Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener ist Weltmeister und liebt seine Heimatbahn. Einst fing er mit drei Bällen an, heute hat er rund 200 in seiner Tasche.
Der Ort, an dem für Christian Zielaff alles begann, liegt so, wie Orte im Ruhrgebiet oft liegen. Irgendwo zwischen grün und grau, zwischen schön und schäbig, zwischen Idyll und Beton. Die Minigolf-Anlage des 1. MGC Gelsenkirchen ist der Eingang zum Bulmker Park, grenzt aber auch an eine Hauptstraße, die nach Herne und Essen führt. Zwischen den Bäumen lugen Hochhausbauten hervor. Trotzdem mag Christian Zielaff es hier. Wenn er herkommt, sieht er noch immer eine jüngere Ausgabe von sich selbst am Abschlag stehen. Schüchtern, mit blonder Igelfrisur und einer Bauchtasche für seine Bälle. Bei der Erinnerung muss der 18-Jährige lachen. „Es ist immer schön herzukommen – allerdings eher wegen der Leute und der Erinnerungen, nicht wegen der tollen Umgebung“, sagt er.
Christian Zielaff ist Jugendweltmeister im Minigolf. 2014 holte er mit der deutschen Nationalmannschaft den Titel im finnischen Lahti. „Wir lagen vorne“, erzählt er, „und auf einmal waren wir tatsächlich Weltmeister.“
„Minigolf ist eigentlich überall gleich"
Minigolf hat der junge Profi schon an vielen Orten gespielt. Allein im Ruhrgebiet ist er viel herumgekommen: Gelsenkirchen, Herten, Witten, Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel, Wesel. Aber auch in Bayern, Hessen oder eben Finnland hat er den Schläger geschwungen. „Minigolf ist eigentlich überall gleich“, sagt er, „nur die Leute sind anders.“ Seine Kollegen sagen: Im Ruhrgebiet seien sie besonders locker, geradeaus, irgendwie nett. Verschrobene Herzlichkeit. Zielaff nimmt es als Kompliment.
Auf der Minigolf-Anlage in Gelsenkirchen zeigt sich diese Ruhrgebiets-Mentalität in der Liebe zum Detail. Auf Baumstammresten sitzen Enten und Gänse aus Ton. Der Gartenzwerg des Minigolfers. Ein Schild am Eingang erklärt: „Der Schläger ist kein Hammer.“ Nachricht angekommen.
Christian Zielaff wohnt nur wenige Minuten von seiner Heimatanlage entfernt. Kommt er zu Besuch, gibt es Küsschen von den weiblichen und Kommentare à la „Na, Kleiner?“ von den männlichen Weggefährten.
200 Bälle in der Tasche
Vor acht Jahren stand Christian Zielaff zum ersten Mal auf dem Platz im Bulmker Park. Mit seinen Eltern und seiner Schwester spielte er eine Runde. Zum Spaß. Obwohl: „Mein Vater und ich hatten einen kleinen Wettstreit“, erzählt Zielaff, „er hat immer gewonnen. Ich wurde dann ehrgeizig.“ Ohne das Wissen seines Vaters kaufte er sich ein Minigolf-Starter-Set: Ein Schläger, drei Bälle für 40 Euro. Jeden Tag der Sommerferien verbrachte er auf der Anlage. Unzählige Mal stand er am Abschlag. Hat getüftelt, wie der Ball am besten den Hügel hinauf läuft und im Loch landet, hat Schlagwinkel ausprobiert und den richtigen Abschlag-Stand gesucht. Irgendwann forderte er seinen Vater dann erneut heraus. „Ich habe ihn mit 20 Schlägen weniger abgezogen“, grinst er.
Doch mit dem Sieg war es nicht getan. Zielaff wollte mehr. Nach einem Probetraining blieb er endgültig im Verein hängen, bekam von „den Großen“ neue Bälle geschenkt, lernte, welchen Einfluss Materialhärte und Temperatur auf den Lauf des Balls haben.
Heute hat er 200 Bälle in seiner Tasche. Weil er mit Ehrgeiz an seinem Können arbeitete, wurde Zielaff bald besser. Er wechselte den Verein, um in höheren Ligen zu spielen. Über Gelsenkirchen und Herten fand er den Weg zum 1. MSC Wesel. Mit der Mannschaft stieg er 2014 in die Bundesliga auf, ist dort mittlerweile Stammspieler.
Der Aufstieg in die Bundesliga
„Das vergangene Jahr war für mich brillant“, sagt Zielaff. Mit dem NRW-Team wurde er deutscher Jugendmeister. Dann der Bundesliga-Aufstieg, die WM-Nominierung. „Davon erfuhr ich an meinem 18. Geburtstag. Besser ging’s eigentlich nicht“, sagt Zielaff. Ging dann aber doch: Mit dem WM-Sieg in Finnland. Der perfekte Traum. Aber der Gelsenkirchener will noch mehr. Die Jugend-EM in Tschechien steht an. Eines seiner letzten Turniere in der Altersklasse: 2016 endet seine Jugendzeit. Dann will er sich in den A-Kader hocharbeiten.
Dazwischen bleibt Zeit zum Träumen. Von der perfekten Anlage zum Beispiel. „In Wesel direkt am Rhein ist es schon sehr schön“, sagt er. Es gebe deutlich Schlimmeres: Anlagen mitten im Wohngebiet. Betonwüste im Nirgendwo. Überflutete Anlagen, die zu nah am Fluss gebaut wurden. Platzwarte, die sich nicht um die Instandhaltung kümmern.
Wenn er sich für seine Traum-Anlage einen Ort wünschen könnte, wäre auch dieser ein Ruhrgebiets-Idyll: „Das Gelände der Zeche Consol wäre toll. Wenn die alten Industrieanlagen schön beleuchtet werden und davor Minigolf gespielt wird – das hätte was.“