Gelsenkirchen-Rotthausen. Eklatanter Lehrermangel an der Gelsenkirchener Mechtenbergschule: Fächer fallen aus, Studenten unterrichten. Untragbare Zustände, sagen Eltern.
Mit einem verzweifelten Hilferuf möchte die Schulpflegschaft der Mechtenbergschule auf den folgenschweren Lehrermangel an der Grundschule aufmerksam machen: In einem Elternbrief, adressiert unter anderem an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski und die örtliche Schulamtsdirektorin, Petra Brommert, wird beklagt, dass aktuell mindestens vier Lehrer fehlten, einige Fächer fielen deshalb komplett aus.
„Wir möchten nicht mehr ruhig zu sehen, wie mit unseren Kinder experimentiert wird. Unserer Kinder haben das Recht auf eine angemessener Schulbildung“, sagt die Pflegschaftsvorsitzende Yurdasen Eroglu-Aygünes. Evangelischer Religionsunterricht und Schwimmen entfalle für den dritten Jahrgang zurzeit ganz, Auffangklassen für Flüchtlings- und Zuwandererkinder würden von zwei Studentinnen unterrichtet, die sich eine Stelle teilten. „Wir müssen ständig davon ausgehen, dass im Krankheitsfall Unterricht ausfällt, da keine Vertretung mehr zur Verfügung steht.“
Nach den Ferien kommt Verstärkung – übergangsweise
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Schulamtsdirektor Bernhard Südholt kennt die angespannte Lage an der Rotthauser Gemeinschaftsgrundschule. „Die Situation hat sich durch mehrere langfristige Erkrankungen, einen Wegzug und Erziehungsurlaube ergeben“, erklärt er. Seine Kollegin Petra Brommert sei bereits vor Ort gewesen, um sich ein Bild zu machen. Und das Amt hat reagiert: Nach den Weihnachtsferien wird eine Lehrkraft von einer anderen Gelsenkirchener Grundschule vorübergehend an der Mechtenbergschule unterrichten, zwei weitere Stellen wurden neu ausgeschrieben.
Eine davon, so berichtet Schulleiter Godehard Möcklinghoff, konnte nicht besetzt werden. Auf die zweite hat sich eine Quereinsteigerin beworben, aber noch nicht zugesagt. Insgesamt sieben Lehrer haben die Schule laut Möcklinghoff im vergangenen Schuljahr verlassen. Ersetzt wurden sie nur zum Teil und nur durch Teilzeitkräfte mit wenigen Wochenstunden. „Das ist alles nur Gestückel. Mir fehlen drei Stellen und die sind faktisch nicht besetzbar“, resigniert der Schulleiter. Eine der Auffangklassen habe inzwischen mittwochs sogar komplett frei, weil kein Lehrer da sei.
Eltern sollen mit den Kindern mehr lernen
Ausgerechnet in dieser Situation stehen für den dritten Jahrgang bald Vergleichsarbeiten an. Dass die Kinder dabei gut abschneiden werden, bezweifelt Eroglu-Aygünes. Und nicht nur sie sieht offenbar Nachholbedarf in Deutsch, Mathe, Sachkunde und Englisch: „Von unseren Lehrerinnen wurden wir aufgefordert, viel mehr als bisher mit unseren Kindern zu üben und zu lernen.“
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Unhaltbare Zustände für die Mutter, denn gleiche Chancen auf Bildung für alle Kinder seien so nicht gewährleistet: „Artikel 13 (des UN-Sozialpakts, der festlegt, dass Bildung ein Menschenrecht ist, Anm. d. Red.) wird hierbei nicht eingehalten, weil Kinder aus sozial schwachen Familien und mit Migrationshintergrund benachteiligt werden“, klagt die Pflegschaftsvorsitzende.
Gewerkschaft kritisiert Zustände an Gelsenkirchener Grundschulen
Kein Einzelfall, wie die Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW) in Gelsenkirchen deutlich macht: „Schon sechs Jahre in Folge haben die Grundschulkräfte durch Zuwanderer und Flüchtlinge durchschnittlich 300 zusätzliche Kinder pro Schuljahr zu beschulen. Ein großer Teil arbeitet ohne die erforderlichen Ressourcen tagtäglich in einer völligen Überlastungssituation“, heißt es in einer Resolution der Gewerkschaft und des Personalrats für Lehrer an Grundschulen in Gelsenkirchen. „Die in Gelsenkirchen ausgeschriebenen Stellen können nicht einmal zu 50 Prozent besetzt werden. Dies führt zu einer dramatischen Unterbesetzung.“
Die GEW fordert in diesem Zusammenhang unter anderem eine Reduzierung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung für Lehrer, kleinere Klassen mit maximal 20 Kindern, die Anpassung der Lehrpläne sowie, nicht zuletzt, Anreize wie Erschwerniszulagen, um Fachkräfte nach Gelsenkirchen zu locken.
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An der Mechtenbergschule wünscht man sich zunächst nur Unterstützung: „Die Lehrer stoßen trotz aller Anstrengungen an ihre Grenzen“, sagt Eroglu-Aygünes. Eine Antwort auf den Brief mit 120 Unterschriften von Eltern hat ihr Frank Baranowski inzwischen geschickt. Er verspricht, die Situation zu prüfen. Die zuständige NRW-Schulministerin hingegen bleibt eine Reaktion schuldig. Auch eine Anfrage der Redaktion blieb bis Mittwochnachmittag unbeantwortet. Eroglu-Aygünes kündigt aber an: „Ich werde am Ball bleiben, denn es geht um unsere Kinder.“