Gelsenkirchen-Erle. Die Wurzeln der Familie Arens reichen bis ins 16. Jahrhundert. Sie lebten stets von und mit der Schaustellerei. Doch Corona macht das schwierig.
„Schausteller, das ist kein Beruf. Wir sind dazu geboren worden“, ruft Karl Arens aus. Dem Kopf der traditionsreichen Familie stehen Tränen in den Augen. Niemals habe es eine solche Krise gegeben. Dabei reichen die Wurzeln der Gelsenkirchener Schaustellerfamilie zurück bis ins 16. Jahrhundert. Die Vorfahren seien sogar im Krieg gereist. „Wenn sie kein Geld bekommen haben von den Kunden, dann Butter oder Brot.“
Gelsenkirchener Schausteller-Familie kämpft um das Überleben des Betriebs
Jetzt kämpft die gesamte Familie um das Überleben des Betriebs. Den haben vor Jahren schon die Söhne Jeffrey und Ricardo übernommen. Auch sie sind mit der Tradition groß geworden. Obwohl sie die erste Generation sind, die an nur einem Ort groß wird – in Erle. „Wir haben das Glück gehabt, bei unseren Großeltern aufzuwachsen“, erzählt Ricardo Arens und verrät: „Mein Bruder und ich wollten eigentlich keine Schausteller werden.“ Dann kommt es doch so. „Und wir haben es bis zum letzten Jahr nie bereut.“ – „Mit so einer Situation konnte keiner rechnen“, ergänzt Jeffrey Arens.
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Monatelang hat der Betrieb weitgehend ruhen müssen. Die große Lagerhalle steht voller Fahrgeschäfte, Dekorationsartikel, Gastronomiewagen. „Das einzige, was draußen war, ist die historische Orgel“, erzählt Karl Arens. Mit dem 100-jährigen Familienerbstück bereist er im Shutdown 35 Seniorenheime, lässt das Instrument vor der Türe erklingen und spendet den Bewohnern so ein wenig Freude. In der fünften Generation besitzen die Arens die Orgel, die 1920 angeschafft wird, um sie in das Karussell zu integrieren.
„Vom Weihnachtsgeschäft hängt die Existenz unserer Unternehmen ab“
Schließlich braucht es für den Spaß passende Musik – damals wie heute. Früher, erzählt Jeffrey Arens, habe man das gute Stück regelmäßig am ersten Weihnachtstag im Hof aufgebaut und sie für die Nachbarn spielen lassen. Seitdem die Weihnachtsmärkte bis zum Jahreswechsel geöffnet sind, geht das aber nicht mehr. Davon, dass die Märkte alle stattfinden, geht die Familie aus. Zumindest setzt sie alle Hoffnungen hinein. „Vom Weihnachtsgeschäft hängt die Existenz unserer Unternehmen ab.“
Familie prägt das Geschehen der Stadt schon lange
Die Schaustellerfamilie Arens prägt das Geschehen in der Stadt schon lange, ohne jedoch selbst dabei sehr bekannt zu sein. Einstmals sei es Großvater Hubert Ruppert gewesen, der den Weihnachtsmarkt nach Gelsenkirchen brachte und lange Zeit als dessen Veranstalter tätig war.
Heute tritt die Familie als Veranstalter des „Parkfestes“ im Revierpark Nienhausen auf. Jenes musste in diesen Jahr aber coronabedingt ausfallen.
Es klingt schon an, die Familie Arens ist mehr als eine Schaustellerfamilie. Die Söhne sind, bis Corona, erfolgreiche Unternehmer. Drei Schaustellerbetriebe, eine Veranstaltungsgesellschaft und einen Eventservice betreiben die Arens. In der Hochzeit der Saison beschäftigen sie bis zu einhundert Angestellte. Heute sind die meisten in Kurzarbeit oder mussten in andere Jobs vermittelt werden. Darum haben sich die Brüder selbst gekümmert. Das bisschen, was derzeit möglich ist, schaffe die Familie auch allein. Dabei habe man vieles versucht, erzählt Ricardo Arens.
Aufenthalt in der Heimat – die Familie Arens schwelgt in Erinnerungen
Angefangen mit einem Autokino in Hagen, dann einem ersten Drive-In in Anröchte. „Da hatten wir Schlangen von bis zu 186 Autos. Das war die erfolgreichste Veranstaltung dieses Jahr.“ Eine erste Kirmesveranstaltung unter Coronabedingungen hingegen floppt. Die Familie muss sogar Geld drauf zahlen. Ricardo Arens fühlt sich, in Anbetracht des gefühlten Arbeitsverbotes und der damit verbundenen existenzbedrohlichen Situation, von der Politik vergessen, vermisst ein „Rettungspakt für die Schausteller“ und fragt sich, warum selbst die Prostitution wieder erlaubt sei, familienfreundliche Kirmesveranstaltungen jedoch nicht. Er ist überzeugt: „Wir Schausteller können die verantwortungsvoll durchführen.“
Gerade weil die Familie, zum ersten Mal überhaupt, in diesem Sommer viel im heimischen Erle ist, schwelge man in Erinnerungen. Immer wieder werde erzählt von früher, werden alte Fotos betrachtet. Mittlerweile haben auch die Söhne schon Nachwuchs, wächst die nächste Generation heran. Ob die auch mal als Schausteller leben soll? „Die Kinder erhalten die bestmögliche Bildung. Denn sie ist das Rüstzeug fürs Leben“, sagt Ricardo Arens. „Wenn sie sich dann entscheiden, diesen Beruf zu ergreifen, bin ich sehr froh.“
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