Gelsenkirchen/Stuttgart. Weekend, Gelsenkirchens bekanntester Rapper, hat auf seinem Album „Lightwolf“ heftiges Heimweh. Ohne seine Tochter wäre es wohl nie erschienen.

Die neue Schalke-Hymne heißt „Eine Liebe“ – und sie ist ganz und gar unhymnisch. Zu ihr werden eher vollblütige Hip-Hop-Fans in Keller-Clubs die Köpfe nicken als dass zu ihr Fans im Stadion mitgrölen. Und vergöttert wird Blau-Weiß hier auch nicht. „Mein Club, geboren aus der Arbeiterschicht/Kein Zauberfußball, keine magischen Tricks“, rappt der Hymnenschreiber Weekend, bürgerlich Christoph Wiegand, der für den Song offiziell mit seinem Lieblingsverein zusammengearbeitet hat. „Fußball-Songs werden schnell peinlich. Deswegen habe ich mich dafür entschieden, einen so harten Song zu machen“, erzählt er per Telefon aus dem Studio in Stuttgart.

Stuttgart?

Weil Weekends ehemalige Plattenfirma Chimperator und seine jetzige Ehefrau die baden-württembergische Hauptstadt ihre Heimat nennen, hat es den Ruhrpottler vor einigen Jahren auch dorthin verschlagen. Jetzt ist er hier sogar Vater geworden, in dieser „zum Kotzen schönen Welt“, wie Weekend sie auf seinem neuen Album „Lightwolf“ beschreibt. Die Mami-Cafés, die Szene-Viertel und vor allem die Leute: „Ständig auf der Jagd, sie brauchen dringend etwas Selbstgemachtes, ökologisch Abbaubares, Handverlesenes“, rappt Weekend auf seinem vierten Langspieler über die Stuttgarter Nachbarschaft. Da ist ein Gelsenkirchener Jung wie ein Außerirdischer.

Gelsenkirchen, „die echte Welt“

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So ist das Heimweh in Weekends aktueller Musik allgegenwärtig. „Ich glorifiziere Gelsenkirchen“, sagt der 33-Jährige. Die grauen Fassaden? Die Ein-Euro-Läden in der City? Die Arbeitslosigkeit, die Probleme? „Ich lieb‘ das hier, das ist die echte Welt“, sagt Weekend auf seinem Song „0209“ – die Vorwahl von Gelsenkirchen. Natürlich kommt er noch immer oft her, regelmäßig übers Wochenende. Warum nicht auch mit der Tochter hierhin ziehen? „Da muss ich mit meiner Frau noch mal in den Ring steigen.“

Aber „Lightwolf“ ist nicht nur Gelsenkirchen. Weekend, der es mit seinem zweiten Album „Für Immer Wochenende“ 2015 auf Platz eins der Charts geschafft hatte, ist mit seiner musikalisch vielfältigsten und aufregendsten Platte künstlerisch auf dem Zenit. Interessant war er für viele immer schon, weil er einen Kontrast zum Rapper-Kollegium bildete – der schlaksige Durchschnittstyp und Pantoffelheld, der sich nicht so ernst nimmt und „bei Männlichkeitsritualen immer versagt“.

Die Schreibblockaden gelöst

Dieser Sonderstellung wird auf „Lightwolf“ zugespitzt, Weekend begibt sich so schonungslos wie humorvoll auf Identitätssuche. Er reflektiert sein Jugend-Ich so selbstironisch wie sein Zukunfts-Ich, seinen „Future Christoph“ – also der, der sich nicht mehr „wie ein unbeobachteter Sechsjähriger ernährt“. „Andere Musiker fragen in ihren Texten: Wann komme ich endlich an? Ich finde es ganz geil in Bewegung zu bleiben“, sagt er.

Reflektiert er sich selbst, reflektiert er auch die Gesellschaft. Stereotype Männlichkeit wird verurteilt („Boxen“), Vorstellungen einer deutschen Leitkultur räumt er ab („Geh weg“) und er persifliert die Blasenbildung im Internet („Bubble“). „Dass ich mir mehr Gedanken über den Stand dieser Gesellschaft mache, hängt damit zusammen, dass ich mich entschieden habe, ein Kind in die Welt zu setzen“, sagt der hauptberufliche Sozialarbeiter.

Zur Hochzeit gab’s Pizza.

Sein Vaterwerden hat alle Blockaden gelöst. Zeitweise stand für Weekend auf der Kippe, ob er überhaupt noch ein Album rausbringen würde. Die Inspiration, der Antrieb habe gefehlt: „Alles war so gleichbleibend in meinem Leben. Man geht zur Arbeit, schreibt eine Platte, hat Auftritte“, sagt er. Aber dann kam der Tag im Kreißsaal. „Guck mal wie, seit dieser kleiner Mensch bei uns wohnt, alles von alleine klappt“, rappt er auf dem neuen Album. Die Tochter als Muse – natürlich hat die Kleine mit „Nonos Song“ auch ihre eigene Widmung bekommen.

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Von Gordon Wüllner und Jens Dirksen

„Burger + Pommes“ ist das Liebeslied auf „Lightwolf“ – und es ist genauso untypisch wie Weekends Schalke-Song. Das heißt: unromantischer geht’s nicht. Statt Klavier und Gesang heißt es bei Weekend: „Unser Song ballert“. Und dass auf seiner Hochzeit Pizza bestellt wurde, wie im Text behauptet? Keine Lüge im Dienste der künstlerischen Freiheit. „Meinetwegen können andere Leute fünf Torten mit 50 Etagen zu ihrer Hochzeit bestellen, bei uns gab es tatsächlich Pizza“, erzählt er. So feiert man keine Hochzeit in Stuttgart.

Wohl eher in Gelsenkirchen.

Das vierte Album

„Lightwolf“ erscheint am Freitag, 11. September, und ist die erste Veröffentlichung auf Weekends selbst gegründetem Label „ilovewochenende“. Es ist nach „Am Wochenende Rapper“ (2013), „Für immer Wochenende“ (2015) und „Keiner ist gestorben“ (2017) Weekends viertes Studioalbum.

Der Schalke-Song „Eine Liebe“ befindet sich nicht auf dem Album und ist eine Sonderveröffentlichung in Kooperation mit Schalke 04.