Gelsenkirchen-Buer. Die Hochstraße in Buer hatte den Ruf, die „gehobene“ Einkaufsmeile der Stadt zu sein. Doch viele Einzelhändler klagen: Die Mieten sind zu hoch.

Iris Treiber hat das Handtuch geworfen: Die Inhaberin der Elras-Filiale in Buer hat in der vergangenen Woche ihr Geschäft an der Hochstraße geschlossen. Einer der Hauptgründe: die Miete. In Koblenz, wo Iris Treiber ebenfalls eine Elras-Filiale betreibt, zahle sie nur knapp die Hälfte von dem, was sie in Buer bezahle, sagt sie. In der Tat: Hohe Mieten sind ein Dauerthema in Buer.

„Viele Vermieter denken offenbar immer noch, sie seien hier an der Düsseldorfer Kö“, sagt Ole Siemienski. Er ist Vorsitzender der Buerschen Werbegemeinschaft und als Inhaber eines Modegeschäfts selbst Mieter: Er kennt die Probleme, die Einzelhändler im Gelsenkirchener Norden haben. „Gerne heißt es dann ,Diese Mieten haben wir immer schon bekommen’, aber Vermieter mit dieser Einstellung haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“

Optiker beklagt: „Buer ist austauschbar geworden“

In der Tat: Die Zeiten, in denen sich Buer und besonders die Hochstraße noch als „Edel-Einkaufsmeile“ im nördlichen Ruhrgebiet verstehen konnten, liegen schon einige Jahre zurück. Das Kaufhaus Karstadt beziehungsweise Hertie gibt es schon lange nicht mehr, mit den beiden Sinn-Leffers-Textilhäusern, die ebenfalls geschlossen sind, gibt es immer weniger „Ankermieter“, die so wichtig für eine funktionierende Innenstadt sind.

„Buer ist austauschbar geworden“, beklagt Michael Brauckmann. Bis vor einem Jahr hatte er ein Optik-Geschäft an der Ophofstraße („in 1B-Lage“), im September 2019 ist er in den Ruhestand gegangen. Mit 63 Jahren – er hätte auch noch einige Jahre weitermachen können, wie er sagt. „Die hohe Miete hat mir die Entscheidung aber dann leicht gemacht“, bilanziert er heute. Auch er sieht die Attraktivität von Buer bedroht. „Früher gab es hier viele kleine, inhabergeführte Läden“, sagt er. Doch die könnten die hohen Mieten im Gegensatz zu großen Filialisten oft nicht mehr bezahlen. „Aber gerade die Kleinen haben doch den Charme von Buer ausgemacht“, so Brauckmann.

Makler widerspricht: „Mieten sind immer noch human“

André Schulz ist Makler beim Unternehmen Eugen Lehmkühler, die Firma betreut im Auftrag der jeweiligen Besitzer mehrere Immobilien in Buer. Er hat eine andere Meinung: „Ich finde, dass die Mieten in Buer immer noch human sind – vor allem, wenn man sich die Kaufkraft vor Ort anschaut.“ Er sieht auch kein Problem darin, neue Mieter zu finden, wenn es einen Leerstand gibt. „Wir haben vorgemerkte Anfragen“, sagt er „Es ist nur schwer die konträren Vorstellungen der Mietinteressenten und der Vermieter auf ein einigungsfähiges Niveau zu bekommen. In der 1A-Lage in Buer muss nichts leer stehen – ausreichend Nachfrage ist vorhanden.“

In Gelsenkirchen seien Ladenmieten in den letzten Jahren laut Gewerbemietpreisspiegel des Immobilienverbands Deutschland (IVD) recht stabil geblieben, erläutert Jens von Lengerke von der IHK Nord-Westfalen. In einer 1A-Lage wie der Hochstraße zahlten kleinere Ladenlokale bis 60 Quadratmeter zwischen 60 und 70 Euro pro Quadratmeter, ab etwa 100 Quadratmeter betrage die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter zwischen 40 und 45 Euro. Das sind allerdings Mittelwerte, und sie gelten für ganz Gelsenkirchen: Insider wissen, dass in Buer auch gut und gerne einmal 80 Euro pro Quadratmeter aufgerufen werden – auch für kleinere Geschäfte.

IHK warnt vor einer Leerstandsquote über zehn Prozent

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Die IHK führt alle zwei Jahre sogenannte Passantenfrequenzzählungen durch. Die aktuelle Zählung hat gerade stattgefunden – die Datenauswertung liegt noch nicht vor. „Der langfristige grundsätzliche Trend zeigt allerdings nach unten“, sagt von Lengerke. Er warnt davor, dass die Kombination von gleichbleibend hohen Mieten und stetig sinkender Kundenzahl zu Geschäftsaufgaben und Leerständen führen kann. „Ab einer Leerstandsquote von zehn Prozent wird es gefährlich für einen Standort“, sagt von Lengerke. „Spätestens an diesem Punkt sollten sich Mieter und Vermieter einmal an einen Tisch setzen und über die Situation sprechen.“