Bochum. Die Doku „We Almost Lost Bochum“ ruft die Geschichte der Bochumer Hip-Hop-Band Ruhrpott AG wach. Ein Film über Musik, Freundschaft und Tod.
Im legendären Logo Club, der im Keller der City-Passage in Bochum musikalischen Unterströmungen eine Tanzfläche gab, begegneten sich Anfang der 1990er Jahre der Herner Karsten Stieneke alias „Aphroe“ und der Oberhausener Gabriel Saygbe alias „Mr. Wiz“ – sie bildeten später die Hälfte einer der wichtigsten Hip-Hop-Bands des Ruhrgebiets: Ruhrpott AG, kurz RAG.
Rap aus Bochum prägte die Szene
Die Entstehung der Band fällt in die Zeit, als der deutsche Sprechgesang sich in vielen Ecken der Republik regte. RAG prägte den deutschen Rap von Bochum aus.
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In der aktuellen Kinodokumentation „We Almost Lost Bochum“ spüren die Filmemacher Julian Brimmers und Benjamin Westermann der Geschichte der Band intensiv nach. Sie erzählen sehr persönlich, spannend und emotional von dem Leben der Menschen hinter RAG. Ihre Wege führen von Herne über Oberhausen, Wattenscheid und Witten nach Washington D. C. bis New York City und wieder zurück nach Bochum. Musiker wie Jan Delay, Kool Savas, Curse, Die Kassierer und die Stieber Twins kommen zu Wort und berichten, wie sehr RAG sie damals und heute inspiriert haben.
Soundtüftler im Keller in Oberhausen
Ein trauriges Kapitel der Dokumentation ist der Tod von RAG-Rapper „Galla“ mit 38 Jahren, der 2011 die Szene in Bochum bewegte. Ihm ist der Film gewidmet.
Offizieller Kinostart im Metropolis
Das Metropolis-Kino im Hauptbahnhof Bochum startet nach der Corona-Pause am Freitag, 11. September, mit „We Almost Lost Bochum“ den Kinobetrieb und sein reguläres Programm. Die RAG-Dokumentation läuft täglich um 20.15 Uhr, Sonntag auch um 17.45 Uhr.
Der Titel des Films „We Almost Lost Bochum“ bezieht sich auf den Song „We Almost Lost Detroit“ von Gil Scott-Heron. Ursprünglich war es nur der Arbeitstitel, setzte sich aber als finaler Filmname durch.
Damals im „Logo“ jedenfalls, haute Gabriel Saygbe den sprachverliebten Karsten Stieneke an: „Wenn du jeden Song mitrappen kannst, versuch es doch mal mit einem eigenen.“ Stieneke nannte sich „Aphroe“ und besuchte den Soundtüftler Mr. Wiz fortan in seinem Oberhausener Keller, um gemeinsam unter dem Namen „RAID“ kreativ zu sein. Außer Aphroe und Mr. Wiz gehörten zur RAG „Pahel“ Schulinus Brunis und Heinz Michael „Galla“. Die beiden Wattenscheider fanden ihren Weg in die Musik über den Punk, Pahel sogar als Gitarrist der Bochumer Kult-Band „Die Kassierer“.
20.000 Exemplare der Debüt-LP verkauft
„Hier gab es eine gute Szene, auch die Skaterszene hat sich entwickelt mit dem Label Rap X. Darum war Bochum der Dreh- und Angelpunkt“, erinnert sich Aphroe (46).
Als Ruhrpott AG legten die Vier zwei Alben vor. Das Debüt „Unter Tage“, 1998 veröffentlicht beim Undergroundlabel „Put Da Needle To Da Records“, verkaufte sich 20.000 Mal. Die Rap-Texte kommen ungewöhnlich poetisch daher, verzichten auf im Genre übliche rohe Kollegenschelte und Kraftausdrücke wie hier im Titel „Kreuzwortfeuer“: „Lehr’ der Angst das Fürchten, der Wüste das Dürsten, erteilen selbsternannten Fürsten Lizenzen zum Dürfen...“
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Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlichte eine wertschätzende Kritik, die den melancholisch-metaphorischen Stil der RAG hervorhebt, aber auch ihren Witz, „der sie trotz aller Melancholie vom aggressiven eines sich im Weltschmerz wälzenden Moses Pelham unterscheidet“.
Kommerzieller Durchbruch blieb aus
Warum aus RAG am Ende nicht das ganz große Ding wurde und die Band mit dem zweiten Album „Pottential“ 2001 trotz Plattenvertrags mit dem Majorlabel Motor (Universal Music) kommerziell nicht mehr Widerhall fand – auch das erzählt die Dokumentation.
Vorerst letztes Kapitel ist das 20. Album-Jubiläum 2018, zu dem sich die drei verbliebenen Mitglieder Pahel, Mr. Wiz und Aphroe zu einer einwöchigen Tour zusammenfanden und eine „Unter Tage“-Box herausbrachten. Der Hip-Hop-Spirit verbindet sie bis heute.