Gelsenkirchen. Zum ersten Mal konnte Fridays for Future wieder eine Großdemo veranstalten. Zum Klimastreik kamen aber deutlich weniger Menschen als 2019.
Fridays for Future hat in der Gelsenkirchener Innenstadt für mehr Klimaschutz demonstriert. Anlässlich des Globalen Klimastreiks hatten die Aktivisten zu einer Kundgebung am Heinrich-König-Platz mit anschließendem Marsch durch die Stadt aufgerufen. Während sich beim Klimastreik 2019 mehr als 500 Menschen versammelt hatten, zählte die Polizei diesmal allerdings nur rund 50 Teilnehmer. Eine ernüchternde Bilanz: Die Stadt hatte 300 genehmigt.
„Wir sind froh, dass wir diese Demo heute machen können. Gleichzeitig sind wir traurig, dass wir sie machen müssen“, sagte Jan Bretinger (18), Gelsenkirchener Sprecher von Fridays for Future. „Letztes Jahr sind beim Globalen Klimastreik bundesweit 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gegangen – und trotzdem hat die Politik nichts getan.“ Er verwies auf die Forderung von Fridays for Future, Deutschland bis 2035 – und nicht, wie von der Bundesregierung vorgesehen, bis 2050 – klimaneutral zu machen.
Fridays-for-Future-Sprecher: Autoverkehr ist ein großes Problem in Gelsenkirchen
Gerade in Gelsenkirchen müsse in puncto Klimaschutz noch einiges passieren: „Die CO2-Emissionen durch den Autoverkehr sind hier ein besonders großes Problem“, erklärt Bretinger. „Der ÖPNV muss dringend gestärkt werden.“ Auch beim Ausbau der Solarenergie müsse viel getan werden. Mit Blick auf die niedrigen Teilnehmerzahlen verwies der 18-Jährige auf das schlechte Wetter, räumte aber auch ein: „Gelsenkirchen ist leider eine Stadt, wo man politisch wenig bewegen kann. Das geht auch anderen Gruppen so.“
Und in diesem Jahr ist eben alles anders als sonst. So begann der Globale Klimastreik nicht sofort mit der Kundgebung, sondern mit dem Vorlesen der Corona-Bestimmungen. Die Teilnehmer waren zum Tragen von Masken verpflichtet, ihre Daten wurden erfasst und damit sie sich sich auf dem Heinrich-König-Platz nicht zu nahe kamen, hatten die Veranstalter mit Kreide Kreuze auf den Boden gemalt.
Teilnehmerinnen haben das Gefühl, dass Klimaschutz in den Hintergrund gerückt ist
Katerina Amprazi war sich lange nicht sicher, ob sie zur Demo kommen sollte. Die 29-Jährige hatte sich Sorgen gemacht, dass zu viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen würden. Doch schließlich habe sie sich entschieden zu kommen und ein Zeichen zu setzen, sagte sie: „In meiner Instagram-Blase ist das Thema Klimaschutz immer präsent. Ich glaube aber, dass es bei vielen anderen in den Hintergrund gerückt ist.“
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Der Globale Klimastreik 2020
Unter dem Motto „Kein Grad weiter“ hat Fridays for Future am Freitag in über 450 Städten in Deutschland und an 3100 Orten weltweit für den Klimaschutz demonstriert. Der Streik ist die erste Großdemonstration der Klima-Bewegung seit Februar 2020.
Die Aktivisten appellierten an die Regierung, krisenbewusst zu handeln und den Kohleausstieg bis 2030 sowie die Klimaneutralität Deutschlands bis 2035 zu beschließen. In Berlin kamen 21.000 zusammen, in Hamburg 16.000, in Köln 10.000 und in Stuttgart 9.000.
Dieses Eindruck hat auch Clara Holtmannspötter. Die 23-Jährige ist gebürtige Gelsenkirchenerin, studiert aber momentan in Münster. „Dort gibt es zum Beispiel eine sehr gute Infrastruktur für Fahrradfahrer. In Gelsenkirchen überhaupt nicht“, berichtet sie. Nachdem der letzte Klimastreik von Fridays for Future im April nur digital stattfinden konnte, sagt Holtmannspötter: „Ich bin froh, dass wir jetzt wieder auf die Straße können.“
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Verdi unterstützte den Streik, mobilisierte aber wegen des Coronavirus nicht großflächig
Unterstützt wurden die Klima-Aktivisten wie schon im vergangenen Jahr von der Verdi-Jugend Mittleres Ruhrgebiet. „Für uns ist das wichtig, weil wir uns für gute Arbeitsbedingungen einsetzen. Wenn wir irgendwann nicht mehr gut leben können, sind gute Arbeitsbedingungen aber nur noch halb so viel wert“, erklärte Dana Wilimzik (25), Mitglied der Geschäftsführung. Gerade die Stärkung des ÖPNV unterstütze außerdem Verdis Tarifforderungen.
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Gleichzeitig wies Wilimzik aber darauf hin, dass Verdi mit Blick auf die Corona-Krise nicht so großflächig mobilisiert habe wie gewöhnlich: „Es ist wichtig, Flagge zu zeigen – aber nicht um den Preis des Infektionsschutzes.“ Und so ertönte der berühmte Sprechchor „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, etwas leiser als sonst, als die Demoteilnehmer ordnungsgemäß mit Maske und Mindestabstand losmarschierten.
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