Gelsenkirchen. Nach den tödlichen Polizeischüssen wertet die Polizei den Angriff in Gelsenkirchen als Anschlag. Der Terrorverdacht hat sich aber nicht erhärtet.
Nach dem Tod eines 37-Jährigen durch einen Schuss aus einer Polizeiwaffe in Gelsenkirchen hat sich „die anfängliche Vermutung einer terroristischen Motivation nicht erhärtet.“
Zunächst war die Polizei von einem Terroranschlag ausgegangen: Mit dem Ruf „Allahu akbar“ (Gott ist groß), einem Messer und einem Knüppel in der Hand hat ein 37-jähriger Türke in Gelsenkirchen vor einer Wache randaliert und zwei Polizisten angegriffen, bevor er erschossen wurde. Trotzdem wertet die Polizei den Angriff als „Anschlag“. Das teilten die Ermittlungsbehörden am Montag um 13.25 Uhr mit.
Polizei stufte die Tat zunächst als Anschlag ein
In der Nacht zuvor hatte ein Spezialeinsatzkommando die Wohnung des mutmaßlichen Angreifers im Stadtteil Ückendorf gestürmt. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gab am Montagmittag ein Statement zu dem Vorfall ab.
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Die Kombination aus einer offenbar anlasslosen Attacke auf Polizeibeamte und dem Ausruf „Allahu akbar“ habe bei der Polizei zu einer Einstufung als Anschlag geführt, sagte Reul. „Die Polizei geht in solchen Fällen immer vom Schlimmsten aus. Das war auch richtig.“
Gelsenkirchen: Angreifer schlug auf Streifenwagen ein
Der 37-jährige, geschiedene Gelsenkirchener Mehmet B. soll laut Presseerklärung der Polizei Münster und Gelsenkirchen sowie der Staatsanwaltschaft Essen am Sonntag um 19.41 Uhr vor der Polizeiwache Süd an der Wildenbruchstraße „mit einem Knüppel auf einen geparkten Streifenwagen geschlagen haben. Im weiteren Verlauf soll er dann mit einem Messer hantiert und zwei 23 und 41 Jahre alte Polizisten bedroht haben.“
Wie Oberstaatsanwältin Anette Milk sagte, gilt es als „gesicherte Erkenntnis“, dass der 23 Jahre alte Kommissaranwärter „insgesamt vier Schüsse auf den Mann abgegeben hat, die zu dessen unmittelbaren Tode führten.“ Zuvor hatte der Mann auf jegliche Aufforderungen der Polizisten, stehen zu bleiben, nicht reagiert.
Mann hielt Messer hinter dem Rücken - Polizist zieht Waffe
Da die Beamten versetzt voneinander standen, habe einer der beiden hinter den Rücken des Mannes sehen können. Der Angreifer habe dort ein Messer versteckt gehalten und sei mit erhobenem Arm auf die Polizisten losgegangen.
Der 23-Jährige zog daraufhin seine Dienstwaffe und schoss. Die Hilfe der eintreffenden Rettungskräfte kam zu spät, der Angreifer verstarb noch am Rettungswagen. Die beiden Polizisten (23, 41) blieben unverletzt.
Beamten-Duo hat noch keine Aussage gemacht
Die Behörden gehen derweil immer noch Hinweisen nach, wonach der 37-Jährige bei der Attacke „Allahu Akbar“ gerufen haben soll. „Die Einzelheiten des Ablaufes, insbesondere ob und in welcher Weise - am Tatort wurde ein Messer gefunden - der Mann die Beamten angegriffen hat, ist Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens“, so das offizielle Statement am Montag. Das Messer lag später unter einem Polizei-Bulli und wurde sicher gestellt.
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Die Darstellung der Staatsanwaltschaft bleibt deshalb so vage, weil laut Oberstaatsanwältin Milk der Schütze „keine Aussage gemacht hat“ und sein älterer Kollege sich nach diesem außergewöhnlichen Vorfall noch „außerstande sah, eine Aussage zu den Geschehnissen zu treffen.“
Der Kommissaranwärter muss keine Stellung zu den Geschehnissen nehmen, weil er selbst im Zentrum der Ermittlungen steht. Dieses Recht steht jedem zu, der sich für sein Handeln verantworten muss. Außerdem müssten noch weitere Zeugen befragt werden.
37-Jähriger war in Gelsenkirchen gemeldet und der Polizei bekannt
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Laut Aussagen der Polizei ist der 37-Jährige, der in Gelsenkirchen gemeldet war, polizeibekannt wegen Widerstands- und Gewaltdelikten. Nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft Essen liefen gegen den getöteten Mehmet B. „zwei offene Klagen wegen Widerstands gegen Polizeibeamte.“
In der Nacht gegen 2.30 Uhr stürmte ein SEK die Wohnung des Mannes an der Bochumer Straße in Ückendorf. Er wohnte dort offenbar alleine. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, steht die Auswertung von Datenträgern noch an. Welche das sind, blieb offen, „die üblichen“ hieß es von offizieller Seite. Denkbar sind demnach Handy und Computerdateien.
Die Einsatzführung hat das zuständige Polizeipräsidium Münster als übergeordnete Behörde übernommen. Die Ermittlungen zur Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs werden aus Gründen der Neutralität beim Polizeipräsidium Krefeld geführt.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gab am Montagmittag ein Statement zu dem Vorfall ab. Demnach gibt es Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Mannes.
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Polizei bittet um Zeugenhinweise
Auf der Suche nach Zeugenhinweisen haben die Ermittler eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet. „Möglicherweise haben Passanten den 37-Jährigen vor der Tat beobachtet und können Angaben machen“, heißt es in einer Pressemitteilung aus der Nacht. Zeugen können sich unter der kostenlosen Rufnummer 0800/30 40 303 melden.
Derweil sagte Michael Mertens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dass der junge Polizeianwärter richtig gehandelt habe: „In so einer Situation muss man binnen Sekundenbruchteilen entscheiden – sonst gefährdet man sein Leben und das anderer.“ Insgesamt griffen Polizisten in NRW in 2018 laut Statistik 1612 Mal zu ihrer Schusswaffe. (mit dum/dpa)
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