Gelsenkirchen. Vor fünf Jahren richtete das Sturmtief „Ela“ eine Schneise der Verwüstung an. Die Folgen sind in Gelsenkirchen auch heute noch immer zu erkennen.

Die Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2014 würde Matthias Klar wohl am liebsten vergessen. Als sich der 60-Jährige, der seit 1998 Förster beim Regionalverband Ruhr ist, am nächsten Morgen auf den Weg zur Forststation im Emscherbruch aufmacht, dämmert ihm langsam das Ausmaß der Zerstörung, das Sturmtief „Ela“ angerichtet hatte. „Es war eine einzige Schneise der Verwüstung“, erinnert er sich.

Auch vor fünf Jahren fällt der 9. Juni auf Pfingsten, der Montag ist tagsüber unheimlich sonnig und mit Temperaturen von bis zu 38 Grad Celsius ungewöhnlich heiß und schwül. Gegen Abend braut sich schließlich das Unheil zusammen, welches ab 20 Uhr über weite Teile Nordrhein-Westfalens niedergeht. Der Himmel färbt sich tiefschwarz, Orkanböen ziehen durch Städte und Wälder (in Düsseldorf wird die Spitzengeschwindigkeit von 144 Stundenkilometern erreicht), entwurzeln dabei unzählige Bäume, die unter anderem auf Hausdächer und Autos knallen, und schließlich öffnen die Gewitterwolken ihre Pforten. Bis zu 40 Liter Regen gehen pro Quadratmeter zu Boden. Da bricht auch die Kanalisation ein.

Sechs Menschen werden getötet

In Düsseldorf, Essen, Köln und Krefeld kommen insgesamt sechs Menschen ums Leben. Dass in Gelsenkirchen keine Person schwer zu Schaden kommt, ist das einzige Glück im Unglück. „Das dürfte dem Feiertag zu verdanken gewesen sein“, sagt Matthias Klar.

Die Situation war auch in der Woche danach noch verheerend.
Die Situation war auch in der Woche danach noch verheerend. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Die Nachwirkungen von „Ela“ sind im Emscherbruch auch heute noch sichtbar. Der Hiebsatz, den der Förster jährlich einschlägt, ist von rund 4000 Festmetern auf 1000 bis 1500 gesunken. Bis zum Sturm gab es hier einen ausgeglichenen Waldbestand, also einen gesunden Mix aus Alt- und Jungbeständen. „Das hat sich durch Ela drastisch gewandelt“, erklärt Klar. Vor allem alte und mittelalte Bestände seien besonders stark getroffen gewesen.

Dort, wo „Ela“ besonders große Flächen zerstört hat, ist natürlich längst mit der Wiederaufforstung begonnen worden. Doch das braucht seine Zeit – immerhin waren viele der Bäume mehrere Jahrzehnte alt. An den schattigeren Stellen wachsen Douglasie, Hainbuche und Co. schon deutlich besser, als an den trockeneren Plätzen. „Es war schon sehr frustrierend“, erinnert sich Klar an seine Gefühlslage nach „Ela“.

Gelsendienste erreicht Ziele bei den Ersatz-Pflanzungen

Gelsendienste hat an verschiedenen Stellen in den letzten Jahren Ersatzpflanzungen vorgenommen.

500 der 625 gefallenen Straßenbäume sind inzwischen neugepflanzt. Das Ziel von 80 Prozent ist damit erreicht. Mehr seien laut Werner Rümping nicht möglich, da der Platz fehle.

An Schulen wurden mit 155 neuen Bäumen die geplanten 60 Prozent erreicht, in Kindergärten konnten die 38 Bäume komplett ersetzt werden. Auf Friedhöfen fielen 472 Bäume, 378 sind im letzten Jahr gepflanzt worden.

Im Wald hat die Stadt über 26.000 Bäume neugepflanzt. „Der Wald regelt das dann später selbst“, erklärt Rümping. „Im Großen und Ganzen haben wir unsere Ziele erfüllt.“

Ein weiteres Problem: Bäume, die der Sturm nicht aus den Wurzeln reißen konnte, sind durchaus noch immer geschwächt – und dadurch leichter anfällig für Schädlinge wie den Eichenprozessionsspinner oder den Eichenwickler. Der trockene Sommer im letzten Jahr tat sein Übriges. Ein Rattenschwanz also.

Ganze Lkw-Ladungen mussten die Helfer abtransportieren.
Ganze Lkw-Ladungen mussten die Helfer abtransportieren. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Für schlaflose Nächte sorgt „Ela“ im Juni 2014 auch bei Gelsendienste. „Wir waren noch nachts draußen“, erinnert sich Werner Rümping, Bereichsleiter Stadtbildpflege im Gelsenkirchener Süden. Denn oberste Priorität hat das Aufräumen auf den Straßen. Besonders die wichtigsten Zufahrtswege – beispielsweise zu den Krankenhäusern – müssen schnellstmöglich wieder verkehrstauglich gemacht werden. „Auf der Cranger Straße haben wir mit einem Radlader die Bäume einfach zur Seite geschoben“, so Rümping.

4000 Bäume niedergerissen

Über 4000 Bäume reißt es im Stadtgebiet aus den Wurzeln. Besonders schlimm betroffen: Der Bulmker Park. Rümping spricht von einer „Komplett-Sanierung“, die aufgrund von Gesprächen mit Bürgern zur Generalüberholung erst seit einigen Monaten läuft. Wassersäcke an den neu gepflanzten Bäumen sorgen dafür, dass Wasser über einen gleichmäßigen Zeitraum über den Boden an die Wurzeln abgegeben wird.

Heute sieht es im Bulmker Park zwar schon wieder deutlich besser aus. Die Aufbauarbeiten laufen aber noch auf Hochtouren.
Heute sieht es im Bulmker Park zwar schon wieder deutlich besser aus. Die Aufbauarbeiten laufen aber noch auf Hochtouren. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

In den Wohngebieten stürzen ebenfalls reihenweise Bäume um. Am Maibusch fällt gleich eine ganze Reihe uralter und hoher Linden zu Boden, die Nachpflanzungen stehen dort zwar inzwischen bereits im vierten Jahr, wirken aber im Verhältnis noch immer mickrig. Ähnlich ist das Bild am Grünen Weg in Rotthausen.

„Es sah wirklich überall heftig aus“, sagt Rümping, der auch einen Vergleich mit dem 2007 tobenden Orkan Kyrill zieht: „Er war eher an bestimmten Abschnitten extrem, Ela dagegen flächendeckend. Ela war der heftigste Sturm, den ich bislang erlebt habe.“ Auf eine derartige Erfahrung kann Rümping ein weiteres Mal gut und gerne verzichten.

Am Maibusch sind die Linden noch lange nicht so groß, wie sie einst gewesen sind.
Am Maibusch sind die Linden noch lange nicht so groß, wie sie einst gewesen sind. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning