Gelsenkirchen. Zum 3. Mal legt Gelsenkirchener Kämmerin einen ausgeglichenen Haushaltsentwurf vor. Das Gesamtvolumen 2020: 1,11 Milliarden Euro. Die Fakten:

1091 Seiten bedrucktes Papier füllen einen dicken Ordner – es ist ein Milliardenpaket. Dieses Zahlenwerk wird in den kommenden Monaten die Kommunalpolitik beschäftigen. Und es geht alle Gelsenkirchener an, auch wenn die sich kaum in die Tiefen des Haushaltsplans versenken dürften: 1,11 Milliarden Euro Gesamtvolumen wird der Haushalt 2020 haben. Zum dritten Mal in Folge legt die Stadt Gelsenkirchen einen ausgeglichenen Haushalt vor. Wiederum erfüllt sie damit die Voraussetzungen für den Stärkungspakt Stadtfinanzen, der Fördermittel eröffne. Wie in den Vorjahren ist die Genehmigung der Kommunalaufsicht wohl nur Formsache. „Jeder dieser Haushalte war auf ein Meilenstein auf dem Weg zur gelungenen Haushaltsanierung, ein großer Erfolg für diese Stadt und für nachhaltiges Wirtschaften, betonen Oberbürgermeister Frank Baranowski und Kämmerin Karin Welge, die Donnerstag im Rat der Stadt den Haushaltsentwurf einbrachte.

Keine großen Sprünge in Gelsenkirchen möglich

„Wir haben das alles geschafft, ohne den eingeschlagenen Kurs verlassen zu müssen, wir sind auch nicht an städtische Zuschüsse und Dienstleistungen gegangen“, so Baranowski. Spielraum für große Sprünge - bei „unterm Strich rund 2,4 Millionen Euro plus – gibt es auch im kommenden Jahr nicht, aber aus Sicht der Stadtspitze die Finanzmittel, um Zukunftsthemen weiter voranzutreiben und Schwerpunkte zu setzen: Sicherheit und Ordnung, Mobilität und Klima, Wohnen und Digitalisierung zählen Baranowski und Stadtkämmerin Welge dazu. Hier soll Geld fließen – obwohl sich insgesamt die Rahmenbedingungen verschlechtert haben.

Unterm Stich bleiben rund 2,4 Millionen Euro

Eine der Kita-Baustellen:An der Bochumer Straße in Gelsenkirchen-Ückendorf entsteht ein neuer Anbau.
Eine der Kita-Baustellen:An der Bochumer Straße in Gelsenkirchen-Ückendorf entsteht ein neuer Anbau. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Gehälter der städtischen Belegschaft (das einkalkulierte Lohn-Plus liegt bei rund 3 Prozent), vor allem aber die Bau- und Planungskosten sind 2019 rapide gestiegen. Ebenso die Transferaufwendungen vor allem für Sozialausgaben, das Thema EU-Zuwanderung Ost und Flüchtlinge fordert die Stadt zudem weiterhin massiv, auch die Kosten für den Öffentlichen Nahverkehr steigen. Gleichzeitig sind die Gewerbesteuereinnahmen nach drei guten Jahren mit Ergebnissen deutlich über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt wieder rückläufig. 2017, so Welge, konnte sie mit 160 Millionen Euro rechnen, 2018 mit 130 und aktuell geplant mit 141 Millionen Euro. 2020 kalkuliert sie nur noch 105 Millionen Euro ein. Dennoch betrachtet die Kämmerin das Gesamtwerk durchaus zufrieden: „Ganz objektiv gibt es keinen Grund, diesem Haushalt nicht zuzustimmen“, findet sie. „Und politischer Gestaltungsspielraum ist berücksichtigt.“

Kraftakt Stärkungspakt Stadtfinanzen

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© funkegrafik nrw | Marc Büttner

Die Einbringung des Haushaltsentwurfs ist auch stets die Gelegenheit Position zu beziehen. Sie ist auch mit Bewertung und Appellen verbunden, vorzugsweise in Richtung Land und Bund. Beifall gibt es dafür Donnerstag im Rat nur von der SPD. Baranowski will sich nicht damit zufrieden geben, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Herausforderung durch die Zuwanderung aus Osteuropa maßgeblich „einfach den Kommunen aufgebürdet werden. Das kann und darf nicht sein – und dafür werde ich mich weiter einsetzen“, so der Oberbürgermeister. Auch Förderprojekte sehen Baranowski und Welge nicht nur positiv: „Solche Programme haben zwei Nachteile: Meist sind sie mit Inhalten bestückt und machen Kommunen Vorgaben. Zweitens schaffen sie alles andere als Kontinuität“, meint Welge. Themen, die es daher weiterhin zu diskutieren gebe, seien die höhere Beteiligung des Bundes an Soziallasten, insgesamt eine auskömmlichere Grundfinanzierung und nicht zuletzt das drückende Thema der Altschulden. Die Stadt will hier „weiter auf strukturelle Lösungen drängen“. Welge wünscht sich eine „Aufgabengerechte Finanzausstattung“. Ihr Wunsch: „Hauptsache die Wirkungen kommen da an, wo sie hingehören.“

Wie groß der Kraftakt ist, den die Stadt in nahezu acht Jahren Stärkungspakt hinter sich hat, macht Welge mit weiteren Zahlen deutlich: 2012 hatte der Sanierungsplan der Stadt ein Volumen von 24 Millionen Euro, 2014 waren es bereits über 200 Millionen, 2019 dann 375 Millionen, 2020 sieht der Sanierungsplan nun 380 Millionen Euro vor. Damit, so Welge, „sei bei aller Liebe zur Haushaltssanierung das Ende der Fahnenstange erreicht.“

Investitionen in Personal und Infrastruktur

Investieren wird die Stadt auch im kommenden Haushaltsjahr besonders in diesen Bereichen:
Bildung und frühe Betreuung: Im vergangenen Jahrzehnt sind 14 neue Kitas errichtet und die Präventionsketten für Kinder und Jugendliche ausgebaut worden. Im laufenden Kindergartenjahr nehmen vier neue Tagesstätten den Betrieb auf, bis 2021 sind drei weitere Neubauten geplant. So sollen 555 neue Betreuungsplätze entstehen. 130 Millionen Euro wurden in Sanierung und Ausstattung der Schulen investiert. Die Mittel aus dem Förderprogramm Gute Schule 2020 werde Gelsenkirchen komplett abrufen, kündigt der OB an.

Im 7,5-Minuten Takt sollen die Bahnen der Linien 301 und 302 fahren und Entlastung für den Nord-Süd-Verkehr in Gelsenkirchen bringen.
Im 7,5-Minuten Takt sollen die Bahnen der Linien 301 und 302 fahren und Entlastung für den Nord-Süd-Verkehr in Gelsenkirchen bringen. © FFS | Martin Möller

Sicherheit und Ordnung: Um weitere 15 auf dann 50 Dienstkräfte soll der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) nochmals aufgestockt werden. 300.000 Euro werden dafür 2020 veranschlagt, 2021 nochmals 1,28 Millionen Euro. Baranowski erwartet sich davon „einen starken Akzent, dem man auch auf den Straßen merken wird“. Die Fäden für den KOD-Bereich laufen seit einigen Wochen in einer eigenen Leitstelle zusammen. Auch das, findet der OB, habe sich positiv ausgewirkt.
Mobilität: Ohne massive Unterstützung von Bund und Land wird es keine Mobilitätswende in Gelsenkirchen geben können. Die Stadt gibt in den Bereich über zwei Millionen Euro. Den Löwenanteil wird die Taktverdichtung auf 7,5 Minuten für die Linien 301 und 302 kosten, optimiert werden soll die Radwegeplanung. Innerhalb von zwei Jahren soll es hier eine substanzielle Verbesserung geben. Ab 2020 wird der Masterplan Mobilität unter breiter Bürgerbeteiligung ausformuliert.
Digitalisierung: 400 Kilometer Glasfasernetz wurden bereits in Gelsenkirchen verlegt, Die Stadt ist da (mit Gelsennet) vorangegangen, hat den Ausbau ohne große Firmenpartner vorangebracht. 2020 soll es in 100 Straßenbahnen und 500 Bussen Wlan geben. Als digitale Modellstadt will sich Gelsenkirchen weiter positionieren und damit auch bei der Wirtschaft punkten.