Gelsenkirchen. Raser- und Poser in Gelsenkirchen: Der szenekundige Polizeibeamte Olaf Honold beschreibt, wie sich das Phänomen entwickelt hat.
Raser und Poser sind ein Ärgernis. Lärm durch aufheulende Motoren und quietschende Reifen nervt Anwohner und raubt ihnen Ruhe und Schlaf. Nicht zuletzt sind die PS-Boliden auch eine Gefahr, denn der Fahrer blendet zum Beweis seiner Männlichkeit bei den Rennen Passanten und andere Verkehrsteilnehmer völlig aus – häufiger mit tödlichem Ausgang, wenn auch noch nicht in Gelsenkirchen. Das Risiko bleibt dennoch. Einer, der die Szene im Blick hat und gut kennt, ist Polizeikommissar Olaf Honold, Leiter der Bezirksdienststelle Süd in Gelsenkirchen. Der 54-jährige Beamte sagt gleich vorweg: „Bismarck ist nicht problematischer als andere Stadtteile in Gelsenkirchen. Und wir reden hier von Ordnungswidrigkeiten, nicht von Straftaten. Eine etablierte oder sogar organisierte Raser-Szene wie in anderen Städten gibt es in Gelsenkirchen nicht.“
In den vergangenen Wochen fokussierte sich der Kampf gegen die Raser- und Poser-Szene auf das neue Stadtquartier Graf Bismarck, freitags und samstags war die Polizei unter anderem mit Beamten des Verkehrsdienstes und der Hundertschaft dort Dauergast. Der massive Auftritt der Ordnungshüter im Zusammenspiel mit ihren Partnern ist eine Reaktion auf die andauernden Proteste der Anwohner, die den Blechauftrieb und andere Störungen nicht länger hinnehmen wollen.
„Lange Zeit waren es nur Momentaufnahmen“, sagt Olaf Honold über das Auftauchen der PS-Fetischisten in Gelsenkirchen. Die Kurt-Schumacher-Straße, die Bismarckstraße in Höhe der Emschertalbahn und des Zoom, das Consol-Gelände oder auch mal der Schalker Verein seien sporadisch im Zusammenhang mit der Raser- und Poser-Szene der Polizei ins Auge gefallen. Graf Bismarck früher eher nicht – bis auf die Moto-Cross-Fahrer, die die einstige Brache am Kanal an Wochenenden mit ihren Motorrädern durchpflügten. Die Erschließung des Gebietes mit Straßen und Häusern, spätestens seit zwei Jahren, „hat dann wie ein Magnet gewirkt“, erzählt Honold. Die Besucher kommen aus allen Städten des Ruhrgebietes, oft tragen die Autos Münchener Kennzeichen, Hinweis auf geleaste oder gemietete Autos.
Vor allem die Johannes-Rau-Allee hat es der Szene angetan und die Vernetzung über „soziale Medien“ hat dazu geführt, dass an Wochenenden „bis zu 400 Besucher“ ins Stadtquartier strömen. Auch das umliegende Gebiet sei betroffen, etwa der Parkplatz am Seniorenheim Münsterstraße. Mit allem was dazu gehört: „Donuts“, Kreisen vom Gummiabrieb auf dem Asphalt, Lärm, Müll und jeder Menge Heranwachsender, die die Promenade oder die Kaimauern am Hafenbecken bevölkern. „Anzeichen von Prostitution sehen wir aber nicht“, sagt der Hauptkommissar mit Blick auf die zuletzt geäußerte Sorge der Anwohner, dort könnte sich aus dem Schaulaufen auch eine „Art Heiratsmarkt und mehr“ entwickeln.
Mit Fahrbahneinbauten und verschärfte Kontrollen versuchen Polizei und Stadt, das Problem einzudämmen. Mit durchaus sichtbaren Erfolgen, die Zahlen „sind spürbar zurückgegangen“, wie der erfahrene Polizist berichtet: Im Juli registrierte die Polizei noch bis zu 70 Fahrzeuge und 80 Besucher vor Ort, Mitte August standen sechs Fahrzeuge und 18 Personen im Blickfeld der Beamten, Ende August sieben Autos und 30 Personen. Bei den festgestellten Vergehen handelte es sich wie eingangs beschrieben zumeist nur um Ordnungswidrigkeiten – in seltenen Fällen auch Verkehrsstraftaten – Fahren ohne Versicherung, ohne Fahrerlaubnis respektive Tempoverstöße.
Alles gut also? Nein. Denn die Flexibilität der Raser- und Poser-Szene und die sozialen Medien stellen für die Polizei eine große Herausforderung dar. Die Fertigstellung der Europastraße in Bulmke-Hüllen, zwei Kilometer schnurgerader neuer Asphalt sind ein „neuer Anziehungspunkt“, so Olaf Honold. Gastronomie (Burger-Bräterei), Eisdiele, Bäckerei und 24-Stunden-Tankstelle und reichlich Platz, den PS-Boliden zur Schau zu stellen, üben offenbar einen unwiderstehlichen Reiz aus. Ein Katz-und Maus-Spiel.
SPD fordert mehr Polizeipräsenz in Gelsenkirchen
Vergangene Woche hat sich die CDU-Ratsfraktion mit der Bürgerinitiative Graf Bismarck getroffen, um sich die Problematik mit der Raser- und Poser-Szene aus erster Hand erläutern zu lassen. Bei dem Treffen bot sich die Union als Vermittler an. CDU-Fraktionschef Wolfgang Heinberg sagte unter anderem, dass das Schilder aufstellen nicht ausreiche.
Auch die SPD hatte sich bereits des Themas angenommen, noch vor der Union. Deshalb gab es jetzt nach dem Vorstoß der CDU eine entsprechende Replik. So erklärte Klaus Haertel, der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion: „Beim Schilder aufstellen ist es nicht geblieben, sondern wir haben bereits an weiteren, konkreten Lösungen gearbeitet. Die Kontrollen vor Ort zeigen längst erste Erfolge, wie die Bürgerinitiative bestätigt. Unter anderem hat die Stadt bereits den Kommunalen Ordnungsdienst ausgebaut, die Präsenz erhöht und eine zentrale Leitstelle eingerichtet. Doch beim Ahnden vieler Verstöße benötigt der Kommunale Ordnungsdienst die Unterstützung der Polizei.“
Hundertschaft durch Bundesliga schon weitreichend gefordert
Das ist der wunde Punkt, denn die Einsatzhundertschaft der Polizei in Gelsenkirchen hatte in der Sommerpause noch Kapazitäten übrig, jetzt ist sie durch die Spiele der Fußballbundesliga häufiger gebunden. Deshalb forderte die SPD die CDU-Ratsfraktion auf, beim Parteikollegen und NRW-Innenminister Herbert Reul darauf zu drängen, die Polizeipräsenz in Gelsenkirchen zu erhöhen. „Wir beide würden einen solchen Vorstoß im Landtag unterstützen“, erklärten die Gelsenkirchener SPD-Landtagsabgeordneten Heike Gebhard und Sebastian Watermeier.
Die Bürgerinitiative Graf Bismarck freut sich über so viel Aufmerksamkeit für die Belange der Anwohnerschaft, wie ein Sprecher mitteilte. Man sei gespannt, welche Lösungen die Politik und entwickele.