Gelsenkirchen. Straßenwahlkampf, Kneipentour, Minigolf- und Benefiz-Fußballturnier: SPD-Vizevorsitzender Kevin Kühnert tourt zwölf Stunden durch Gelsenkirchen.
Um zehn Uhr Podcast für die Gelsenkirchener SPD, 11 Uhr Straßenwahlkampf am roten SPD-Iglu in der Fußgängerzone vor dem derzeit leeren Schlatholt-Ladenlokal, 13.15 Uhr Benefiziturnier zugunsten des Amigonianer-Jugendtreffs, 15 Uhr Minigolf-Turnier in Bulmke, 17 bis 19 Uhr Talk mit SPD-Aktiven und OB-Kandidatin plus Wählern und Benefiz-Zapfen für Westfalia Buer in der Destille in Buer, bis 23 Uhr Kneipentour mit den Jusos durch die Altstadt und Ückendorf – Kevin Kühnert hat ein strammes Programm in Gelsenkirchen.
Lebenswirklichkeit in die Bundespolitik tragen
Der Juso-Chef und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende geht es gelassen an. Vier Tage Berlin, drei Tage Nordrhein-Westfalen – so ist seine Woche in Wahlkampfzeiten klar eingeteilt. Diesmal war es Essen, Hattingen und Hamm. Fünf Minuten nach elf trifft er am SPD-Iglu in der City ein an diesem vernieselten Samstag. Soviel Zeit wie in Gelsenkirchen verbringt er nirgends (außer in der verbotenen Stadt). Warum hier? „Gelsenkirchen ist eine wichtige Stadt, die Folgen des Strukturwandels treffen die Stadt besonders hart, ich weiß das genau, war ja schon öfters hier. Natürlich helfe ich einerseits den Genossen vor Ort im Wahlkampf. Aber für mich ist es auch eine gute Gelegenheit, einen Fundus an Geschichten zu sammeln, mehr aus der Lebenswirklichkeit vor Ort zu erfahren. Und dies auch in die Bundespolitik zu tragen.“ Wenn andere Bundesländer davon sprechen, Ruhrgebietskommunen hätten über ihre Verhältnisse gelebt und deshalb müsse man ihnen keine Altschulden erlassen, dann weiß er, wie sehr das an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht.
Städte von der Schuldenlast befreien
In Gelsenkirchen will er auch Straßenwahlkampf machen, in Coronazeiten (wie für alle) unter erschwerten Bedingungen. Mit der Maske erkennen viele Passanten den Gast aus Berlin zunächst gar nicht. Dabei betont der 31-Jährige, dass er „den direkten Nahkampf“ bevorzugt, statt mit Mikrofon von einer Bühne herab zu sprechen. Ratsherr Taner Ünalgan (28 Jahre) greift trotzdem zum Mikrofon, um den bisher masken-bewehrten Prominenten den Gelsenkirchener Passanten vorzustellen. Gibt ihm Gelegenheit, vorzustellen, was die Berliner SPD für Gelsenkirchen Gutes tun will. Die Einnahmeeinbußen im Nahverkehr ersetzen, die Städte von einem Teil der Schuldenlast befreien, sich für eine andere Bodenpolitik mit weniger Privatisierung einsetzen, die öffentliche Daseinsfürsorge stärken...
„Welche von beiden soll ich denn wählen?“
Die Aufmerksamkeit steigt, danach kommt Kühnert ins Gespräch mit Passanten. Verteilt Flyer mit dem Konterfei von OB-Kandidatin Karin Welge und Hannah Trulsen, die in der Altstadt für die SPD antritt. „Welche von beiden soll ich denn wählen?“ fragt eine ältere Dame, die sich über die freundliche Ansprache des jungen Mannes freut. Im nächsten Gespräch geht es um weggefallene Arbeitsplätze im Bergbau, um Chancen des Wasserstoffs, um Demokratie, Maskenpflicht. Und langsam drängt die Zeit. Nächste Station ist das Benefizturnier an der Sportanlage an der Fürstinnenstraße. „Spielen Sie mit?“ – Kurz zuckt leichter Schrecken über das Gesicht von Kühnert auf die Frage der Journalistin. Dann die Antwort: „Nicht dass ich wüsste. Aber Lauf-Sachen hab ich sowieso dabei.“
Minigolf gegen den Weltmeister
Er spielt dann tatsächlich nicht mit beim Fußball, schlägt sich aber im Minigolf-Turnier im Bulmker-Park tapfer. Karin Welge, Kühnert und Minigolf-Mannschaftsweltmeister Christian Zielaff treten gegeneinander an. Vom Minigolf geht es weiter in die Destille, zum Rahmschnitzel und Talk mit der OB-Kandidatin, Juso Lukas Günter und etwa 80 Gästen, die über Schrottimmobilien, Corona-Regeln und Einzelhandel vor Ort diskutieren wollen und nicht immer geschmeidig im Sinn der Sozialdemokraten sind. Nach dem Benefizzapfen geht es langsam zum gemütlicheren Teil über. Um 20 Uhr beginnt die Kneipentour, bis 21 Uhr noch mit OB-Kandidatin. Als die Jusos samt Kevin Kühnert gen Ückendorf zur Trinkhalle aufbrechen – mittlerweile mit leichten Müdigkeitserscheinungen – klinkt sie sich aus. Sonntag um 8.30 Uhr heißt es auf zum nächsten Termin, Kühnert musste zur gleichen Zeit im Zug Richtung Bonn sitzen.
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