Gelsenkirchen. Gesundheitsreferatsleiter Klaus Mika spricht im Interview über seine Arbeit vor, während und nach Corona. Und warum es immer spannend ist.
Klaus Mika leitet das Referat Gesundheit, ist seit 1992 im Gelsenkirchener Amt tätig. Im SommerGEspräch erklärt der 65-Jährige, wie fest die Pandemie sein Referat im Griff hat, was dessen eigentliche Hauptaufgaben sind und wie sich das künftig verändern könnte und sollte.
Herr Mika, wieviel hat die Bewältigung der aktuellen Krise mit Ihren eigentlichen Aufgaben zu tun?
Klaus Mika: Was wir jetzt erleben, ist durchaus eine unserer Hauptaufgaben, der Schutz vor beziehungsweise die Eindämmung von Infektionskrankheiten. Bei der meldepflichtigen Erkrankung Masern, die bei uns allerdings kaum noch eine Rolle spielt, zum Beispiel. Wenn uns da ein Fall gemeldet wird, sind wir diejenigen, die Kontakt zur Familie aufnehmen und zur Schule, die die Kontakte überprüfen und bei Bedarf die Klasse oder auch die ganze Schule schließen. Aber da gibt es vor ganzen Schulschließungen meist Alternativen: Wir können Abriegelungsimpfungen machen etwa, das geht bei Covid nicht, weil es keine Impfungen gibt.
Gibt es Schwerpunkte in der Stadt, wo Sie besonders aktiv und wachsam sein müssen? Bei Covid, aber auch sonst?
Das kann ich so gar nicht sagen, abgesehen davon, dass die Bevölkerung in den strukturell schwächeren Stadtbereichen natürlich am gefährdetsten ist. Aber gerade bei Covid haben wir keine echten Schwerpunkte feststellen können.
Für die Infektionsbekämpfung gibt es klare Vorgaben. Für Covid gibt es die mangels Erfahrungen nicht. Wie funktioniert das jetzt?
Auch für Pandemien gibt es klare Vorgaben, Pandemiepläne, die Strukturen sind vorhanden. Die Frage ist: Inwieweit hilft das? Wir sind auch alle geschult dafür: Aber weder Politik noch Gesundheitssystem haben Erfahrung mit Pandemien. Ich hoffe, dass wir die gemachten Erfahrungen hinterher aufarbeiten, um zu sehen, ob es Blaupause-Möglichkeiten gibt; die gibt es bestimmt.
Um auf die Hauptaufgaben Ihres Referates zurückzukommen: Stehen Kinder und Jugendliche im Fokus?
Ja, das kann man sagen. Wir haben 2010 mit der Aktion „Gesunder Start ins Leben“ auf Initiative des Oberbürgermeisters den Gesundheitspreis gewonnen, haben mit vielen Angeboten vom Gratis-Schlafsack für alle Neugeborenen bis zur Schaffung von Stillplätzen in Restaurants und der Begleitung durch Familienhebammen ab der Schwangerschaft bis zur Vollendung des ersten Lebensjahrs sehr viel erreicht. Wir haben im letzten Jahr keinen einzigen Fall von plötzlichem Kindstod gehabt. Auch die Säuglingssterblichkeit ist bei uns stark gesunken. Eigentlich hat der öffentliche Gesundheitsdienst die Gesamtbevölkerung im Fokus. Aber aktuell haben wir tatsächlich den Schwerpunkt bei Kindern und Jugendlichen.
Welche Rolle spielt die Gesundheitskonferenz?
Da sitzen bei uns alle drin: Gesundheitswirtschaft, Krankenhäuser, Ärztevertreter, Krankenkassen, Politiker – da kann man ganz viel anstoßen, das gemeinsam abgesprochen wird. Und in Arbeitsgruppen wird das dann konkretisiert. Aktuell planen wir ein Projekt „Urban gesund“ mit den Krankenkassen, das in die Stadtplanung eingreift mit gesundheitsfördernden Aspekten.
Was zählt noch zu Ihren Aufgaben?
Unsere Gesundheitsingenieure etwa überprüfen die Wasserversorgung in Krankenhäusern, Hotels, Schulen, aber auch in Mehrfamilienhäusern nach der Trinkwasserverordnung, um unter anderem die Verbreitung von Keimen zu verhindern.
Haben Sie in der Corona-Hochzeit Unterstützung von anderen Ämtern bekommen?
Ja, wir hatten acht Mitarbeiter vom Medizinischen Dienst und sechs von anderen Ämtern. Wir haben bis jetzt zudem seit Mitte März im geteilten Dienst gearbeitet: die einen von sieben bis 14 Uhr, die anderen von 13 bis 22 Uhr, um alles zu schaffen. Und das auch am Wochenende. Das haben wir jetzt eingestellt, die Wochenenden sind wieder frei, abgesehen vom ärztlichen Rufdienst. Viele gehen jetzt in den Urlaub. Das muss auch sein. Alle haben sehr gut mitgemacht.
Haben Sie denn „nebenbei“ noch Ihre normale Arbeit gemacht wie Schuluntersuchungen?
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Nein, fast alle Mitarbeiter haben an der Kontaktverfolgung gearbeitet. Nur der sozialpsychiatrische Dienst hat durchgearbeitet, weil der in Krisenzeiten besonders gebraucht wird. Wir hatten über 4000 Menschen hier in Quarantäne, die ja auch mit Anrufen überprüft werden mussten. Außerdem müssen notwendige Beschlüsse gefasst und formuliert werden.
Wie geht es denn jetzt weiter?
Wir haben mit den Schuluntersuchungen wieder angefangen, die noch ausstehenden werden wir gezielter durchführen. Wir kennen die Kinder ja aus den Kitas, arbeiten mit dem Jugendamt zusammen und bekommen Hinweise auf Probleme. Im September geht es ja schon mit den Anfängern 2021 weiter.
Und wie geht es mit der Corona-Arbeit weiter?
Ich kann im Moment überhaupt nicht abschätzen, wie es nach den Ferien mit der Entwicklung weitergeht. Ich sage immer wieder, dass es auf uns Menschen ankommt in der Krise. (vehement, die Red.) WIR sind diejenigen, die das steuern. Mit unserem Verhalten. Wenn es in der Corona-Schutzverordnung heißt, wir haben die Möglichkeit, uns mit Personen aus zehn verschiedenen Haushalten zusammen zu stellen, dann heißt das ja nicht, dass es sinnvoll ist, den Abstand zu reduzieren. Das ist es nämlich nicht. Und so bleibt es auch, bis wir einen Impfstoff haben. Es hängt davon ab, wie die Menschen sich verhalten. In Deutschland haben wir es bisher gut gemacht.
Wie werden denn jetzt Tests von Personen in sensiblen Bereichen gehandhabt?
Wenn eine Mitarbeiterin in einem Seniorenheim positiv getestet wird, darf die nicht mehr arbeiten, bis sie gesund ist. Dann werden die Kontakte ermittelt. Wer davon Symptome hat, ist sofort raus. Bei Kontakten ohne Symptome kann der Arbeitgeber im Fall starker Personalnot und bei Gefahr für die Versorgungssicherheit unter strengen Bedingungen mit Tests an jedem zweiten Tag diese Kräfte in weniger sensiblen Bereichen einsetzen. Die Entscheidung liegt nach den jetzigen Richtlinien beim Arbeitgeber.
Sie agieren nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts, haben aber einen gewissen Spielraum?
Ja. Aber man muss sich bei Maßnahmen immer wieder in die Strukturen reindenken, das Wichtige ist, dass das, was entschieden wird, von den Beteiligten mitgetragen wird. Dann machen die das auch. Deshalb sind wir immer in enger Abstimmung, auch mit den Krankenhäusern.
Sie sind auch Mediziner?
Ja, Humanmediziner und Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen. Es ist sinnvoll, diesen Zusatz zur Humanmedizin zu machen, um die Strukturen zu kennen. Wir sind hier dafür auch als Weiterbildungsstätte anerkannt.
Brauchen Sie mehr Mitarbeiter für die Zukunft?
Wenn wir die fünf ausgeschriebenen Arztstellen besetzen könnten, würde das für unsere normale, originäre Tätigkeit ausreichen. Wir sind in letzter Zeit schon etwas aufgestockt worden. Aber die brauchen wir dringend, da muss was passieren, sonst blutet der öffentliche Gesundheitsdienst aus. Und die Konsequenzen möchte ich mir in einer Pandemiesituation nicht vorstellen. Es herrscht auch ein falsches Bild von unserer Arbeit. Wir arbeiten zwar nicht heilend: Aber unsere Aufgaben im Umweltbereich, die vorbeugende Arbeit mit Kindern, das Verfolgen von Krankheitsverläufen, was wir besonders im Bereich der Psychiatrie tun: das ist hochinteressant.
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