage illegal weiterarbeiten würden. Wie Stadtsprecher Martin Schulmann auf Anfrage mitteilte, hat das Ordnungsamt seit Anfang November noch keine Verstöße gegen das coronabedingte Prostitutionsverbot festgestellt.

Stadt Gelsenkirchen: Hinweise auf illegale Prostitution ließen sich nicht bestätigen

„Vereinzelt sind zwar anonyme Hinweise auf illegale Prostitution bei uns eingegangen, die sich bei unseren Kontrollen jedoch nicht bestätigen ließen“, so Schulmann. Auch Anhaltspunkte oder Hinweise darauf, dass sich an bestimmten Orten illegale Prostitution ansiedele, lägen der Stadt derzeit nicht vor. 65 Prostituierte sind aktuell in Gelsenkirchen mit entsprechendem Ausweis gemeldet.

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Heike Köttner von der Beratungsstelle „Madonna“ in Bochum, die auch für Gelsenkirchen zuständig ist, befürchtet trotzdem, dass der Weg vieler Sexarbeiterinnen – genau wie während des ersten Lockdowns – in die Illegalität führe. Ein Grund dafür sei, dass Prostituierte die Corona-Soforthilfe des Landes nur selten in Anspruch nehmen könnten, obwohl sie formal zu den Solo-Selbstständigen gehören, die mit bis zu 5000 Euro gefördert werden.

Beraterin: Viele Sexarbeiterinnen konnten keine staatliche Hilfe in Anspruch nehmen

„Viele Sexarbeiterinnen sind gezwungen, ihre Steuern über das sogenannte Düsseldorfer Verfahren abzuführen – das heißt, über den Betreiber des Bordells, in dem sie arbeiten. Deshalb haben sie keine Steuernummer oder andere Nachweise über ihre Arbeit“, erklärt Köttner. Darüber hinaus könne die Sprachbarriere der vielen Prostituierten mit Migrationshintergrund beim Amt zum Problem werden.

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„Viele haben im ersten Lockdown gemerkt, dass sie illegal naturgemäß viel mehr Geld verdienen können“, weiß Köttner außerdem. Denn die Einkünfte in der Sexarbeit – nach allen Abgaben und Abzug der hohen Miete – seien eher gering: „Die bewegen sich nicht selten in der Höhe eines Minijobs.“ So sei zu befürchten, dass viele nun längerfristig illegal arbeiteten .

Ausländische Prostituierte reisten in ihre Heimatländer aus

Berufsverband kritisiert Verbot

Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) hat das erneute Prostitutionsverbot in einem Statement kritisiert. In der Sexarbeit arbeiteten viele Gruppen, die besonders schutzbedürftig seien , heißt es da: unter anderem Migrantinnen, alleinerziehende Mütter, obdachlose und suchtkranke Menschen.

Diese Prostituierten fielen häufig durch die Maschen des staatlichen Hilfesystems, könnten sich einen Arbeitsausfall nicht leisten und müssten illegal weiter arbeiten .

Der BesD fordert deshalb Ermöglichung sicherer und geschützter Arbeitsplätze auch während der Corona-Krise, unter anderem kostenlose Corona-Tests und Gesundheitsversorgung, auch ohne Krankenversicherung.

Aufgrund der Situation in Deutschland seien viele ausländische Frauen bereits im Frühjahr in ihre Heimatländer ausgereist und noch nicht wieder zurückgekehrt. „Hiergeblieben sind nur die, die keine andere Wahl hatten“, sagt Köttner. „Viele Sexarbeiterinnen sind inzwischen sehr ernüchtert.“ In der kurzen Zeit, in der Prostitution wieder erlaubt war, sei es nur wenigen gelungen, genug Geld zu verdienen, um die Zeit des erneuten Arbeitsverbotes zu überbrücken – zumal viele Kunden zögerlich geblieben seien.

Der Gelsenkirchener Hans-Jürgen Trost vermietet Im Sundern und an der Horster Straße Apartments an Sexarbeiterinnen. In seinen Häusern laufe alles sauber, sagt er: „Alle akzeptieren das Verbot, weil sie natürlich auch Angst vor Corona haben.“ Viele hätten Rücklagen, den Übrigen habe er finanziell geholfen, indem er ihnen die Miete erlassen habe. Er kritisiert jedoch ebenfalls, dass keine seiner Mieterinnen die Hilfe für Soloselbstständige erhalten habe: „Da sind die Frauen alleine gelassen worden.“

Gelsenkirchener Sex-Unternehmer: Apartments nur zur Hälfte belegt

Auch er bestätigt, dass viele Frauen während des Lockdowns ins Ausland ausgereist seien, weil sich Dableiben für sie einfach finanziell nicht rentiert habe: „Und als sie dann zurückkommen wollten, wurden sie am Düsseldorfer Flughafen gestoppt und für zwei Wochen in Quarantäne gesteckt.“ Aktuell seien seine Apartments deshalb immer noch nur noch zur Hälfte belegt.