Gelsenkirchen-Buer. . Wie vielfältig die Ursachen können, darüber informierte ein WAZ-Medizinforum. Interessierte und Betroffene standen bei den Experten Schlange.
Irgendwie hat ja jeder Mensch schon mal „Rücken“. Dass aber viele Menschen auch Beinschmerzen haben, bewies das WAZ-Medizinforum des Sankt Marien-Hospitals am Mittwoch im Michaelshaus. Bis auf den letzten Platz war die Veranstaltung ausgebucht. Und im Nachgang standen die Besucher bei den Ärzten gar Schlange.
Schmerzen im Bein sind ein Symptom für unzählige Erkrankungen, das wurde gleich zu Beginn deutlich. Und so traten nicht umsonst Fachleute aus drei medizinischen Disziplinen an, aus der Gefäßchirurgie, der Neurologie und der Orthopädie. Zu Beginn referierte Dr. Wilfried Heinen, der Chefarzt der Gefäßchirurgie des Hauses.
Viele haben eine lange Leidensgeschichte
„Betroffene haben oft eine lange Leidensgeschichte“, wusste der zu berichten. Auf der Gefäßebene können Beschwerden von den Arterien verursacht werden. Die „Frischblut-Leitungen“ des Körpers können eingeengt sein durch Verkalkungen. Das Schwierige daran: „Oft bestehen bis zu einer Einengung von 70 Prozent keine Beschwerden.“ Dann aber treten bei Belastung Schmerzen auf. „Typischerweise dauert es bei Ruhe eine Minute, bis die Beschwerden abklingen und man kann wieder 100 Meter laufen.“ Daher rührt der Name „Schaufensterkrankheit“.
Mangelnde Bewegung befördert Beinprobleme
Auch die Venen können Probleme bereiten. Schon weil sie bei ihrer Arbeit des Abtransportierens unsere Hilfe brauchen: „Der Rückfluss geschieht nur durch Bewegung.“ Nur dass die im heutigen Alltag bei vielen zu kurz kommt. Die Folgen: Eine tiefe Beinvenenthrombose oder Probleme mit den Venenklappen. Hierbei nehmen die Schmerzen und Schwellungen im Tagesverlauf zu, werden verstärkt durch langes Sitzen oder Stehen – und auch dann, wenn man auf die eigentlich notwendige Kompressionstherapie verzichtet.
Über Beinschmerzen aus neurologischer Sicht informierte Dr. Andreas Rogozinski aus der Neurologie des St. Barbara-Hospitals in Gladbeck. Da gebe es zum Beispiel das „Restless Leg Syndrom“. Das habe aber nichts mit unruhigen Beinen zu tun sondern viel mehr damit, dass die Beschwerden wie Missempfindungen durch Bewegung abklingen, der Patient also die Bewegung sucht. „Einer von 20 Menschen hat einmal im Leben diese Beschwerden“, verdeutlichte der Mediziner die Häufigkeit.
Eine Vielzahl an Ursachen
Die Ursache können, neben einer genetischen Disposition, auch Eisenmangel oder eingenommene Medikamente sein. In solchen Fällen ist die Therapie meist einfach und erfolgreich. Nervenleiden in den unteren Extremitäten gibt es viele, verdeutlichte der Neurologe und brachte mehrere Beispiele ein. Etwa die Polyneuropathie, vielfach eine Nebenwirkung der Zuckerkrankheit oder von Alkoholmissbrauch. Hier schmerzen oft die Nervenenden. „Da ist es wichtig zu verstehen, dass eine Nervenzelle schon mal einen Meter lang ist, wenn sie bis in den Fuß reicht. Natürlich sind da gerade die Enden gefährdet.“
Über orthopädische Ursachen von Beinschmerzen informierte Chefarzt Dr. Alexander Awakowicz, orthopädischer Chirurg im MHB. Er überraschte die Gäste mit gleich zwei Aussagen. Zum einen, dass die Ursache von Beinschmerzen oft im Rücken liege. Und zum anderen, dass in seinem Fachbereich eines in der Diagnose ganz wichtig sei: das Anfassen. Moderne bildgebende Verfahren könnten einfach nicht alles darstellen. „Man braucht auch die manuelle Untersuchung.“
80 Prozent der Bevölkerung sind betroffen
Ursachen für Beinschmerzen könnten aus orthopädischer Sicht sowohl ein Verschleiß der Bandscheiben sein, das Wirbelgleiten, eine Osteoporose oder eine Wirbelkanalenge. „Rund 80 Prozent der Bevölkerung leiden daran.“ Auch eine Volkskrankheit also, die viele Beschwerden ganz anderer Art begründen kann. „Was viele nicht wissen ist, dass jede Region der Wirbelsäule eine Hautzuordnung hat.“ Soll heißen: Jeder Abschnitt ist mit einem ganz anderen Teil des Körpers verbunden. Die gute Nachricht für Betroffene sei aber, dass man hier durch eine Änderung des Verhaltens von der Gewichtsreduktion bis zur Krankengymnastik viel erreichen könne.
>> Starkes Interesse an der Manualtherapie
So vielfältig die vorgestellten Krankheiten rund um den Beinschmerz waren, so unterschiedlich waren auch die Fragen der Besucher in der Diskussionsrunde im Anschluss an die Vorträge. Großes Interesse bestand an der von Dr. Alexander Awakowicz so hoch gelobten Manualtherapie. Wie man da denn dran komme? „Dann müssen sie zu einem Osteopathen gehen. Der therapiert durch bestimmte Griffe, welche die Gelenke wieder in ihre Ausgangsposition bringen.“ Bei der Suche nach einem guten Fachmann helfe das Internet weiter. Dort finde man zwei Fachverbände.
Eine berechtigte Frage einer Besucherin war, bei welchem Arzt man denn nun anfange, wo es doch so viele beteiligte Disziplinen gibt. Hier wusste Dr. Wilfried Heinen für einen Lacher zu sorgen: „Sie suchen sich gleich, im persönlichen Gespräch, einfach den sympathischsten heraus.“ Tatsächlich aber könne man, außer am heutigen Abend, nur mit einer stationären Einweisung mit diesen drei Fachleuten sprechen.