Gelsenkirchen-Ückendorf. . Dr. Hans-Jürgen Venn leitete 28 Jahre lang die Gynäkologie am Marienhospital Gelsenkirchen. 25.000 Babys und viele Umbrüche später hört er auf.

Rund 25.000 Babys kamen in seiner Ära als Chefarzt der Gynäkologie am Marienhospital Gelsenkirchen zur Welt, schätzt Dr. Hans-Jürgen Venn (66). 28 Jahre lang leitete er die Abteilung mit dem Schwerpunkt Geburtshilfe. Ein Fach, an das er als junger Medizinstudent nicht im Traum gedacht hatte. Innere Medizin sollte es werden. Dass es anders kam, darüber ist Dr. Venn ist bis heute mehr als froh. „Meine Arbeit wird mir fehlen, das fürchte ich jetzt schon“, ahnt der angehende Ruheständler, der heute offiziell verabschiedet wird.

Der gebürtige Oberhausener, der nach dem Studium in Bonn und der Arbeit in Düsseldorf eigentlich nie wieder ins Ruhrgebiet wollte, lebt mit seiner Frau schon lange in Gelsenkirchen. Und will jetzt auch hier bleiben. In Kürze wird er Großvater, von Zwillingen.

Ob er die selbst auf die Welt holen möchte? „Auf gar keinen Fall. Das habe ich auch bei unseren Zwillingen nicht getan. Da bin ich emotional viel zu sehr beteiligt. Professionelle Distanz ist wichtig bei unserer Arbeit“, erklärt Venn. Denn so erfüllend es ist, Babys auf die Welt zu helfen, so gefährlich ist es auch. „Wir haben in der Geburtshilfe die höchsten Haftungsrisiken in der Medizin“, sagt Venn.

In der Schwangerschaft gibt es Risiken

Dabei hat in seinen Augen eine Schwangerschaft nichts mit Krankheit zu tun. Den Eindruck kann jedoch gewinnen, wer die vielen verschiedenen Arten der „prädiktiven Diagnostik“ vor Augen hat. Also die vielen möglichen Tests, die das Frühgeburtsrisiko, das Risiko für Schwangerschaftsbluthochdruck oder ähnliches untersuchen: „Aber natürlich gibt es tatsächlich auch Risiken. Es ist nicht selbstverständlich, dass alles glatt läuft.“ Hohe Sterblichkeitsraten etwa in Afrika zeigten das.

Verändert habe sich seit dem Beginn seiner Arbeit als Arzt im Bereich Gynäkologie vieles, betont Venn. Besondere Herausforderungen bringen heute die immer häufiger werdenden extremen Früh- und Mehrlingsgeburten. Ab einer Geburt in der 24. Schwangerschaftswoche werden Babys – Winzlingen mit weniger als 600 Gramm Geburtsgewicht – heute Überlebenschancen eingeräumt.

Frühgeburten: Kämpfen um jeden Tag im Mutterleib

„Früher begann man erst ab 1500 Gramm Geburtsgewicht an ein Überleben zu glauben. Auch heute wird noch um jeden möglichen weiteren Tag im Mutterleib gekämpft.“ Es sei immer eine Frage der Abwägung der Risiken für Mutter und Kind. Sehr positiv sei, dass heute mehr Wert auf den Umgang mit Patientinnen gelegt werde. Gerade in seinem Bereich.

Und heute wünschten sich viele Mütter gezielt einen Kaiserschnitt – für ihn nicht nachvollziehbar. „Ich versuche immer, das den Frauen auszureden. Aber letztlich ist es natürlich ihre Entscheidung. Der Vorwurf, die Krankenhäuser drängten dazu, um mehr Geld zu verdienen, stimmt einfach nicht“, sagt Venn.

Kaiserschnitt ist für kleine Abteilungen vorteilhaft

Er räumt aber ein, dass der Gedanke bei SEHR kleinen Abteilungen vielleicht nicht völlig aus der Luft gegriffen sein könnte. Wenn nur sehr wenige Ärzte rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr die Bereitschaft stemmen müssten, könne ein geplanter Kaiserschnitt den Dienstplan berechenbarer machen. . . .

>>> 1800 Babys im Jahr, Tendenz steigend

  • 1800 Babys kommen im Jahr an der Virchowstraße zur Welt, 1200 im MHB Buer. Insgesamt mehr als in ganz Bochum.
  • Ein Chefarzt, fünf Oberärzte und neun Assistenzärzte arbeiten in der Abteilung. Genug, um jederzeit Fachkräfte für überraschende Geburten im Haus zu haben, betont Venn.