Gelsenkirchen. Wer war der Mann, der zwei Polizisten angriff und durch den Schuss aus einer Dienstwaffe gestorben ist? Spurensuche in Gelsenkirchen-Ückendorf.
Nur wenige Stunden, nachdem ein 37-Jähriger vor der Gelsenkirchener Wache Süd zwei Polizisten mit einem Messer angegriffen hatte und dann durch eine Polizeikugel tödlich verletzt wurde, stürmten Polizisten die Wohnung des Mannes im Gelsenkirchener Stadtteil Ückendorf. Um 2.30 Uhr am frühen Montagmorgen erfolgte der Zugriff durch das SEK.
Hier an der Bochumer Straße gibt es auch am Montagmittag nur ein Gesprächsthema. Einige Menschen aus dem Haus und aus dem Viertel erinnern sich an Begegnungen mit dem Mehmet B., der im Verdacht steht, aus terroristischen Motiven heraus gehandelt zu haben. Bis dato aber hat sich dieser Ermittlungsansatz nicht weiter erhärtet.
Nachbar beschreibt 37-Jährigen als „sehr unauffällig“
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Merchel Lachmat, ein 25-jähriger Mann aus Afghanistan, wohnt im selben Haus in Gelsenkirchen. Seit etwa vier Jahren hat er hier sein Zuhause – ein altes, marodes Haus, in dem vieles kaputt ist – Türen, Klingeln, Treppen, Wände und mehr.
In den sieben Wohnungen leben hauptsächlich Zugewanderte aus EU-Ost, also aus Bulgarien und Rumänien. Der Tatverdächtige wohnte im zweiten Stock, Lachmat war sein Nachbar. Er nennt den 37-Jährigen „einen sehr unauffälligen Menschen“. Er sei oft alleine gewesen und habe kaum Besuch gehabt. Höchstens Essensgeruch aus der Wohnung habe man im Treppenhaus wahrgenommen.
Ein etwas anderes Bild über den Angreifer zeichnet Baver Akcan. Der 20-Jährige betreibt gegenüber dem Haus einen Kiosk. „Die Kinder aus dem Viertel haben ihn häufiger einen Terroristen genannt“, erzählt Akcan. Der Anwohner, der Beschreibung nach etwa 1,80 Meter groß, schlank und Vollbartträger, sei nämlich immer so martialisch gekleidet gewesen: mit grüner Soldatenhose, mit Armeejacke, einem schwarz-weißen Palästinenserschal und einer Takke, das ist eine Kopfbedeckung, die Muslime beim Gebet aufsetzen.
Kioskbesitzer spricht von „merkwürdigem Verhalten“
Er habe sich oft „merkwürdig verhalten“. So sei der 37-Jährige öfter in Akcans Kiosk gekommen. Gekauft habe er nie etwas. „Er hat immer nur nach Datum und Uhrzeit gefragt.“ Außerdem habe er oft vor der Haustür gestanden und sich immer wieder nach links und rechts umgesehen, wenn Pause an der benachbarten Gesamtschule Ückendorf gewesen sei.
Akcan sagt, es habe in der Vergangenheit schon mehrfach Polizeieinsätze in der Wohnung des 37-Jährigen gegeben. Der letzte sei etwa anderthalb Monate her, einer habe im April 2019 stattgefunden. Danach habe er den Mann länger nicht gesehen. Bei einem anderen Einsatz vor längerer Zeit sei die Wohnung regelrecht gestürmt worden. Das passt zu den Aussagen des Gelsenkirchener Polizeipressesprechers Christopher Grauwinkel am Sonntag, dass der Terrorverdächtige polizeibekannt sei, unter anderem wegen Widerstandshandlungen und auch wegen Gewaltdelikten.
Akcan berichtet auch davon, dass ihn Polizisten gewarnt hätten vor dem Mann, „er sei psychisch nicht ganz stabil“, so der 20-Jährige, dessen Kiosk morgens um sieben Uhr öffnet und um Mitternacht schließt. Den Großteil der Zeit sei er im Laden, bekomme also viel mit.
Das war am Sonntag in Gelsenkirchen passiert
Der 37-jährige Gelsenkirchener hatte laut Polizei am Sonntag gegen 19.40 Uhr vor der Polizeiwache Süd mit einem Knüppel auf ein Polizeifahrzeug geschlagen. Darauf hätten ihn zwei Beamte (23, 41) angesprochen. Da sie versetzt voneinander standen, habe einer der beiden – ein 23-jähriger Kommissaranwärter – hinter den Rücken des Mannes sehen können. Der Angreifer habe dort ein Messer versteckt gehalten und sei mit erhobenem Arm auf die Polizisten losgegangen. Der 23-Jährige zog daraufhin seine Dienstwaffe und gab vier Schüsse ab, die unmittelbar zum Tod des Mannes geführt haben. Die Hilfe der eintreffenden Rettungskräfte kam zu spät.
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