Gelsenkirchen. . Was ist ein fast neues Auto nach dem Diesel-Urteil noch wert? Und was steckt hinter beworbenen Umwelt- und Wechselprämien? Ein Verkaufsselbstversuch in Gelsenkirchen.

Sechs Jahre alt, knapp 100.000 Kilometer gefahren und reif für den Schrott? Als ich das weiße Audi-Cabrio Modell A3 übernahm, war die Freude über den schicken Flitzer groß. Das Bekanntwerden des Abgasskandals dämpfte die Euphorie aber schnell. Der Trost: Mit Update konnte die Fahrt unbeschwert fortgesetzt werden.

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Bis zum 15. November. Da hieß es: Fahrverbot für Euro-5-Diesel in Essen und Gelsenkirchen. Das Auto stößt nach Meinung des Gerichts zu viele Schadstoffe aus. Dass eine grüne Plakette in der Windschutzscheibe klebt, interessiert niemanden mehr. Darüber, wie ich ab nächsten Sommer zur Arbeit komme, hat sich scheinbar keiner Gedanken gemacht.

Nun stellt sich mir – wie zigtausend anderen Autofahrern – die Frage: Und jetzt? Muss ich mich von meinem Auto trennen? Soll ich abwarten, ob das Verbot wirklich umgesetzt wird? Und, der vielleicht beängstigendste Punkt, ist mein Wagen überhaupt noch etwas wert? Ich mache mich auf die Suche nach Antworten.

Gutachten bei der Dekra eingeholt

TÜV-Prüfer Zeki Kaman ermittelt bei der Dekra in Essen, wie viel das Audi-Cabrio mit Euro-5-Dieselmotor noch wert ist. Der Wagen ist vom Fahrverbot in Essen und Gelsenkirchen betroffen
TÜV-Prüfer Zeki Kaman ermittelt bei der Dekra in Essen, wie viel das Audi-Cabrio mit Euro-5-Dieselmotor noch wert ist. Der Wagen ist vom Fahrverbot in Essen und Gelsenkirchen betroffen © Lena Reichmann

Erste Station: Die Dekra in Essen. Der Kfz-Sachverständige Zeki Kaman inspiziert meinen fahrbaren Untersatz gewissenhaft von allen Seiten, prüft die Lackierung, schießt einige Fotos. Sein Urteil: Der Verkaufswert des Wagens liegt bei 11.500 Euro. Der Händler-Einkaufspreis (also der Preis, den ein Autohändler zahlt, um beim Verkauf gewinn zu erzielen) beträgt 8900 Euro.

Mit diesem Wert als Orientierung geht es nun weiter zum VW-Händler an der Wildenbruchstraße. Da der Konzern maßgeblich mit Schuld an der Misere ist, gibt es dort hoffentlich ein faires Angebot. Tatsächlich ist der Verkäufer sehr bemüht, nimmt sich viel Zeit und geht verschiedene Optionen durch.

„Sie sind nicht die Erste heute. Im Moment kommen alle“, erzählt er. Die beste Lösung sei, mein Auto gegen einen Werkswagen zu tauschen. Zwischen 8000 und 9000 Euro bekäme ich für meinen Audi. Den genauen Preis lege ein TÜV-Gutachter fest. Obendrauf käme eine Wechselprämie in Höhe von 3000 Euro. Damit wäre der Wertverlust also ausgeglichen. Das ist der VW-Konzern betrogenen Kunden auch schuldig, finde ich.

Verkauf ins Ausland wahrscheinlich

Einen VW Golf, vergleichbar in Leistung und Ausstattung, aber neuer als mein A3 und eingetragen als Euro-6-Diesel, könnte ich bekommen. Der würde mich dann zwischen 5000 und 7000 Euro zusätzlich kosten. Kein schlechtes Angebot, aber eine Investition, die ich definitiv nicht mal so eben tätigen kann. Und was passiert mit dem Audi? „Den würde ein Aufkäufer entweder im Ausland oder in ländlichen Gebieten anbieten.“ Also wenigstens nicht verschrotten, immerhin.

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Bei BMW gibt es schlechtere Nachrichten. Nach etwas Wartezeit erbarmt sich ein Verkäufer meiner. Eine Umweltprämien in Höhe von 2000 Euro gibt es nur beim Kauf eines Neuwagens. Für das Cabrio könne er mir maximal 8000 Euro anbieten. „Das werden wir ja nicht mehr los mit Euro 5.“

Keine Prämien bei großer Kette

Die Suche geht also weiter. Ich versuche mein Glück bei einer großen Kette, die verschiedene Marken anbietet. „Prämien zahlen wir generell nicht. Versuchen Sie, den Wagen privat zu verkaufen“, winkt der Verkäufer ab. Einen Gebrauchten, der annähernd an mein aktuelles Auto herankommt, gebe es immerhin schon ab 12.000 Euro.

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Aber lohnt sich ein Privatverkauf? Gebrauchtwagenhändler würdigen mein Gefährt jedenfalls nur eines müden Lächelns. Ein Preis wird nicht genannt, vorher wolle man Rücksprache mit Großhändlern halten. Aha.

Auf Online-Verkaufsportalen wird der Wagen zurzeit für 10.000 bis 12.000 Euro angeboten. Der tatsächliche Verkaufspreis dürfte erfahrungsgemäß aber deutlich darunter liegen. Hier schlägt sich das Urteil also auch nieder. Für einen gleichwertigen Gebrauchten mit grünerer Schadstoffbilanz müsste ich wieder draufzahlen.

Wert wird wohl weiter sinken

Mangels finanzieller Rücklagen darf/ muss das Auto also erstmal bleiben. Eine Entscheidung, – das muss dabei gesagt werden – von der mir alle Händler abgeraten hatten. Der Wert werde in den nächsten Monaten drastisch sinken, wenn kein Wunder geschehe, so die einheitliche Prognose.

Wie wahrscheinlich ein solches Wunder, juristisch oder politisch, ist, wird sich zeigen. Da sind Autofahrer mal wieder zur Ohnmacht verdammt.